Am heutigen Weltalphabetisierungstag sollten wir ein paar Gedanken für all jene Menschen aufbringen, denen eine normale Schullaufbahn nicht vergönnt war und die daher des Lesens und Schreibens oft auch im Erwachsenenalter nicht mächtig sind. Man kann sich kaum vorstellen, mit welchen Schwierigkeiten diese Menschen bei der Bewältigung alltäglicher Aufgaben konfrontiert sind - vom Einkaufen im Supermarkt bis zum Ausfüllen amtlicher Formulare.
Aber auch gesellschaftlich werden Analphabeten oft geächtet, da sie häufig schlicht als "dumm" eingestuft werden.
Cao Wenxuans stummer Protagonist Bronze aus dem Titel "Bronze und Sonnenblume" hat ständig gegen solche Vorurteile zu kämpfen. Seine Familie ist arm, er kann nicht zur Schule gehen. Doch seine Ziehschwester Sonnenblume hat ihm ein paar Zeichen beigebracht.
Lesen Sie, wie er damit die Dorfbewohner, die ihn verhöhnen, überrascht!
Cao Wenxuan ist u.a. Träger des Andersen-Preises des Jahres 2016!
Es war ein ruhiger Nachmittag, als einer der Lehrer aus der Grundschule mit weißem Kalkwasser eine Parole an die Wand eines Hauses in Gerstenfeld schrieb. Bronze, der seinen Büffel hütete, kam zufällig vorbei. Er sah den Lehrer schreiben, band seinen Büffel an einen Baum, kam herbei und schaute wie gebannt zu. Der Lehrer bemerkte, dass ihn zwei Augen ansahen, nahm den vor Kalkwasser triefenden Pinsel und sagte zu Bronze: »Komm, ich bringe dir ein Zeichen bei.«
Bronze schüttelte den Kopf.
Der Lehrer sagte: »Ein, zwei Zeichen solltest du schon schreiben können, oder?«
Einer unter den Leuten, die dem Lehrer ebenfalls beim Schreiben zugesehen hatten, sagte: »Immer wenn dieser Stumme irgendjemanden schreiben sieht, schaut er so blöde und tut, als könnte er selbst schreiben.« Ein anderer sagte zu Bronze: »Stummer, komm her, zeig uns, wie du schreiben kannst!« Bronze schüttelte den Kopf und machte ein paar Schritte rückwärts. »Du brauchst gar nicht mehr zu schauen, geh deinen Büffel hüten! Blödsinniger Stummer!«
Bronze drehte sich um und ging zu seinem Büffel. Als er den Strick losband, hörte er hinter seinem Rücken das gemeine Gelächter der Leute. Mit hängenden Schultern stand er eine Weile da, dann richtete er sich plötzlich auf, drehte sich um und ging zu dem Grüppchen hinüber.
Der Lehrer schrieb gerade und bemerkte nichts, doch plötzlich hatte ihm Bronze den Pinsel aus der Hand genommen. Die Anwesenden schauten erschrocken. Bronze nahm den Metalleimer voller Kalkwasser in die eine Hand, in der anderen hielt er den Pinsel, und bevor auch nur einer der Umstehenden reagieren konnte, schrieb er in großen Zeichen an die Wand: »Ich bin Bronze aus Gerstenfeld!« Das Ausrufezeichen sah aus wie ein stehender Vorschlaghammer. Bronze sah die Leute an, stellte den Metalleimer wieder hin, warf den Pinsel beiseite und ging davon, ohne sich noch einmal umzudrehen. Beim Anblick dieser windschiefen, aber kraftvoll geschriebenen Zeichen waren alle Anwesenden sprachlos.
Aus:
CAO WENXUAN
BRONZE UND SONNENBLUME
Erzählung
(Empfohlen ab 16 Jahren)
Hardcover,
243 Seiten
Format: 14,8 x 21 cm
€ 19,00 (D)/ € 19,50 (A)
ISBN: 978-3-943314-09-0
Eine Leseprobe finden Sie hier: https://www.drachenhaus-verlag.com/...
