Um sehr menschliche Konflikte geht es auch in einer DDR-Familie in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. In „Winter ohne Vater“ hat Brigitte Birnbaum darüber geschrieben. Zuvor aber bietet dieser Newsletter wie immer kenntnisreiche Betrachtungen von Hans Bentzien über ein Großprojekt von Friedrich dem Großen, das der preußische König auch wie (fast) immer gegen alle Widerstände durchgesetzt hat. Außerdem im Angebot: Erläuterungen zum Schweriner Schlossgeist Petermännchen und eine Erzählung über die Folgen des Putsches von General Pinochet im Chile des Jahres 1973. Genug Stoff zum Lesen also. Alle fünf Deals der Woche sind im E-Book-Shop www.edition-digital.de eine Wochen lang (Freitag, 02.06. 17 - Freitag, 09.06. 17) zu jeweils stark reduzierten Preisen zu haben.
Erstmals 1983 veröffentlichte Alexander Kröger im Verlag Neues Leben Berlin als zweiten Teil seiner Centauren-Trilogie „Das Kosmodrom im Krater Bond“. Dem E-Book liegt die überarbeitete Auflage zugrunde, die 2008 im Projekte-Verlag Cornelius GmbH Halle erschienen war: Jul Roth hat sich auf diesen Tag gefreut; er selbst leitet die erste Landung eines Raumschiffes im neuen Kosmodrom auf dem Mars. Dazu die Aussicht, bald Urlaub zu haben, Urlaub mit Betty auf der Erde ... Plötzlich jedoch schrillt die Alarmanlage. Eine große Raumflotte außerirdischer Herkunft nähert sich unserem Sonnensystem. Doch die Fremden sind gar keine Unbekannten, sie kommen aus dem System Alpha Centauri, und vor vielen Jahren waren sieben von ihnen in Südamerika notgelandet. Diesmal aber ist die Begegnung nicht freundschaftlich. Die Centauren fordern von der Menschheit den Mars zur Besiedlung und lehnen Verhandlungen ab ... Ein fieberhaftes Treiben beginnt, Menschen werden evakuiert, und Jul Roth wird zum Verantwortlichen auf dem Mars ernannt. Er soll versuchen, die Fremden zur Umkehr zu bewegen. Aber darf man die Centauren, die anscheinend einen neuen Heimatplaneten dringend benötigen, einfach wegschicken? Jul Roth macht sich die Entscheidung nicht leicht. Sein Handeln wird noch erschwert, als die attraktive Editha van Vorst auftaucht ...
Und so beginnt dieses spannende Buch. Werfen wir einen Blick auf den Anfang des 1. Kapitels: „Der Himmel färbte sich allmählich fahlgelb. Langsam trat schwarz wie die Rückenpanzerung eines Fabelungeheuers der gezackte Rand des Kraters hervor. Wenig später drangen übergangslos die matten Strahlen der Sonne durch die an den Gipfeln hängenden Staubschleier. Die Schatten des Ufergebirges flossen verwischt in die zunehmende Helle auf dem weiten, ebenen Grund des Kraters. Am jenseitigen Ufer schluckten Dunstschwaden wie lang gezogene Wattebausche das schüttere Licht. Aber kaum stand die Sonnenscheibe sichtbar über dem Horizont, begann der Kamm an einer Stelle scheinbar zu glühen. Dort fraß es sich wie Feuer in die Felsen, im roten Beugungsschein von Infras, der zuvorderst umlaufenden künstlichen Sonne.
Jul Roth stand in einem Gebüsch von subtropischen Pflanzen unmittelbar dort, wo die gläserne Kalotte, die den Wohntrakt überspannende Kuppel, in den Boden tauchte. Oft hatte er das faszinierende Farbspiel zwischen den Auf- und Abgängen der sieben Sonnen genossen. Heute fehlte ihm dafür der Sinn. Er starrte in die Dunstwolke am jenseitigen Kraterrand, wissend, dass Infras in wenigen Minuten den Nebel aufgeleckt und das, was dieser verhüllte, entschleiert haben würde. Dann glomm drüben hoch oben ein Punkt auf, ein Leuchten, als brenne ein Licht in einem Seidenkokon. Die Kanzel des Leitturms trat aus dem Brodem. Ihre Verglasung sandte den Reflex. Vor dem rötlichen Hintergrund des jenseitigen Kratergebirges drängten sich, wie von einem Zauber beschworen, die Bauwerke des Kosmodroms hervor, funktionelle Kunstwerke aus Stein, Plasten, Metallen und Glas.
