Die „Meistersinger von Nürnberg“ gehen auf eine frühe Idee zurück, die Wagner 1845 in Marienbad, im Sommer vor der Uraufführung des „Tannhäuser“ in Dresden, skizzierte: ein komplementäres Gegenstück zu jenem mittelalterlichen „Sängerkrieg“. Zentrales Thema der Oper ist die sich im „Dichten und Wähnen“ artikulierende Geistesverfassung. Mithin geht es um nichts Geringeres als das Entstehen von Kunst: im Dichten, Singen und Klingen. Im berühmten „Wahn“-Monolog des Hans Sachs geht es genau darum. Das Vorspiel zum 3. Aufzug – eines der schönsten der Musikgeschichte – ist die nachdenkliche Vorbereitung zu diesem Monolog. Der Tanz der Lehrbuben steht am Beginn des Finales, bei dem ganz Nürnberg sich auf der Festwiese zum Sängerwettstreit versammelt. Der Aufzug der Meister schließlich ist jener Marsch in strahlendem festlichen C-Dur, mit dem die Oper in der Ouvertüre eröffnet wird.
„Zwei Menschen schreiten hier in die Nacht, sie gehen von einer Welt in die andere über, sonst begibt sich nichts.“ Ernst Blochs Beschreibung des Inhalts von Richard Wagners „Tristan und Isolde“ stellt ein Merkmal heraus, das wesentlich für das Verständnis des Werkes ist: die Reduktion der Handlung auf einen einzigen, inneren Vorgang. Der Topos der Unaussprechlichkeit, mit dem schon die Ästhetik des frühen 19. Jahrhunderts den besonderen Stellenwert der Musik als umfassendster Kunstform bezeichnet, wird hier zur Vollendung gebracht. Das musikalische Mittel, mit dem Wagner in „Tristan“ dieses bewerkstelligt, ist eine harmonische Chiffre, ein Zusammenklang, aus dem die besondere Form des „Tristan“ folgt: der berühmte „Tristan“-Akkord gleich zu Beginn des Vorspiels. Die Unerfüllbarkeit ist wesentliches Movens: In „der Welt täuschendem Schein“ kann die Liebe von „Tristan und Isolde“ nicht erfüllt werden, also ersehnen sie von Anfang an den Tod. Sowohl Liebe als auch Tod versprechen Entgrenzung, Auslöschung von Individualität und Einswerdung, und so werden Eros und Thanatos zu einer Einheit, zum „Liebes-Tod“ zusammengefügt.
Als ein Werk von beispielloser Intensität, Individualität und, als Konsequenz aus allem, der Massenwirksamkeit ist Beethovens Fünfte Sinfonie der Inbegriff des Erhebenden und Erhabenen, das sich schon vor Beethoven mit der Vorstellung der Sinfonik verband. Die Eingängigkeit des „Klopfmotivs“ im Kopfsatz mit seiner zündenden Motorik, sein mahnendes Auftreten im zweiten Satz und sein vehement-freches Einbrechen im dritten sind ganz sinnliche, unmittelbar erfahrbare Erscheinungen. Ob man sich nun lesend auf die analytische Erkundung oder hörend auf die Überzeugungskraft der Partitur einlässt: in jedem Fall formuliert die Fünfte Extreme.
Ludwig van Beethoven:
Sinfonie Nr. 5 c-Moll, op. 67
Richard Wagner:
Aus „Tristan und Isolde“: Vorspiel und Liebestod Aus „Die Meistersinger von Nürnberg“: Vorspiel zum 3. Akt – Tanz der Lehrbuben – Vorspiel zum 1. Akt
Rafael Frühbeck de Burgos | Dirigent