Fordern Sie Bildmaterial und Ihr Presseexemplar an: info@drachenhaus-verlag.com Kontakt: Dr. Nora Frisch, Drachenhaus Verlag, Holgenburg 6, D - 73728 Esslingen info@drachenhaus-verlag.com, www.drachenhaus-verlag.com
Aber auch gesellschaftlich werden Analphabeten oft geächtet, da sie häufig schlicht als "dumm" eingestuft werden.
Cao Wenxuans stummer Protagonist Bronze aus dem Titel "Bronze und Sonnenblume" hat ständig gegen solche Vorurteile zu kämpfen. Seine Familie ist arm, er kann nicht zur Schule gehen. Doch seine Ziehschwester Sonnenblume hat ihm ein paar Zeichen beigebracht.
Lesen Sie, wie er damit die Dorfbewohner, die ihn verhöhnen, überrascht!
Cao Wenxuan ist u.a. Träger des Andersen-Preises des Jahres 2016!
Es war ein ruhiger Nachmittag, als einer der Lehrer aus der Grundschule mit weißem Kalkwasser eine Parole an die Wand eines Hauses in Gerstenfeld schrieb. Bronze, der seinen Büffel hütete, kam zufällig vorbei. Er sah den Lehrer schreiben, band seinen Büffel an einen Baum, kam herbei und schaute wie gebannt zu. Der Lehrer bemerkte, dass ihn zwei Augen ansahen, nahm den vor Kalkwasser triefenden Pinsel und sagte zu Bronze: »Komm, ich bringe dir ein Zeichen bei.«
Bronze schüttelte den Kopf.
Der Lehrer sagte: »Ein, zwei Zeichen solltest du schon schreiben können, oder?«
Einer unter den Leuten, die dem Lehrer ebenfalls beim Schreiben zugesehen hatten, sagte: »Immer wenn dieser Stumme irgendjemanden schreiben sieht, schaut er so blöde und tut, als könnte er selbst schreiben.« Ein anderer sagte zu Bronze: »Stummer, komm her, zeig uns, wie du schreiben kannst!« Bronze schüttelte den Kopf und machte ein paar Schritte rückwärts. »Du brauchst gar nicht mehr zu schauen, geh deinen Büffel hüten! Blödsinniger Stummer!«
Bronze drehte sich um und ging zu seinem Büffel. Als er den Strick losband, hörte er hinter seinem Rücken das gemeine Gelächter der Leute. Mit hängenden Schultern stand er eine Weile da, dann richtete er sich plötzlich auf, drehte sich um und ging zu dem Grüppchen hinüber.
Der Lehrer schrieb gerade und bemerkte nichts, doch plötzlich hatte ihm Bronze den Pinsel aus der Hand genommen. Die Anwesenden schauten erschrocken. Bronze nahm den Metalleimer voller Kalkwasser in die eine Hand, in der anderen hielt er den Pinsel, und bevor auch nur einer der Umstehenden reagieren konnte, schrieb er in großen Zeichen an die Wand: »Ich bin Bronze aus Gerstenfeld!« Das Ausrufezeichen sah aus wie ein stehender Vorschlaghammer. Bronze sah die Leute an, stellte den Metalleimer wieder hin, warf den Pinsel beiseite und ging davon, ohne sich noch einmal umzudrehen. Beim Anblick dieser windschiefen, aber kraftvoll geschriebenen Zeichen waren alle Anwesenden sprachlos.
Aus:
CAO WENXUAN
BRONZE UND SONNENBLUME
Erzählung
(Empfohlen ab 16 Jahren)
Hardcover,
243 Seiten
Format: 14,8 x 21 cm
€ 19,00 (D)/ € 19,50 (A)
ISBN: 978-3-943314-09-0
Eine Leseprobe finden Sie hier: https://www.drachenhaus-verlag.com/...
Fordern Sie Bildmaterial und Ihr Presseexemplar an: info@drachenhaus-verlag.com Kontakt: Dr. Nora Frisch, Drachenhaus Verlag, Holgenburg 6, D - 73728 Esslingen info@drachenhaus-verlag.com, www.drachenhaus-verlag.com