In wenigen Minuten verflüchtigten sich letzte Schleierfetzen. Greifbar plastisch stand der Komplex vor Jul. Er konnte sich in dieser Sekunde weniger denn je dem Reiz dieses Anblicks entziehen: Vor dem gleichförmigen Himmel in grautönigem Rosé stieg ohne Übergang aus der ebenen Kratersohle das dunkelschründige braunrote Gebirgsmassiv. Davor lag der filigrane, jetzt im Schein Infras gleißende Hafen, umgeben von einer dunkelgrünen, tauglitzernden Parklandschaft, die sich gleichsam aus der öden Ebene majestätisch löste. Nichts rührte sich dort. Die im Park angesiedelten kleinen Vögel, Hörnchen und Insekten ließen sich auf diese Entfernung nicht ausmachen. Eines nicht mehr fernen Tages jedoch würden hier stündlich vier Raumer landen und starten, ständig Zubringerflugzeuge einschwirren oder schwerfällig ihre voll gestopften Rümpfe von den Pisten heben. Es würde lebendig werden im Krater Bond - und nicht nur in der Luft.
Juls Blick glitt die metallene Röhre entlang, die sich irgendwo links von seinem Standort aus dem Untergrund löste, sich in einem leichten Bogen zum Kosmodrom wand, dort an der Südbegrenzung verschwand, aber, vom Auge fortgesetzt, im Norden wieder auftauchte und sich von rechts erneut der Kuppel näherte: Ein gigantischer Ring, der die Schnellbahn barg. Was sollte dagegen die lächerliche Straße ausrichten, die jetzt noch, staubig und holprig, die 20 Kilometer von der Siedlung zum Raumhafen überbrückte.
Ja, hier wird Leben sein, ausgedrückt in technischer Bewegung, und diese gesteuert von Menschen ..., dachte Jul Roth. Und ich werde dazu heute den Auftakt geben! Zum ersten Mal werden die Leitstrahlen in den Kosmos schießen, wird das Schwerefeld pulsieren. Die Leitstände werden wie später im täglichen Einsatz besetzt sein, durch 100 000 Kabelbäume fließen Ströme, Schaltkreise werden geöffnet und geschlossen. Der erste, seit drei Tagen in der Umlaufbahn fertig montierte Großraumer der Menschen würde, geleitet vom Kosmodrom, automatisch landen und starten.
Heute - in wenigen Stunden! Jul Roth lächelte. Wenn auch das Band über dem Steuertisch - gestern Abend hatte er es eigenhändig mit gespannt – vom Sekretär der Sektion Mars, Tamar, zerschnitten werden wird, wenn ich dann in der Rangfolge der Honoratioren ziemlich hinten stehen werde, ich, Jul Roth, leite die Manöver ein! Obwohl er sich sicher war, dass alles aufs Genaueste funktionieren würde, fühlte er seinen erhöhten Pulsschlag, seine Aufregung, die ihn viel zu früh auf die Beine getrieben hatte. Er schalt sich töricht deswegen, doch sobald er an das Bevorstehende dachte, durchrieselte es ihn in der Magengegend.
