Dr. Stoll & Sauer sieht Abgasskandal bei Fiat in größerer Dimension
Die Kunden von FCA sind natürlich verunsichert – und wie sich jetzt herausstellt aus gutem Grund. Von 200.000 möglichen Fahrzeugstilllegungen schrieb das Handelsblatt im Sommer 2020. Der Umweltexperte Axel Friedrich sprach nach einer Reihe von Tests mit den Fiat-Motoren davon, dass seiner Erkenntnis nach alle Euro-5- und Euro-6-Motoren von Fiat in den Skandal verwickelt sind – außer Euro 6dTemp und Euro 6d. Somit beginnt der Skandals bereits im Jahr 2008.
Ab dem 1. September 2009 galt für alle Neuwagen die Euronorm 5; seit 2015 die Euronorm 6. Nach einem Bericht der Autobild vom 2. September 2008 war bereits 2008 der Fiat Bravo mit dem Euro-5-Motor Multijet 1.6 16 V DPF auf dem Markt. Er wurde ab März 2008 produziert. Dadurch ist klar, dass der Skandal wohl 2008 seinen Anfang nahm. Damit steigt die Zahl der betroffenen Verbraucher dramatisch an. Ein Blick in die Statistik verrät die Dimension des Skandals:
- Rund 1,2 Millionen Fahrzeuge von Fiat sind in Deutschland laut Kraftfahrt-Bundesamt zugelassen (Stand 1. Januar 2020).
- Davon knapp 290.000 vom reinen Diesel-Modell Ducato.
- In weiteren 12 Fahrzeug-Modellen von Fiat werden Dieselmotoren angeboten.
- Hinzu kommen knapp 290.000 Fahrzeuge der FCA-Marken Jeep, Chrysler und Alfa Romeo. Auch hier kommen Dieselmotoren zum Einsatz. Chrysler spielt jedoch mit rund 47.000 Fahrzeugen auf deutschen Straßen kaum eine Rolle.
Axel Friedrich: Fiat betreibt Gefährdung von Natur und Gesundheit
Der Chemiker und Umweltexperte Axel Friedrich (73) war an der Aufarbeitung des Abgasskandals bei der VW AG maßgeblich beteiligt. Er war Abteilungsleiter für die Bereiche Verkehr und Lärm im deutschen Umweltbundesamt und hat das International Council on Clean Transportation mitgegründet. 2016 arbeitete er als Sachverständiger für die Deutsche Umwelthilfe. Bereits Mitte des vergangenen Jahrzehnts hatte er „das Bundesumweltministerium vor dem drohenden Desaster“ bei Dieselmotoren gewarnt. Im Interview berichtet er über seine Untersuchungen an Dieselmotoren von Fiat.
- Herr Friedrich, was Campern und Verbrauchern auf den Nägeln brennt, ist die Frage: Ist mein Fiat, mein Reisemobil vom Abgasskandal betroffen? Welche Motoren sind denn nun involviert?
Friedrich: Nach unserem Kenntnisstand sind alle Motoren von Fiat und Iveco, die in Campern eingebaut worden sind, vom Skandal betroffen – außer die, die nach der letzten Abgasnormen Euro 6d bzw.6dTemp zugelassen sind.
- Mehr Hoffnungen können Sie den Campern mit ihren kostspieligen Reise- und Wohnmobilen nicht machen?
Friedrich: Richtig, nur Euro 6d und Euro 6dTemp sind sauber, egal ob die Motoren von Fiat oder Iveco kommen. Alle anderen haben NOX-Emissionen, wie Fahrzeuge vor Einführung von Abgasnormen, d.h. Euro 0. Da wird die Umwelt verdreckt und die Gesundheit anderer gefährdet.
- Was macht Sie so sicher, dass Euro-6d-Motoren die Abgasgrenzwerte einhalten?
Friedrich: Wir prüfen die Fahrzeuge nicht nur unter Laborbedingungen, sondern auch auf der Straße. Und die Hersteller wissen mittlerweile nicht mehr, welche Methoden wir bei der Straßenmessung anwenden. Daher ist es erheblich schwieriger als früher, die Motoren zu manipulieren. Letzte Zweifel bleiben natürlich immer. Deshalb überprüfen wir gerade, ob es bei diesen Straßentests doch eine Möglichkeit geben könnte, die Abgasreinigung für eine bestimmte Zeit an- und abzuschalten.
- Sie haben jetzt aber nicht alle Fiat-Motoren testen können?
Friedrich: Natürlich nicht. Aber alle, die wir getestet haben und die nicht über Euro 6d verfügten, haben auf dem Prüfstand andere Abgaswerte gezeigt als auf der Straße. Da ist es naheliegend, dass die anderen Motoren auch betroffen sind. Warum sollte bei den bisher ungeprüften Motoren plötzlich eine funktionierende Abgasreinigung installiert worden sein?
