Verzockt? Geld zurück ist auch bei Online-Sportwetten möglich
Die juristische Aufarbeitung der Abzocke bei Online-Sportwetten steuert auf einen Showdown am Bundesgerichtshof (BGH) hin. Obwohl der BGH sich in einem Hinweisbeschluss vom 22. März 2024 (Az.: I ZR 88/23) auf die Seite der Spieler geschlagen hat und gute Gründe für die Rückforderungen der Kläger sieht, will der Online-Sportwetten-Anbieter Tipico ein anderes Verfahren BGH bis zur Entscheidung der obersten Richter durchziehen. Die aktuelle Rechtsprechung tendiert jedoch eher dazu, dass Tipico & Co. die Verluste der Spieler in einem bestimmten Zeitraum erstatten muss. Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer, die mehrere hundert Verfahren gegen Wettanbieter laufen hat, fasst die rechtliche Situation kurz zusammen:
- Der Nepp beim Glücksspiel – ob Sportwetten oder Online-Casino - funktionierte jahrelang generell so: Die meisten Spieler waren aufgrund der weit verbreiteten Werbung für Online-Sportwetten und Online-Casinos davon ausgegangen, dass es sich um legale Angebote handelte. Oftmals war dies jedoch nicht der Fall. Bis Juli 2021 war Online-Glücksspiel in Deutschland bis auf Schleswig-Holstein verboten.
- Die Aussichten für Opfer der Sportwetten-Abzocke im Internet, ihre Verluste erfolgreich zurückzufordern, sind derzeit enorm am Steigen. Hintergrund ist zum einen der aktuelle Hinweisbeschluss des Bundesgerichtshofes (BGH). Hinzu kommt, dass die Oberlandesgerichte Köln (Az.: 19 U 123/ 22), Dresden (Az.: 13 U 1753/22) und Karlsruhe (Az.: 19 U 48/23) in jüngsten Urteilen die Anbieter von Online-Sportwetten zur Rückzahlung der Verluste verurteilt hatten. Tenor: Tipico & Co. verfügten zum fraglichen Zeitpunkt nicht über die erforderliche Lizenz zur Durchführung von Online-Sportwetten in Deutschland.
- In einem aktuellen BGH-Verfahren gegen Tipico (Az.: I ZR 90/23) hatte der klagende Verbraucher 2013 bis 2018 an Online-Sportwetten teilgenommen. Während dieses Zeitraums verfügte Tipico über eine Lizenz der maltesischen Glücksspielaufsichtsbehörde, aber nicht über eine Erlaubnis zur Veranstaltung von Online-Sportwetten der deutschen Behörde. Tipico hatte eine solche Konzession beantragt. Dies erfolgte mit Bescheid vom 9. Oktober 2020. Mit seiner Klage hat er von Tipico die Rückzahlung der geleisteten Zahlungen in Höhe der erlittenen Verluste von 3.719,26 € nebst Zinsen sowie Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten verlangt.
- Kurz vor dem ersten Verhandlungstermin am BGH war es zu Vergleichsverhandlungen gekommen. Die Gefahr, eine verbraucherfreundliche Entscheidung am BGH zu kassieren, war offensichtlich zu groß – und das bei einem Streitwert von knapp über 3000 Euro. Doch offensichtlich sind die Verhandlungen geplatzt, Anfang Mai 2024 steht ein Verhandlungstermin an und Tipico will eine Entscheidung am BGH.
- Ein Tipico-Sprecher machte gegenüber Medien klar: "Und wir sind nach wie vor zuversichtlich, dass der BGH in diesem Verfahren letztlich unsere Rechtsansicht teilen wird." Aktuell werde mit der Klageseite noch verhandelt.
- Eine Entscheidung des BGH zu Online-Sportwetten gab es bislang nicht. Auf rechtliche Orientierung warten wegen tausender ähnlicher Fälle aber viele. Bisher haben sich die Wettanbieter vor einer Entscheidung mit den Klägern verglichen und Schadensersatz bezahlt. Um sich nicht weiter an der Nase herumführen zu lassen, hat der BGH nun in die Trickkiste gegriffen und einen Hinweisbeschluss erlassen – zwar nicht öffentlich, aber es war klar, dass der irgendwie den Weg an die Öffentlichkeit finden wird. Beispielsweise liegt der Beschluss der Deutschen Presseagentur dpa vor.
