So 29.11.2009, 11.00 Uhr
Festsaal des Kulturpalastes am Altmarkt
2006 war er mit seinem Bruder Gautier schon einmal bei der Philharmonie zu Gast, diesmal kommt er allein: der französische Geiger Renaud Capuçon. Mit seinen erst 33 Jahren zählt er seit langem zur Weltspitze, hat zwei ECHO Klassik Preise gewonnen und darf sich rühmen, auf einer der besten Geigen zu spielen - einer Guarneri von 1737, die zuvor Isaac Stern gehörte, von dem er, wie auch von Claudio Abbado, gefördert wurde. Mit der Dresdner Philharmonie spielt er eines der schönsten Violinkonzerte überhaupt. Dirigent ist Rafael Frühbeck de Burgos.
Das Violinkonzert D-Dur op. 77 von Johannes Brahms darf mit Recht als DAS Violinkonzert in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bezeichnet werden. Es entstand 1878, uraufgeführt wurde es am 1. Januar 1879 von dem berühmten Geiger und Freund des Komponisten Joseph Joachim. Schon bald danach wurde das Werk als "Konzert gegen die Violine" apostrophiert, ein Vorwurf, der sich auf "ungeigerische" Abschnitte im Violinpart, vor allem aber auf den unvirtuosen Charakter des Konzerts bezog, der dem Solisten nicht genügend Freiraum zum effektvollen Brillieren gab. Brahms verstand das Konzertprinzip als ein wesentlich sinfonisches. Hierin unterscheidet er sich auch vom augenscheinlichen und oft genannten Vorbild, dem Violinkonzert Beethovens, bei dem der Dialog zwischen Solist und Orchester als ein Verhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft aufgefasst wurde. Brahms hingegen sucht den Ausgleich zwischen dem Anteil des Orchesters und des Solisten: Beide ergänzen sich und steigern sich so gegenseitig in ihrer Wirkung. Die verschiedenen Gestalten gewinnen durch ihre gegenseitige Vermittlung an Selbstverständlichkeit, die Musik ruht gleichsam in sich selbst und erzeugt dadurch den Eindruck gelöster Stimmigkeit. Brahms' kompositorisches Prinzip zielte auf Integration, nicht auf Demonstration - bis hin zum Schluss des Konzerts, das ruhig ausläuft, anstatt zu einem prunkenden Finale anzuheben.
Im Werk nur weniger Künstler tritt so viel Autobiographisches zu Tage wie in den Kompositionen von Peter Tschaikowski. Seine Musik ist nicht - wie lange behauptet - der letzte Gipfelpunkt der Romantik, sondern der Beginn eines psychologischen Realismus, der den Menschen in all seinen Widersprüchen zum Gegenstand künstlerischer Gestaltung macht. Gerade Tschaikowskis 5. Sinfonie hat man als groß angelegtes, ausgesprochen psychologisch konzipiertes Instrumentaldrama gesehen, das in der humanistischen Idee gipfelt, dass der Mensch die Widrigkeiten des Lebens überwinden kann. Die Uraufführung am 5. November 1888 unter Leitung des Komponisten war zwar ein großer Erfolg beim Publikum, die Kritiker aber zeigten sich geteilter Meinung. Niedergeschlagen schrieb Tschaikowski, dass er vom Misslingen seiner Sinfonie überzeugt sei. Doch schon ein halbes Jahr später, nach einer Aufführung in Hamburg, sah Tschaikowski ein, dass seine schlechte Meinung von dem Werk unbegründet war. Seit Arthur Nikisch die 5. Sinfonie in halb Europa dirigierte, zählt sie zu den beliebtesten Werken Tschaikowkis und zu den am häufigsten aufgeführten Sinfonien überhaupt.
Renaud Capuçon begann mit 14 Jahren sein Studium am Pariser Konservatorium bei Gérard Poulet und Veda Reynolds. Danach studierte er u.a. bei Thomas Brandis und Isaac Stern. 1997 berief ihn Claudio Abbado als Konzertmeister zum Gustav Mahler Jugendorchester, wo er u. a. mit Pierre Boulez, Seiji Ozawa, Daniel Barenboim und Franz Welser-Moest zusammenarbeitete. 2002 debütierte er bei den Berliner Philharmonikern unter Bernard Haitink, 2004 beim Boston Symphony Orchestra unter Christoph von Dohnanyi. Mit dem Orchestre de Paris und Christoph Eschenbach unternahm er 2004 eine Tournee in China, die 2005 in Deutschland fortgesetzt wurde. Als Solist trat Renaud Capuçon mit allen bedeutenden Orchestern der Welt auf. Auch bei den internationalen Musikfestivals ist Renaud Capuçon regelmäßig zu Gast. Seine besondere Vorliebe für Kammermusik führte ihn u. a. mit Martha Argerich, Daniel Barenboim, Elena Bashkirova, Hélène Grimaud, Katia und Marielle Labèque, Jean-Yves Thibaudet, Vadim Repin oder Yuri Bashmet zusammen.
Rafael Frühbeck de Burgos, 1933 in Burgos geboren, ist seit der Saison 2004/05 Chefdirigent und Künstlerischer Leiter der Dresdner Philharmonie. Nach seinem ersten Engagement als Chefdirigent beim Sinfonieorchester Bilbao leitete er zwischen 1962 und 1978 das spanische Nationalorchester Madrid und war danach Generalmusikdirektor der Stadt Düsseldorf und Chefdirigent sowohl der Düsseldorfer Symphoniker als auch des Orchestre Symphonique in Montreal. In den 1990er Jahren war er Chefdirigent der Wiener Symphoniker und dazu zwischen 1992 und 1997 Generalmusikdirektor der Deutschen Oper Berlin. 1994 bis 2000 war er außerdem Chefdirigent des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin. 2001 wurde er zum ständigen Dirigenten des Orchestra Sinfonica Nazionale della RAI in Turin ernannt. Als Gastdirigent arbeitet er mit den großen Orchestern in Europa, Übersee, Japan und Israel. Für seine künstlerischen Leistungen wurde er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u. a. 1996 mit dem bedeutendsten spanischen Musikpreis (Jacinto-Guerrero-Preis) 1998 wurde er zum "Emeritus Conductor" des Spanischen Nationalorchesters ernannt.
Programm:
Johannes Brahms
Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 77
Peter Tschaikowski
Sinfonie Nr. 5 e-Moll op. 64
Rafael Frühbeck de Burgos | Dirigent
Renaud Capuçon | Violine