- Die Staatsanwaltschaft Frankfurt sprach in ihrer Pressemitteilung zu den Durchsuchungen bei Fiat davon, dass vom Betrugsverdacht die Baujahre 2014 bis 2019 betroffen sind. Wie sieht es jetzt mit Fahrzeugen aus, deren Motoren vor 2014 produziert worden sind?
Friedrich: Sofern die Euro 5 haben, sind diese Fahrzeuge auch vom Abgasskandal betroffen. Da spielt das Baujahr keine Rolle. Fiat hat Euro 5 ungefähr ab 2008/2009 produziert. Noch ältere Fahrzeuge haben wir bisher nicht untersucht.
- Gibt es Abschalteinrichtungen, die Sie vielleicht noch nicht kennen?
Friedrich: Das ist nicht auszuschließen. Die Branche ist sehr innovativ. Ich kenne 14 unterschiedliche Methoden, wie die Abgasreinigung manipuliert wird. Fiat hat aber sehr simple Methoden angewandt. Das ist fast schon langweilig zu nennen, weil man danach gar nicht lange suchen musste. Andere sind beim Erfinden der „Betrugsmethoden“ schon findiger.
- Beim Ducato ist also immer noch die Zeitschaltuhr eingebaut, die Sie bereits 2016 gefunden haben?
Friedrich: Ja immer noch. Nach 22 Minuten schaltet die Abgasreinigung ab – so lange dauert ungefähr der Zyklus auf dem Prüfstand. Diese Methode haben andere Autobauer auch verwendet, sind aber jetzt auf neuere Abschalteinrichtungen umgestiegen oder kombinieren verschiedene Optionen. Das macht es für uns dann schwieriger, hinter die Manipulation zu kommen.
- Viele Verbraucher hoffen auf ein Software-Update: Wie sehen Sie die Möglichkeit, dass mit einem Software-Update doch noch alles gut wird?
Friedrich: Das ist technisch nicht machbar. Wenn die falsche Hardware eingebaut worden ist, kann man nicht mehr viel machen. Stickoxid-, CO2-Emission und Spritverbrauch hängen zusammen. Wenn ich bei den Stickoxiden etwas verbessern will, verschlechtere dafür eine andere Komponente. Ohne Hardware-Nachrüstung keine saubereren Autos.
- Ein Wohnmobil Euro 6 ohne AdBlue – ist das sauber?
Friedrich: Da werden die Abgasgrenzwerte beim Stickoxid garantiert nicht eingehalten. Das geht gar nicht.
- Welche Szenarien sind im Abgasskandal jetzt für Sie vorstellbar? Mit welchen Folgen müssen die Verbraucher rechnen?
Friedrich: Was genau passiert, kann ich nicht sagen. Am Europäischen Gerichtshof in Luxemburg ist unter anderem eine Klage Frankreichs gegen VW anhängig. Die Europäische Kommission wartet den Ausgang dieses Verfahren ab, bevor das Vertragsverletzungsverfahren gegen Italien aufgrund des Abgasskandals bei Fiat weitergeführt wird. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt gegen Fiat Chrysler. Gerichte haben in den nächsten Monaten über Klagen zu entscheiden. Da wird viel passieren. Wenn ich ein Reisemobil mit manipuliertem Motor hätte, würde ich zum Hersteller gehen und verlangen, dass ich ein Fahrzeug erhalte, so wie er es mir angeboten hat. Denn statt Euro 5 oder 6, wie es im Prospekt stand, habe ich Euro 0 bekommen. Die Fahrzeuge halten nicht einmal die erste Stufe bei den Grenzwerten ein. Bei einer Messung im Labor hat die Skala des Messgerätes nicht ausgereicht, um den Stickoxid-Ausstoß anzeigen zu können.
- Sehen Sie die Gefahr, dass der Skandal einfach ausgesessen wird?
Friedrich: Das versuchen viele Hersteller. VW hat es versucht, ist aber damit gescheitert. In ganz Europa laufen viele Klagen auch gegen Fiat und anderen Herstellern. Die Gerichte arbeiten leider langsam, aber sie arbeiten zumindest in Deutschland gründlich und gut. Und das stimmt mich optimistisch. Für Italien kann ich das nicht sagen.
- Dass die Gerichte dort gründlich und gut arbeiten?
Friedrich: Genau. Die meisten Verbraucher meinen ja immer noch, Fiat sei ein italienisches Unternehmen. Seit der Fusion mit Chrysler ist Fiat ein internationales Unternehmen mit Sitz in den Niederladen. Die bezahlen in Italien nicht einmal Steuern.
- Der Skandal ist von Ihnen bereits 2016 mit eigenen Untersuchungen aufgedeckt worden. Bis heute hat sich bei der Aufklärung nicht viel getan. Woran liegt das?
Friedrich: Bei den reinen Fiat-Fahrzeugen ist für die Zulassung die italienische Behörde zuständig. Die hat die Untersuchungen der FIAT- Motoren bei Fiat durchführen lassen. Das Ergebnis kann man sich vorstellen. Da muss man von Behördenseite nicht viel erwarten. Das ist ein Problem in Italien. In Deutschland ist das anders gelagert. Denn bei den Wohnmobilen ist für die Typengenehmigung nach europäischem Recht das Kraftfahrt-Bundesamt in Flensburg zuständig.