Das Bild draußen hatte sich verändert. Das Gebirge hinter dem Kosmodrom schien flächenhafter, die Konturen der Türme und hohen Gebäude verwischten im beginnenden Flirren der Atmosphäre. Es würde ein heißer Tag werden. Des Tests wegen würde es keinen Regen, keine schattenspendenden Wolkenbänke geben. Die Klimatechniker hatten heute Pause, vorsichtshalber in der gesamten Äquatorzone. Ein Feiertag! Jul dachte flüchtig, nur einen Augenblick, an die fünf Jahre, die ihn zum Gefangenen dieses Kraters namens Bond gemacht hatten. Von jenem Namen wusste er lediglich, dass der einem Astronomen gehörte, der zum ersten Mal von der Erde aus an dieser Stelle der Marsoberfläche einen verschwommenen Ring gesehen und kartiert hatte. Das Schwere dieser Jahre schien mit diesem Tag in weite Ferne zu rücken. Was bedeuteten Havarien, Unglücksfälle, Materialfehler, Marskoller ... Jetzt zählte einzig und allein, dass sich in kurzer Zeit ein Koloss minutiös in den Krater senken würde.
Ab heute beginnt überhaupt erst die Eroberung des Mars! Jul lächelte erneut. Dann spürte er wieder die Unruhe. Jul Roth hörte die Rede Tamars nicht, das heißt, er nahm sie nicht auf. Er ging in Gedanken noch einmal die Reihenfolge der Hauptvorgänge durch, schaltete, unbeachtet von der Menge Menschen, die in der großen ausladenden Schaltzentrale - beinahe ehrfürchtig - das Ereignis genossen, Videoverbindungen zu den angeschlossenen Dispatcherpunkten. Nein, es konnte nichts passieren! Dann kam Bewegung in die Menge. Jul, der am Steuertisch stand, sah auf. Sein Blick glitt über die Gesichter.“
Aus der Zukunft zurück in die Vergangenheit – in die brandenburgische Vergangenheit. In seinen erstmals 1997 im Westkreuz-Verlag Berlin/Bonn erschienenen Märkischen Miniaturen widmete sich Hans Bentzien unter dem Titel „Damm und Deich - fruchtbar und reich“ der schönen Gegend an der Oder – und natürlich Friedrich dem Großen. Der Autor veröffentlichte in seinem Buch Beiträge, die er für eine Sendereihe von Antenne Brandenburg verfasst hatte und erklärt sein Anliegen folgendermaßen: Am Beginn unserer Betrachtungen zum Jubiläumsjahr 1997, in dem vor 250 Jahren der Plan gefasst und sogleich umgesetzt wurde, das Oderbruch zu regulieren, mag eine Zwischenbilanz Friedrichs II. stehen, der in seinem Politischen Testament von 1752 detaillierte Angaben zur Situation an der Oder macht: Längs der Oder und Netze, einem kleinen Fluss in der Neumark, zog sich ein Streifen unangebauten, wilden und unzugänglichen Sumpflandes. Ich begann damit, die Sümpfe von Damm bei Stettin zu entwässern. Durch einen Deich wurde die Oder eingedämmt und das neue Land an die Erbauer der dort angelegten Dörfer verteilt. Dieses Werk wird im nächsten Jahre vollendet und das Land mit ungefähr 4000 Seelen besiedelt sein.
Zwischen Freienwalde und Küstrin überschwemmte die Oder die schönsten Wiesen und setzte unaufhörlich ein herrliches Gebiet unter Wasser, das dadurch unbrauchbar wurde. Zunächst erhielt die Oder ein neues Bett durch einen Kanal, der die Windungen abschneidet und die Schifffahrt um vier Meilen verkürzt. Der Kanal wird im kommenden Jahr fertig. Durch die Eindämmung des Flusses wird ein Gebiet gewonnen, wo 6000 Seelen ihre Nahrung, Ackerland und Viehweiden finden. Wenn ich am Leben bleibe, wird die ganze Besiedelung im Jahr 1756 beendet sein. So erklärte es Friedrich der Große in seiner Zwischenbilanz von 1752.