- Der I. Zivilsenat am BGH weist im Hinweisbeschluss ähnlich wie bereits die zweite Instanz darauf hin, dass die Revision des Wettanbieters voraussichtlich ohne Erfolg bleiben wird. Auf 25 Seiten erklärt der Senat, warum er davon ausgeht, dass der Anbieter gegen Regelungen des Glücksspielstaatsvertrags in der Fassung von 2012 verstoßen habe. Unter anderem hatte die Firma demnach den Höchsteinsatz je Spieler nicht auf 1000 Euro pro Monat begrenzt. Das wird schon daran deutlich, dass der Mann in knapp zweieinhalb Monaten im Jahr 2018 rund 12.000 Euro Verlust gemacht hat. Die fordert er plus Zinsen zurück. (Az. I ZR 88/23) Die Verträge zwischen Anbieter und Spieler dürften nichtig sein, schlussfolgert der BGH im noch unveröffentlichten Beschluss. Der Kläger dürfte einen Rückzahlungsanspruch haben.
Der Hinweisbeschluss des BGH vom 22. März 2024 zeigt deutlich, dass es sich lohnt, seine Ansprüche gegen Online-Sportwetten-Abzocke geltend zu machen und Geld zurückzufordern. Mittlerweile nehmen die Anbieter von Online-Sportwetten immer häufiger die Berufungen gegen verbraucherfreundliche Urteile zurück und entschädigen die Spieler. Die Verhandlungsbereitschaft von Tipico & Co. zeigt also, dass Spieler beste Chancen haben, ihre Verluste und ihr Geld aus illegal angebotenen Online-Sportwetten zurückzubekommen. Dr. Stoll & Sauer rät daher betroffenen Spielern zur Beratung im kostenlosen Online-Check. Mehr Infos zur Sportwetten-Abzocke gibt es auf einer speziellen Kanzlei-Website.
Geld zurück: Auch Online-Casinos oftmals illegal unterwegs
Nicht nur Anbieter von Sportwetten, sondern auch Online-Casinos bewegen sich mit ihren Angeboten auf illegalem Terrain. Folgende Sachverhalte sind für deutsche Gerichte bei Casino-Abzocke mittlerweile unstrittig und finden sich in den unterschiedlichsten Urteilsbegründungen:
- Die Angebote der Online-Casinos verstießen gegen geltendes Recht. Bis zum 30. Juni 2021 war Online-Glücksspiel in Deutschland bis auf wenige Ausnahmen verboten. Der Vertrag zwischen Verbraucher und Anbieter ist nichtig und nie zustande gekommen. Verbraucher haben daher Anspruch auf die komplette Rückerstattung ihrer Verluste – natürlich nach Abzug ihrer Gewinne.
- Der Rückzahlungsanspruch ist nur dann zu verwehren, wenn Spieler von der Illegalität des Online-Glücksspiels gewusst hätten. Das verklagte Online-Casino muss diesen Zusammenhang dem Spieler nachweisen. Für die Allgemeinheit ist aus Sicht vieler Gerichte jedoch nicht bekannt, dass Online-Glücksspiele verboten gewesen sei.
- Manche Anbieter von Online-Glücksspielen verlangen von Spielern, dass sie sich selbst vor dem Zocken über die Rechtslage in ihrem Land informieren. Das OLG Frankfurt wies süffisant darauf hin, dass die Anbieter von Online-Glücksspielen selbst die Meinung vertreten, vollkommen legal zu handeln. Da passe es nicht, wenn sie dem Spieler unterstellen, dass er über die Illegalität informiert gewesen sein müsste.
- Sicherlich haben auch die Spieler gegen das Glücksspielverbot verstoßen. Allerdings gehen die Gerichte in den meisten Fällen davon aus, dass sie von dem Verbot nichts gewusst haben. Der Glücksspielanbieter jedoch schon. Er muss sich dieses Verstoßes bewusst gewesen sein und ihn trotzdem gewollt haben. Der Schutzzweck des Verbotes würde aus Sicht der Gerichte ad absurdum geführt, wenn der Anbieter den Einsatz des Spielers behalten könnte.
- Interessanterweise sind die meisten Online-Casinos auch aktuell noch ohne gültige Lizenz unterwegs, fand das Nachrichtenmagazin Der Spiegel heraus. Daher ist es für Verbraucher auch nach dem 1. Juli 2021 interessant zu prüfen, ob die Casinos illegal gearbeitet haben. Falls das so ist, können Ansprüche auf die Rückgabe der Verluste bestehen. Wichtig dabei: Die Geschädigten dürfen vorher von der Illegalität des Online-Casinos nichts gewusst haben. Die Betreiber müssen vor Gericht den Nachweis über eine mögliche Kenntnis des Spielers führen.
Weitere Infos hier: https://www.dr-stoll-kollegen.de/online-casino-geld-zurueck