Auch für Sportwetten gilt der Glücksspielstaatsvertrag
Der Nepp beim Glücksspiel funktionierte jahrelang generell so: Die meisten Spieler waren aufgrund der weit verbreiteten Werbung für Online-Sportwetten davon ausgegangen, dass es sich um legale Angebote handelte. Oftmals war dies jedoch nicht der Fall. Da Sportwetten im Internet als Online-Glücksspiel gelten, waren sie gemäß dem Glücksspielstaatsvertrag in Deutschland bis zum 30. Juni 2021 grundsätzlich verboten. Zwar hatten die Bundesländer die Möglichkeit, Ausnahmegenehmigungen zu erteilen, aber die Beklagte im aktuellen Fall verfügte während des Zeitraums, in dem der Kläger seine Wetten platzierte, über keine solche Konzession. Dr. Stoll & Sauer fasst das Verfahren kurz zusammen:
- Der Kläger hatte zwischen dem 17. November 2019 und 8. Oktober 2020 über die Webseite von Tipico an Online-Sportwetten teilgenommen. Insgesamt verlor der Kläger 134.390 Euro bei den Sportwetten und forderte das Geld von dem auf Malta ansässigem Unternehmen zurück.
- In erster Instanz gewann der Spieler am Landgericht Heidelberg sein Verfahren.
- In zweiter Instanz versuchte der Sportwetten-Anbieter Tipico, eine Verurteilung abzuwehren. Doch das Oberlandesgericht Karlsruhe machte klar, dass Tipico mit dem Sportwetten- Angebot gegen das Verbot von Online-Glücksspielen im Glücksspielstaatsvertrag verstoßen habe. Obwohl für Sportwetten eine Befreiung von dem Verbot möglich gewesen wäre, verfügte die Beklagte im fraglichen Zeitraum nicht über eine solche Genehmigung. Daher seien die abgeschlossenen Wettverträge nichtig, und der Kläger habe Anspruch auf die vollständige Rückerstattung seiner Verluste, so das OLG.
- Erst am 9. Oktober 2020 habe Tipico in Deutschland eine Konzession zum Betreiben einer Sportwetten-Homepage erhalten.
- Dem Kläger steht gegen Tipico ein Anspruch in Höhe von 134.390 Euro aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB i.V.m. §§ 134 BGB, 4 Abs. 1, Abs. 4 und Abs. 5 GlüStV 2012 zu. Die Einsätze des Klägers wurden wegen der Unwirksamkeit der Spielverträge ohne Rechtsgrund geleistet.
- Tipico hat gegen den Glücksspielstaatsvertrag verstoßen.
- Deutsches Recht findet Anwendung.
- Das OLG unterstrich in seinem Urteil, dass mit dem Verbot legitime Gemeinwohlziele verfolgt werden. Dabei gehe es um den Jugend- und Spielerschutz sowie die Bekämpfung der Spielsucht und Begleitkriminalität. Glücksspiele im Internet gefährden die genannten Ziele in besonderem Maße, weil das Anbieten von Spielen über das Internet spezifische Gefahren mit sich bringt, insbesondere für Personen, die eine besonders ausgeprägte Spielneigung besitzen oder entwickeln könnten.
- Gerade der besonders leichte und ständige Zugang zu den im Internet angebotenen Spielen sowie die potenziell große Menge und Frequenz von Spielangeboten in einem Umfeld stellen Faktoren dar, die die Entwicklung von Spielsucht begünstigen und deshalb die damit verbundenen negativen sozialen Folgen vergrößern können.
- Das OLG verurteilte Tipico zusätzlich zur Zahlung von Zinsen ab dem 9. Oktober 2020.
- Das OLG Karlsruhe hat die Revision zum Bundesgerichtshof nicht zugelassen.
Nicht nur Anbieter von Sportwetten, sondern auch Online-Casinos bewegen sich mit ihren Angeboten auf illegalem Terrain. Folgende Sachverhalte sind für deutsche Gerichte bei Casino-Abzocke mittlerweile unstrittig und finden sich in den unterschiedlichsten Urteilsbegründungen:
- Die Angebote der Online-Casinos verstießen gegen geltendes Recht. Bis zum 30. Juni 2021 war Online-Glücksspiel in Deutschland bis auf wenige Ausnahmen verboten. Der Vertrag zwischen Verbraucher und Anbieter ist nichtig und nie zustande gekommen. Verbraucher haben daher Anspruch auf die komplette Rückerstattung ihrer Verluste – natürlich nach Abzug ihrer Gewinne.
- Der Rückzahlungsanspruch ist nur dann zu verwehren, wenn Spieler von der Illegalität des Online-Glücksspiels gewusst hätten. Das verklagte Online-Casino muss diesen Zusammenhang dem Spieler nachweisen. Für die Allgemeinheit ist aus Sicht vieler Gerichte jedoch nicht bekannt, dass Online-Glücksspiele verboten gewesen sei.
- Manche Anbieter von Online-Glücksspielen verlangen von Spielern, dass sie sich selbst vor dem Zocken über die Rechtslage in ihrem Land informieren. Das OLG Frankfurt wies süffisant darauf hin, dass die Anbieter von Online-Glücksspielen selbst die Meinung vertreten, vollkommen legal zu handeln. Da passe es nicht, wenn sie dem Spieler unterstellen, dass er über die Illegalität informiert gewesen sein müsste.
- Sicherlich haben auch die Spieler gegen das Glücksspielverbot verstoßen. Allerdings gehen die Gerichte in den meisten Fällen davon aus, dass sie von dem Verbot nichts gewusst haben. Der Glücksspielanbieter jedoch schon. Er muss sich dieses Verstoßes bewusst gewesen sein und ihn trotzdem gewollt haben. Der Schutzzweck des Verbotes würde aus Sicht der Gerichte ad absurdum geführt, wenn der Anbieter den Einsatz des Spielers behalten könnte.
- Interessanterweise sind die meisten Online-Casinos auch aktuell noch ohne gültige Lizenz unterwegs, fand das Nachrichtenmagazin Der Spiegel heraus. Daher ist es für Verbraucher auch nach dem 1. Juli 2021 interessant zu prüfen, ob die Casinos illegal gearbeitet haben. Falls das so ist, können Ansprüche auf die Rückgabe der Verluste bestehen. Wichtig dabei: Die Geschädigten dürfen vorher von der Illegalität des Online-Casinos nichts gewusst haben. Die Betreiber müssen vor Gericht den Nachweis über eine mögliche Kenntnis des Spielers führen.
Weitere Infos hier: https://www.dr-stoll-kollegen.de/online-casino-geld-zurueck