Seine Planung beschränkte sich nicht nur auf das Oderbruch, wie so mancher hier annimmt, sondern war ein Teil seiner merkantilistischen Handelspolitik. Was bedeutet, dass die Wirtschaftsbilanz immer ausgeglichen sein musste. Schulden, Negativbilanzen und andere Misswirtschaft versuchte er immer, selbst im Krieg, zu vermeiden. In den Grundsätzen seiner Staatsverwaltung heißt es, dass zwei Sachen zur Aufnahme und zum wahren Besten eines Landes gereichen: 1. aus fremden Landen Geld hereinzuziehen und 2. zu verhindern, dass das Geld nicht unnötigerweise aus dem Lande gehen müsse. Der Handel war für den ersten Punkt, das Gewerbe für den zweiten Punkt verantwortlich. In diesem Zusammenhang also müssen wir die Anstrengungen Preußens für eine gesunde Volkswirtschaft sehen und die einzelnen Aspekte der Arbeiten im Oderbruch betrachten, einer umfangreichen Maßnahme zur Verbesserung der Infrastruktur, wie wir heute sagen würden. Daher ist es wohl gerechtfertigt, wenn wir - auch angesichts der heutigen desolaten Lage dieses Landstrichs - in diesem Jahr (1997) etwas genauer in die schöne Gegend an der Oder schauen. Apropos schauen. Schauen wir gemeinsam mit Hans Bentzien einmal auf die ebenfalls höchst interessante und weit zurückreichende Vorgeschichte des großen Projektes: „Die Oderregulierung hat durchaus ihre Vorgeschichte. Zwar wurde vor 250 Jahren der entscheidende, größere Schritt getan, die Probleme der am Westufer gelegenen Landstriche zu lösen, doch Ansätze gab es durchaus schon vor dem Dreißigjährigen Krieg. Das Wasser floss zu ruhig dahin, weil die Ebene fast kein Gefälle hatte und außerdem natürliche Hindernisse einen zügigen Abfluss nicht zuließen. Beim Frühjahrshochwasser und bei der Wochen später einsetzenden Schneeschmelze in den Sudeten und im Riesengebirge stand das Bruch bis zum Hügelland des Barnim unter Wasser, nur einzelne Gehöfte, meistens von Fischern bewohnt, ragten auf kleinen Kuppen heraus. Man nutzte den Dung und baute daraus kleine Schutzwälle, die aber natürlich nichts Entscheidendes bewirken konnten. Die Fischer allerdings zogen erheblichen Nutzen aus den Überschwemmungen, kamen mit dem Wasser doch auch die Fische in großen Mengen und vielen Arten, sodass sie eingelegt und in Fässern sogar exportiert werden konnten. Die Fischer leisteten deshalb auch bei den notwendigen Arbeiten den stärksten Widerstand. Landwirtschaft, mit Ausnahme von etwas Heugewinnung, konnte im Oderbruch nicht betrieben werden. Um diesen Zustand zu ändern, versuchte bereits Kurfürst Joachim I. (1499-1535) die Eindeichung der Oder zwischen Lebus und Küstrin, wohl auch um die Festung schneller bei Hochwasser erreichen zu können. Dämme waren auch Straßen.
Hundert Jahre danach, 1636, durchstießen im Dreißigjährigen Krieg die Schweden den Damm nahe Reitwein. Sie wollten damit der sich tapfer verteidigenden Festung Küstrin die Landverbindung abschneiden. Sie hielt sich trotzdem, aber das Bruch war wieder für lange Zeit überflutet. Es dauerte 100 Jahre, bis Friedrich Wilhelm I. zufällig, es war bei einer Reiherjagd, erneut auf das Problem stieß und beobachtete, wie ein Gutsbesitzer sein Land eingedämmt hatte. Der Befehl lautete, fast vier Meter hohe - und ebenso breite Dämme aufzuschütten. Das war zwar ein Fortschritt, doch die Bauten waren unzulänglich.
