Was Gustav Mahler im nächtlichen Scherzo seiner Siebenten Sinfonie, einem Walzer, zehn Jahre vor Kriegsausbruch als düstere Vorahnung des kommenden Unheils niederlegte, ist in Maurice Ravels "La Valse" von 1920 als bereits Geschehenes, als grauenvolle, eben erlebte Wirklichkeit eingegangen: der totale blutige Zusammenbruch des alten Europa. Strukturell ist es lediglich ein mächtiges, durch eine Reprise unterbrochenes Crescendo, eine nach einem simplen Steigerungsprinzip angelegte Folge von Walzermelodien. Dennoch: Was hier zunächst, einem nächtlichen Schauspiel gleichend, sich nach und nach in manischer Drehbewegung zu höchster Raserei und Ekstase steigert, um schließlich in sich zusammenzubrechen, das bedeutet auch musikalisch mehr als nur die originelle Bestätigung der Regel: Hier sprengt einer mit voller Absicht den musikalischen Rahmen der Gattung. Und man hat wirklich das Gefühl, als sei hier der Hofstaat Franz Josephs von den Toten auferstanden, um noch einmal, Gespenstern gleich, einen Walzer über den Leichen des Ersten Weltkriegs zu tanzen.
Camille Saint-Saëns beherrschte wie Mendelssohn, Bizet oder Enescu schon sehr früh das musikalische Handwerk in souveräner und sinnlich leuchtender Weise. Und schon bald tat er einfach, was ihm vorschwebte und behielt diese Haltung ohne merkliches Schwanken und Suchen bei. Saint-Saëns' erstes Konzert für Violoncello und Orchester in a-Moll op. 33 bezieht sich auf die klassische dreisätzige Formanlage, doch sind hier die drei Sätze zu einem einzigen Satzdrama zusammengezogen, was auch hinsichtlich der Wiederverwendung von thematischem Material aus dem ersten Satz neue Möglichkeiten eröffnet. Das Konzert ist äußerst dankbar für den Solisten und enthält zugleich sehr reizvolle, typisch sinfonisch gearbeitete Abschnitte, wo Saint-Saëns mit aufs Feinste abgestufter und kalkulierter Instrumentationskunst ein Maximum an Farben gewinnt.
Lateinamerikas sinfonische Musik sowie ihre Komponisten scheinen uns Europäern weit entfernt, buchstäblich vom anderen Kontinent. Silvestre Revueltas ist einer von ihnen. Geboren am letzten Tag des 19. Jahrhunderts, am 31. Dezember 1899, begann er in den 1920er Jahren zu komponieren, verstärkte seine kreativen Aktivitäten aber erst in seinem letzten Lebensjahrzehnt zwischen 1930 und 1940. In seiner Musik integriert er das mexikanische Idiom auf natürliche, selbstverständliche Weise, ohne Lied- oder Tanzmelodien zu zitieren. Einige der wichtigsten Werke von Revueltas sind ursprünglich als Filmpartituren entstanden. Der Film "Die Nacht der Mayas" von 1939 spielt an Mexikos karibischer Küste, in Yucatán, weit weg von Mexikos Zentralland und viel näher bei Kuba. Revueltas trägt dem Rechnung, indem er die farbenreiche Orchestrierung und das attraktive Schlagwerk eng an modernen Komponisten Kubas orientiert und mit afro-kubanischen Einflüssen durchmischt. Die Musik ist von ungeheuer suggestiver Kraft, erst recht das tänzerische Element, das am ehesten identitätsstiftend für die südamerikanische Musik ist. Gelegentlich erinnert der Duktus an Strawinskys "Le sacre du printemps" oder an die "Stahl-und-Eisen-Ära" des nur wenig älteren Prokofjew oder an Orffs "Carmina burana". Die Filmmusik zu "La Noche de los Mayas" erhielt den ersten Preis der mexikanischen Filmkritik für das Jahr 1939, obwohl der Film selbst kein Glück hatte. Revueltas hatte sein Werk vorsorglich auch für den Konzertgebrauch arrangiert. So überlebte es in einer vierteiligen Fassung, die 1960 zum ersten Mal aufgeführt wurde.
Miguel Harth-Bedoya gehört international zu den interessantesten amerikanischen Dirigenten der jüngeren Generation. Der Gewinner des Seaver/NEA Conductors Award 2002 ist im 9. Jahr Chefdirigent des Fort Worth Symphony Orchestra in Texas, das unter seiner Leitung stetig an Qualität gewonnen hat. Außerdem steht er als Associate Conductor im engen Kontakt zum Los Angeles Philharmonic Orchestra. In Deutschland dirigierte Miguel Harth-Bedoya bereits die Münchner Philharmoniker, die Bamberger Symphoniker und die Rundfunkorchester von hr, WDR, SWR und Berlin. Gastdirigate führten ihn bereits zu den bedeutendsten Orchestern in ganz Europa und den USA sowie zu den führenden Festivals.
Seit er sich seinem Instrument verschrieben hat, verfeinert Jan Vogler im ständigen Dialog mit renommierten zeitgenössischen Komponisten und Interpreten seine musikalische Sprache. Jan Vogler ist Künstlerischer Leiter des Moritzburg Festivals und seit Oktober 2008 auch Intendant der Dresdner Musikfestspiele. 2006 erhielt er den Europäischen Kulturpreis. 2010 stehen u.a. zwei Uraufführungen auf dem Programm: das neue Cellokonzert des armenischen Komponisten Tigran Mansurian mit dem WDR Sinfonieorchester bei der MusikTriennale Köln und - begleitet vom Boston Symphony Orchestra unter James Levine - das neue Werk des US-amerikanischen Komponisten John Harbison. Weitere Orchester, mit denen Jan Vogler in dieser Saison zu hören ist, sind u.a. das Cincinnati Symphony, das Singapore Symphony oder das Pittsburgh Symphony Orchestra. Daneben gibt er Duoabende mit Martin Stadtfeld und mit Hélène Grimaud. 2003 begann Jan Voglers erfolgreiche Aufnahmetätigkeit bei Sony Classical.
Programm:
Maurice Ravel
La Valse - Poème choréographique pour orchestre (1920)
Camille Saint-Saëns
Konzert für Violoncello Nr.1 a-Moll op. 33
Silvestre Revueltas
"La noche de los mayas" (Die Nacht der Maya) - Ballettsuite in vier Sätzen für Orchester
Miguel Harth-Bedoya / Dirigent
Jan Vogler / Violoncello
Karten sind erhältlich in der Ticketcentrale im Kulturpalast am Altmarkt,
Mo bis Fr, 10 - 19 Uhr, Sa 10 - 18 Uhr
www.dresdnerphilharmonie.de