Grandioser Erfolg für Verbraucher in Österreich gegen VW
Da hat sich die Volkswagen AG gehörig verrechnet. Im Vergleich zur Musterfeststellungsklage waren Kläger außerhalb Deutschlands kurzerhand noch ausgeschlossen worden. Doch diese Kläger können nun nach einem Urteil des EuGH VW in ihren eigenen Heimatländern zur Rechenschaft ziehen. Konkret ging es in dem Verfahren um 574 Käufer manipulierter VW-Fahrzeuge, die ihre Rechte an den Verein für Konsumenteninformation (VKI) aus Österreich abgetreten hatten. Der VKI brachte im September 2018 am Landesgericht Klagenfurt eine Klage gegen Volkswagen ein. Normalerweise muss eine Klage in dem Land eingereicht werden, in dem der Beklagte seinen Sitz oder Wohnsitz hat. Deshalb hatte das Landesgericht beim EuGH angefragt, ob es überhaupt zuständig sei.
Der EuGH-Generalanwalt Campos Sanchez-Bordona sah bereits am 2. April 2020 in seinen Schlussanträgen für den vorliegenden Fall eine Ausnahme gegeben. Sind die unerlaubten Handlungen und ihre Folgen in verschiedenen Mitgliedstaaten zu verorten, kann der Kläger laut Generalanwalt zwischen zwei Gerichtsständen wählen: dem des Ortes, an dem der Schaden eingetreten ist (Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs) und dem des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist (Ort des für den Schaden ursächlichen Geschehens). Unterm Strich bedeutet das im konkreten Fall: Österreichs Verbraucher können VW in Deutschland und auch in Österreich verklagen.
Der EuGH folgte im Kern dem Antrag des Generalanwalts und entschied grundsätzlich, dass in Fällen wie dem VW-Abgasskandal eine Ausnahme von den sonst üblichen gerichtlichen Zuständigkeiten vorliegt. Der Ort der Verwirklichung des konkreten Schadens liege in Österreich. Zudem könne ein Autohersteller, der beim Bau eines Fahrzeugs eine unzulässige Manipulation vornimmt, davon ausgehen, dass er vor den Gerichten desjenigen Landes verklagt wird, in dem er die Autos verkauft. Damit kann VW in jedem Land der EU verklagt werden.
Chancen gegen VW vor Gericht zu gewinnen sind enorm gestiegen
Für die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer zeigt das EuGH-Urteil erneut, wie sich die Rechtsprechung im Fall Volkswagen seit Beginn des Diesel-Abgasskandals 2015 zugunsten der Verbraucher gedreht hat. Am 25. Mai 2020 verurteilte der Bundesgerichtshof VW erstmals in letzter Instanz wegen vorsätzlicher und sittenwidriger Schädigung (Az.: VI ZR 252/19). Die Chancen, sich gegen den VW-Konzern vor Gericht durchzusetzen, steigen auch im Hinblick auf die neue Motorengeneration – beispielsweise den EA 288. Am EuGH in Luxemburg sind am 30. April 2020 in einem Gutachten temperaturabhängige Abschalteinrichtungen als unzulässig eingestuft worden. Und im EA 288 ist unter anderem ein sogenanntes Thermofenster verbaut. Das hat VW bereits am Landgericht Duisburg zugegeben.
Daher geht die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer davon aus, dass betroffene Verbraucher erneut geschädigt worden sind und rät zur anwaltlichen Beratung. Im kostenfreien Online-Check der Kanzlei lässt sich der richtige Weg aus dem Diesel-Abgasskandal herausfinden.
EuGH-Urteil im Sinne von Sharpston Auslöser von Dieselgate 2.0
Am EuGH sind am 30. April 2020 in den Schlussanträgen der Generalanwältin Eleanor Sharpston temperaturabhängige Abschalteinrichtungen als unzulässig eingestuft worden. Auch wurden in diesem VW-Verfahren Ausnahmen sehr enge Grenzen gesetzt. Welche Folgen hätte ein Urteil im Sinne der Schlussanträge? Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer fasst die wichtigsten Fakten zusammen:
- Software-Update beim EA 189 wäre unzulässig: Als Update ist ein Thermofenster verwendet worden. Dies wird von VW kaum bestritten. Die Deutsche Umwelthilfe zweifelte die Rechtmäßigkeit des Updates seit Jahren an. Ein entsprechendes Verfahren liegt am Europäischen Gerichtshof vor.
- VW-Motor EA288: Auch hier ist unstreitig, dass ein Thermofenster verwendet wird. Vor Gericht hat das Volkswagen bereits eingestanden. Die Typengenehmigung der Fahrzeuge wäre nicht rechtmäßig.
- Daimler AG: Der schwäbische Autobauer verwendet in seinen Diesel-Motoren ebenfalls das sogenannte Thermofenster. Und hat dies auch bereits zugegeben. Daimler wäre damit seinen Kunden gegenüber haftbar.
Das Thermofenster wird laut Autohersteller zum Schutz des Motors eingebaut. Die entsprechende Regelung der EU-Norm ist jedoch nur in ganz engen Grenzen erlaubt. Das EuGH-Gutachten spricht dabei von unmittelbaren und plötzlichen Schäden beispielsweise an der Lenkung. Langfristigere Auswirkungen wie Abnutzung oder Wertverlust dürfen keine Rolle spielen.
Mittlerweile sind neun Verfahren im Diesel-Abgasskandal am EuGH anhängig – sechs aus Deutschland, zwei aus Österreich und eines aus Frankreich.
- Landgericht Gera: Az. C 663/19; C 759/19; C 809/19; C 808/19
Vier Verfahren befassen sich mit ähnlicher Thematik: Hat VW sich eine Typengenehmigung der EU erschlichen? Müssen die Verbraucher eine Nutzungsentschädigung bezahlen? - Verwaltungsgericht Schleswig C 873/19
In diesem Verfahren steht das Software-Update für den Dieselmotor EA 189 zur Prüfung an. Die Deutsche Umwelthilfe will wissen, ob es sich dabei auch um eine Abschalteinrichtung handelt. - Landgericht Stuttgart: 3 O 31/20
Hier steht das sogenannte Thermofenster von Porsche auf dem Prüfstand. Ist die Abgasreinigung in einem eng gefassten Temperaturfenster zulässig? Müssen die Verbraucher eine Nutzungsentschädigung bezahlen? - Oberste Gerichtshof Österreich: 10 Ob 44/19x
Auch hier geht es unter anderem um die Frage, ob das Software-Update von VW rechtskonform ist. Zudem soll geklärt werden, ob der ursprüngliche Mangel als geringfügig anzusehen ist, wenn der Käufer das Fahrzeug im Wissen um den Mangel gekauft hätte. - Landgericht Klagenfurt Österreich: C-343/19
Der EuGH hat in diesem Verfahren festgestellt, dass eine Klage auch am Ort möglich ist, an dem der Schaden entstanden ist – also in diesem Fall Österreich. - Tribunal de Grande Instance de Paris: C-693/18
Das Gericht muss klären, ob der EA 189 von VW eine unzulässige Abschalteinrichtung enthält und ob und unter welchen Bedingungen eine regulierte Abgasreinigung zulässig ist. Die Generalanwältin Eleanor Sharpston machte am 30. April 2020 in ihrem Schlussantrag deutlich, dass VW im Diesel-Motor EA 189 eine unzulässige Abschaltreinrichtung verbaut hat. Insgesamt setzte sie für die Zulässigkeit einer regulierten Abgasreinigung enge Grenzen.