Nun bekam nach einem neuerlichen Deichbruch 1736 der Kriegsrat von Haerlem den Auftrag, ein Gutachten auszuarbeiten. Der Holländer, erfahren im Wasserbau, kam zu dem Schluss, dass die Arbeiten wohl möglich seien, doch schwierig zu bewältigen und daher auch teuer. Der alte und kranke Soldatenkönig sah sich überfordert und hinterließ seinem Sohn die Aufgabe. Dieser war bereits durch seinen Aufenthalt in Küstrin mit dem Problem vertraut, als er König wurde. Nach dem Zweiten Schlesischen Krieg ließ er am 9. Juli 1747 die Arbeiten beginnen, deren Hauptteil die von Euler berechnete und von Haerlem ausgearbeitete Ausschachtung der neuen Oder war. Die Wasser konnten fließen, die alte, gewundene Oder blieb erhalten und dient noch heute als Bewässerungssystem.
Die neue Oder stellt eine Meisterleistung dar. Immerhin war die Strecke gut 20 Kilometer lang, 10 Meter tief und 30 Meter breit. Die Kosten blieben gering und betrugen 600 000 Taler. Schwierigkeiten gab es genug, die Johanniter hintertrieben, der Markgraf Karl aus Schwedt nörgelte, die Fischer transportierten nicht mit ihren Kähnen, die Grenadiere weigerten sich zu schippen, die Bauarbeiter litten unter Krankheiten. Doch Friedrich wäre nicht Friedrich gewesen, hätte er nicht an seinem Plan festgehalten. Nach sieben Jahren konnte er feststellen, er habe hier im Frieden eine Provinz erobert. Es handelte sich um 32 500 Hektar Ackerland, wovon wir heute noch zehren.“
Und nun wollen wir uns etwa in die Mitte zwischen Vergangenheit und Zukunft begeben, etwa in die siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts. Damals hatte ein kleiner Junge ein großes Problem. Das E-Book „Winter ohne Vater – Noch lange kein Sommer“ enthält gleich zwei Bücher von Brigitte Birnbaum: 1977 war beim Kinderbuchverlag Berlin „Winter ohne Vater“ erschienen. Gut zwei Jahrzehnte später veröffentlichte die Schweriner Schriftstellerin beim ebenfalls Schweriner Verlag Reinhard Thon „Noch lange kein Sommer". Worum geht es in „Winter ohne Vater“?: Unmöglich! Das kann nicht wahr sein! Alles in Christian Nemerow sträubt sich gegen diesen Gedanken. Es darf nicht wahr sein, dass Vati nie mehr kommt, dass er die Familie verlassen hat. Für ihn ist Vati der Beste. Deshalb will er auch bei ihm leben, nicht bei Mutti und Schwester Silke. Der Junge kämpft. Und dann kommt alles ganz anders.
Besuchen wir einen Augenblick die Familie von Christian, seiner Schwester und seiner Mutter. Christians Vater ist nicht mehr da: „Christian hat sich gewaschen. Nur mit dem Schlafanzug bekleidet, hockt er im Korridor vor dem Garderobenschränkchen. Was er dort sucht, findet er nicht. „Mutti, wo sind meine Turnschuhe?“, ruft er. „Morgen hab ich Sport.“ „Du musst doch wissen, wohin du sie geräumt hast“, sagt Mutti. „Unter seine Liege hat er sie geschmissen“, meldet sich Silke aus der Küche. Aber Christian hört nicht auf die Schwester. Er sieht Mutti an, die ihr Bettzeug aus dem Zimmer der Kinder wieder hinüber ins Zimmer der Eltern trägt. Mutti hat seit Wochen bei ihnen geschlafen, sich mit Silke die Couch geteilt. Vatis Weiterbildung wegen, hatte Mutti behauptet. Nur der Weiterbildung wegen? Christian zweifelt jetzt. Vati kam in der letzten Zeit oft spät nach Hause und sah dann manchmal noch fern. Der Fernseher steht natürlich bei den Eltern im Zimmer. Mutti ist abends aber zu müde, um vor der Flimmerkiste zu hocken. Schließlich muss sie morgens als Erste aus dem Haus.