- Aber die machen nix?
Friedrich: Das KBA ist mit der Masse der Verfahren überfordert. Und Behörden arbeiten sehr langsam. Durch die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Frankfurt bin ich mir sicher, dass neue Bewegung in den Skandal kommen wird.
- Am 1. August 2020 richtet Dr. Stoll & Sauer eine Webseite für Verbraucher mit Informationen rund um den Skandal ein. Die Seite wird ständig aktualisiert.
- Am 3. August 2020 reicht Dr. Stoll & Sauer die erste Klage im Abgasskandal gegen Fiat Chrysler Automobiles (FCA) am Landgericht Freiburg ein.
- Anzeige wegen Betrugs gegen die Robert Bosch GmbH am 8. Oktober 2020 bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart. Bosch hatte die Abschalteinrichtungen für die Fiat-Motoren geliefert und den Autobauer beim Kraftfahrt-Bundesamt angeschwärzt. Aus Sicht der Kanzlei liegt hier eine Tatbeteiligung an einem Betrug vor.
- Aus Unterlagen des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) und Schriftwechseln geht hervor, dass die Behörde bereits 2016 wusste, dass im Fiat-Motor Ducato eine unzulässige Abschalteinrichtung das Abgaskontrollsystem manipulierte. Trotzdem hat die Behörde Wohnmobile mit diesem Motor die Typengenehmigung womöglich auf Anordnung des Bundesverkehrsministeriums erteilt.Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer fordert vom Präsidenten des KBA Richard Damm mit Schreiben vom 7. Oktober 2020 Auskunft und Akteneinsicht über den Vorgang und übersandte ihm einen Fragenkatalog.
- Im Skandal involviert ist auch der aktuelle Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer und sein Vorgänger im Amt Alexander Dobrindt (beide CSU). Sie haben dafür gesorgt, dass Wohn- und Reisemobile eine Typengenehmigung erhalten, obwohl die Motoren mit illegaler Motorensteuerung ausgerüstet waren. Gegen beide sowie die Bundesrepublik Deutschland wird die Kanzlei im Namen von Mandanten Klage auf Schadensersatz erheben, falls sich die beiden Politiker nicht bereit erklären, für den entstandenen Schaden aufzukommen.
- Gründung der Facebook-Gruppe „Fiat-Skandal Interessengemeinschaft“. Hier können sich betroffene Verbraucher Hilfe und Informationen abholen. Zudem kooperiert die Kanzlei mit der Gruppe „Abgasskandal Wohnmobile mit Fiat Ducato Motor der Baujahre 2014-2019“.
- Was ist aus dem Vertragsverletzungsverfahren mit der Nummer 20172044 gegen Italien geworden? Fiat Chrysler hat sich nicht an die Richtlinien zur Typengenehmigung gehalten und die italienische Zulassungsbehörde hat offensichtlich nichts dagegen unternommen. Die Kanzlei will deshalb in einem Schreiben vom 15. Oktober 2020 von der Kommission wissen, wie der Stand der Dinge bei dem Verfahren ist.
- Der YouTuber Ronny Neubert informiert die Camper-Szene auf seinem Kanal #Projekt SUNxxRISE99 wohnen#im#kasten über den Abgasskandal bei Fiat. Die Kanzlei unterstützt ihn dabei mit ihrem Wissen und ihrer Expertise.
Bei der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH handelt es sich um eine der führenden Kanzleien im Abgasskandal. Die Kanzlei ist unter anderem auf Bank- und Kapitalmarktrecht spezialisiert. Die Kanzlei führt mehr als 2000 Verfahren gegen verschiedene Autobanken wegen des Widerrufs von Autokrediten. Im Widerrufsrecht bezüglich Darlehensverträge wurden mehr als 5000 Verbraucher beraten und vertreten. Daneben führt die Kanzlei mehr als 15.000 Gerichtsverfahren im Abgasskandal bundesweit und konnte bereits hunderte positive Urteile erstreiten.
In dem renommierten JUVE Handbuch 2017/2018, 2018/2019 und 2019/2020 wird die Kanzlei in der Rubrik Konfliktlösung - Dispute Resolution, gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten besonders empfohlen für den Bereich Kapitalanlageprozesse (Anleger). Die Gesellschafter Dr. Ralf Stoll und Ralph Sauer führten in der RUSS Litigation Rechtsanwaltsgesellschaft mbH für den Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) außerdem die Musterfeststellungsklage gegen die Volkswagen AG, handelten einen 830-Millionen-Vergleich aus und schrieben mit Abschluss des Verfahrens am 30. April 2020 Rechtsgeschichte. Im JUVE Handbuch 2019/2020 wird die Kanzlei für ihre Kompetenz beim Management von Massenverfahren als marktprägend erwähnt.