Im Falle von Franz Liszts Orchesterfassung der Wanderer-Fantasie von Franz Schubert kommt zu dem Aspekt der Hommage ein wichtiger Zweck hinzu: Sie diente auch dazu, Schuberts Oeuvre dem großen Konzertsaal zu erschließen. Und Max Reger schließlich war trotz aller Erweiterung der harmonischen Möglichkeiten ein Verehrer von alten Kompositionsformen und nicht zuletzt durch seine Tätigkeit als Organist wesentlich von Johann Sebastian Bach beeinflusst. Dirigent des Abends ist Lothar Zagrosek, Pianist ist Gerhard Oppitz.
Das Programm wird eröffnet mit Johannes Brahms’ Tragischer Ouvertüre d-Moll op. 81. Sie war gedacht als Ouvertüre zu einem Trauerspiel, ohne dass Brahms über Anlass und Bestimmung genauere Angaben gemacht hätte; gerüchteweise wurde sie als Faust-Vorspiel bezeichnet.
Die Einordnung fällt leichter, wenn man weiß, dass sie als Gegenstück zu der heiteren Akademischen Festouvertüre op. 80 entstand. Seit ihrer Uraufführung 1880 im Wiener Musikvereinssaal ist sie als Konzertouvertüre bekannt, die in ihrem dramatischen Gestus an die großen Beethovenvorbilder anschließt.
Franz Schuberts Wanderer-Fantasie von 1822 ist ein Werk, das für die Nachfahren den Inbegriff einer orchestralen Klaviermusik definierte, das die Grenzen des am Klavier Darstellbaren ungemein ausweitete und "orchestrale" Effekte wie Streichertremoli, Horn- und Trompeten-Rufe oder Trommelwirbel imitierte.
Und so umstritten Franz Liszts Bearbeitung für Klavier und Orchester auch ist, sie "funktioniert" doch, da sie die evidente Anlehnung an orchestrale Klangfarben der Klavierkomposition sinnfällig macht. Liszt schrieb sie um 1851 in Weimar primär in der Absicht, Schubert für das "Große Konzert" zugänglich zu machen und schuf damit gewissermaßen dessen einziges "Klavierkonzert".
Wolfgang Rihm wurde in den siebziger Jahren zum Protagonisten einer Post-Avantgarde-Bewegung, die sich von den Diktaten der seriellen Schule befreite, die "Tradition" wiederentdeckte und Bezug auf die Musik der Vergangenheit nimmt.
Zu seinem Orchesterwerk "Ernster Gesang" schreibt Rihm: "Monatelang sang und spielte ich Brahmslieder und Klavierstücke aus Brahms’ Spätzeit durch, blieb bei harmonischen Konstellationen hängen, deren scharfe und zugleich trübe Süße mich nicht losließ […]. Der so entstehende "Ernste Gesang" kann als ein Intermezzo gehört werden, ein Innehalten, Zwischen-Horchen; reflexiver Halteaugenblick in meiner künstlerischen Arbeit."
Max Regers Werke bilden eine Brücke zwischen der Spätromantik und der frühen Moderne. Seine Musik zeigt deutlich den Einfluss von Brahms, doch führt er dessen Stil weiter mit einer Freiheit der Modulation, die mitunter fast atonal ist. Während kritische Rezensenten Regers rastlose Harmonik und seine kontrapunktische Dichte anmahnen, wurde seinen überragenden Fähigkeiten als Orchestrator nicht annähernd die gleiche Aufmerksamkeit zuteil – zu Unrecht, wie gerade die Romantische Suite beweist.
Lothar Zagrosek erhielt seine erste musikalische Ausbildung als Mitglied der Regensburger Domspatzen und studierte 1962 bis 1967 bei Swarowsky, Kertész, Maderna und Karajan. Nach Stationen als Generalmusikdirektor bzw. Chefdirigent u.a. in Wien, Paris, London und Leipzig war er von 1997 bis 2006 Generalmusikdirektor der Württembergischen Staatsoper Stuttgart, die während seiner Amtszeit viermal zum Opernhaus des Jahres gewählt wurde. Mit der Saison 2006/2007 übernahm er die Leitung des Konzerthausorchesters Berlin.
Gerhard Oppitz wurde 1953 geboren, begann als Fünfjähriger mit dem Klavierspiel, studierte ab 1971 und lernte 1973 Wilhelm Kempff kennen, der bald sein Ratgeber und Mentor wurde. Gerhard Oppitz’ internationale Karriere nahm 1977 ihren Anfang, nachdem er als erster Deutscher den begehrten Artur-Rubinstein-Wettbewerb in Tel Aviv gewann, bei dem der neunzigjährige Rubinstein selbst in der Jury saß. Diese Auszeichnung führte sogleich zu Konzertreisen durch Europa, Japan und die USA. Er spielt als Solist mit den renommiertesten Orchestern der Welt unter den berühmtesten Dirigenten und auf allen wichtigen Festivals.
Programm:
Johannes Brahms: Tragische Ouvertüre d-Moll op. 81
Franz Schubert: Wanderer-Fantasie in der Bearbeitung für Klavier und Orchester von Franz Liszt
Wolfgang Rihm: Ernster Gesang
Max Reger: Romantische Suite op. 125
Lothar Zagrosek Dirigent
Gerhard Oppitz Klavier