„Und wo schläft Vati?“, fragt Christian. „Ich weiß nicht“, sagt Mutti. „Du weißt es nicht?“ Christian hat das Gefühl, dass er angeschwindelt wird. „Du weißt es nicht? Sonst hast du immer gejammert, du könntest nicht eher Ruhe finden, bis Vati zu Hause ist ..., und ... und nun stört es dich gar nicht ...?“ Mutti schweigt. Sie wirft das Bettzeug auf den Sessel vor dem Fernseher. Das Kopfkissen rutscht herunter. Christian hebt es auf. So schnell kann sich das ändern, überlegt er erstaunt. So schnell, von einem Augenblick zum anderen? „Und Vatis Sachen?“, fragt er. „Die Untersetzer für die Biergläser, die ich ihm zu Weihnachten gebastelt habe und die ...“ „Dein Vater wird seine Sachen holen, wenn er sie braucht“, unterbricht ihn Mutti hastig und will Christian ins Bett schicken.
Da klingelt es. Christian feuert das Kopfkissen über die Sessellehne und wirbelt an die Wohnungstür. Er reißt sie auf. „Hallo ...!“ Die Begrüßung bleibt ihm im Halse stecken. Nicht Vati steht draußen, sondern eine Frau und ein Mann. Kollegen von Mutti. Christian kennt die beiden, und er haut ihnen die Tür vor der Nase zu. Einen kleinen Augenblick zögert er, zu Mutti hinzusehen, dann schleicht er mit hängenden Schultern ins Kinderzimmer. Er hört, wie Mutti die Gäste einlässt, sich für sein Benehmen entschuldigt und wie die Kollegin, noch ein wenig atemlos vom Treppensteigen, erklärt: „Wir bleiben nicht lange, Hanna, wollen nur mal nach dir sehen.“ Was sie im Nebenzimmer sprechen, ist nicht mehr zu verstehen. Und wer sieht nach mir, grübelt Christian, sich in die Betten kuschelnd. Keiner.
Silke schwirrt herein. Der rotweiß gepunktete Bademantel schlenkert um ihre dünnen nackten Beine. Sie duftet nach Muttis teurer Seife. „Du benimmst dich unmöglich", wirft ihm das Mädchen vor. „Aber du erst!“, empört sich Christian. „Du ...“ Er will noch etwas Hässliches hinzufügen, sagt aber stattdessen: „Vati ist kein schlechter Mensch! Hörst du, er ist kein schlechter Mensch!“ Christian schluckt Tränen. „Du schiebst also auf Mutti die Schuld.“ Silke wickelt sich aus dem Bademantel und streicht die vom Waschen feuchten Haare aus der Stirn. „Wieso?“, fragt Christian ahnungslos. „Mutti hat sich alle Mühe gegeben. Aber das verstehst du eben noch nicht, Chris.“ Silke streckt sich auf ihrer Liege aus und zieht die Bettdecke bis ans Kinn. „Aber du verstehst es, ja?“, regt sich Christian auf. „Bilde dir bloß nicht ein, du weißt alles, nur weil du schon drei Jahre länger lebst als ich!“ Silke antwortet nicht gleich. Das ist so ihre Art. Und das macht ihn immer von neuem wütend. „Hast du denn überhaupt nicht bemerkt, dass Vati der Mutti schon seit langem keinen Kuss mehr gab, wenn er abends heimkam?“, flüstert sie schließlich. „War ich immer dabei?“ Silke seufzt. Der Bruder ist wirklich noch zu klein für solche Probleme. Wieder herrscht ein Augenblick Stille. Nebenan unterhält man sich gedämpft. „Und wegen so was haben sie sich scheiden lassen?“ Christian bezweifelt es. „Du spinnst ja, Mensch!“ Und leiser verkündet er: „Ich werde morgen Vati fragen. Weshalb und so.“ „Wie willst du das machen?“ Silke schließt die Augen. Er spürt, dass sie ihm nicht glaubt. „Meine Sache! Und damit du es weißt, dann bleib ich auch gleich bei ihm.“ Das hätte er ihr nicht verraten sollen. „Und Mutti?" Silke dreht sich zu dem Bruder herum. „Die hat ja dich. Vati hat keinen.““
Und nun wird es auf eine andere Art spannend und – geheimnisvoll. Denn es geht um Petermännchen. Wer aber ist das Petermännchen eigentlich? Aufschlussreiche Antworten auf diese und viele andere damit zusammenhängende Fragen gaben Erika und Jürgen Borchardt in ihrem bei der EDITION digital herausgegeben Buch „Petermännchen. Der Schweriner Schlossgeist": Der Schweriner Schlossgeist Petermännchen ist die merkwürdigste Sagengestalt Deutschlands. So urteilte der mecklenburgische Volkskundler Richard Wossidlo (1859 - 1939). Das kann gut sein. Vom Petermännchen gibt es nicht allein mehr als 700 Überlieferungen - eine außergewöhnlich große Zahl für eine einzige Sagenfigur. Dieser Schlossgeist ist auch außergewöhnlich eigenschaftsreich und hat ganz seltsame Eigenheiten. Er ist zwar ein Hausgeist des Schlosses, eine Wohnung und eine Schatzkammer hat er aber auch im See, und in einem Berg soll er eine Schmiede betreiben. Er wandelt auf der Erde und unter der Erde, kann aber auch durch die Luft reiten. Er macht sich unsichtbar, neckt, lohnt und straft und sagt wie ein Orakel Ereignisse voraus. Und er ist verzaubert, kann jedoch erlöst werden, und das auf ganz unterschiedliche und wundersame Art und Weise. So geheimnisvoll wie das Erscheinen und die Erlösung, so geheimnisvoll sind die Herkunft, die äußere Gestalt und selbst der so einfach klingende Name des Schlossgeistes. All dem gehen die beiden Autoren in diesem Buch nach. Angeregt durch die 2006 vom Kulturverein Sagenland Mecklenburg-Vorpommern e. V organisierte erste wissenschaftliche Konferenz zum Schweriner Schlossgeist legen sie hier eine überarbeitete Fassung ihres erstmals 1992 erschienenen Buches vor. Und darin erfährt man eine Menge Neues und Erstaunliches über das Petermännchen: „In den überlieferten Geschichten ist das Petermännchen ein Zwerg, der an das Schloss gebunden ist, also ein Hausgeist. Aber er hat eine Wohnung und eine Schatzkammer auch im Schweriner See und im Ziegelsee. Er wandelt durch die Stadt, über der Erde und unter der Erde, selbst auf dem Weg nach Ludwigslust soll er gesehen worden sein. Er soll im Petersberg beim nahe gelegenen Pinnow eine Schmiede betreiben und von dort durch die Luft zum Schweriner Schloss geritten sein. Er kann sich unsichtbar machen, neckt, lohnt und straft und sagt Ereignisse voraus. Unser Schweriner Petermännchen ist also ein Haus- und ein Wandelgeist, ein Wasser- und ein Luftgeist, ein Erd- und ein Berggeist, einer, der Späße macht und einer, der über die Taten der Menschen richtet und der Ereignisse voraus sagt, ein Neckgeist und ein richtender Geist und ein Prophet dazu. Er besitzt Göttern ähnliche Eigenschaften.
Petermännchen war nicht immer ein Zwerg. Er ist verzaubert und kann erlöst werden. Seine ursprüngliche Gestalt gewinnt er wieder auf sehr verschiedenartige Weise, unter anderem, indem man ihm den Kopf abschlägt. Das ursprüngliche Leben gewinnen durch Sterben? Diesen Vorgang kennt man im christlichen Kulturkreis auf jeden Fall aus dem Neuen Testament: Jesus Christus kehrt durch den Tod am Kreuz zurück auf seinen Platz neben Gottvater.
Wir erkennen: In der Sagengestalt des Petermännchens steckt mehr als einer der üblichen in Deutschland verbreiteten Schlossgeister. Und nun verstehen wir schon eher, wieso Richard Wossidlo den Schweriner Schlossgeist für eine der merkwürdigsten Sagengestalten Deutschlands hielt. Eine solch eigenschaftsreiche Figur finden wir wohl nicht noch einmal in der deutschen Sagenwelt. Auf jeden Fall ist das Petermännchen heute so verbreitet, dass es geradezu symbolisch für die Stadt steht. Lukullisches und Touristisches, Produkte und Veranstaltungen, Firmen und Fahrzeuge tragen seinen Namen. Das eigentliche Wahrzeichen Schwerins, das Reiterbildnis Heinrichs des Löwen, neben Kaiser Barbarossa einst mächtigster deutscher Herrscher, Eroberer Mecklenburgs und Gründer der Stadt, hat unser Petermännchen weit in den Schatten gestellt.
In den Sagen über das Petermännchen begegnen sich dem sozialen und geschichtlichen Inhalt nach – mehrere Strömungen und Strebungen. Zum Ersten des Volkes Erzählen über den Geist, der Gerechtigkeit herstellt, die Guten belohnt und die Bösen bestraft – eine uralte und untilgbare Sehnsucht, solange das Gegenteil existiert. Die Geschichten drücken auch eine Hoffnung aus, dass Ungerechtigkeit besiegbar sei, wie auch immer.
Zum Zweiten lebt in einigen Sagen die Vorstellung von einem Geist, der Beschützer von Schloss und mecklenburgischem Fürstenhaus sei. Ihm wird in diesem Zusammenhang die Gabe der Weissagung zugesprochen: Mit farbig unterschiedlicher Kleidung verkündete er dem Fürstengeschlecht gute und schlechte Ereignisse. In anderen Sagen ist das Petermännchen aber auch ein verwunschener Königssohn, mit dessen Erlösung das Schloss mitsamt der herzoglichen Familie in Blut und Wasser untergehe. Das alte Schwerin steige dann aus dem See empor und Petermännchen werde Erbe des Königreiches Mecklenburg. Ein seltsamer Widerspruch, nicht wahr?
Zum Dritten kam durch eine Deutung die Idee auf, Petermännchen wäre ursprünglich eine Lichtgottheit des slawischen Stammes der Obotriten gewesen. Dieser Obotritengott wäre dann besiegt worden durch den Gott der Christen. Deshalb erschiene er nur noch in Zwergengestalt, habe aber wenigstens das Schwert bzw. den Dolch als Zeichen seiner göttlich-richtenden Gewalt und die Laterne als Lichtgeber behalten.
Schließlich besitzt die Gestalt Eigenschaften eines Schalks, also gute Voraussetzungen, auch Humor und Witz der die Sagen Erzählenden zum Tragen zu bringen.“
Zum Schluss noch ein Buch, das sich mit einer finsteren Zeit in Südamerika befasst, genauer gesagt mit einer finsteren Zeit in Chile. Es spielt etwa zur selben Zeit wie „Winter ohne Vater“ – zu Beginn der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts. Erstmals 1985 veröffentlichte Jan Flieger als Band 286 in der Erzählerreihe des Militärverlags der DDR „Die Stunde des Kondors“: Wir sind im Chile nach dem Putsch von General Pinochet 1973. Ein Mann verbirgt sich vor den Soldaten, die nach ihm suchen. Der Mann ist blind. Er hat sein Augenlicht unter der Folter des Militärs verloren. Dichter und dichter kommen die Soldaten. Der Mann hat Angst, große Angst. Werden die Soldaten Sardo in seinem Versteck aufspüren und wieder verhaften?
Gleich zu Beginn der sehr spannenden Erzählung begegnen wir dem blinden Sardo, seiner Angst, aber auch seiner großen Hoffnung: „Als der Blinde die Trillerpfeifen hörte und dann die Kommandorufe, wusste er, dass eine Razzia begann wie so oft in Santiago. Im ersten Augenblick des Begreifens hatte ihn die Angst gepackt, aber sie war dann der Ruhe gewichen, die nur einer kannte, der immer mit der Gefahr leben musste. Und der Blinde musste mit ihr leben, seitdem er aus dem Gefängnis geflohen war, geflohen bei einer Verlegung. In der ersten Zeit, die der Flucht folgte, hatte ihn die Angst oft gepackt, die Angst vor der Folter, der erneuten Folter. Er wusste: Die Geheimpolizei wollte die Namen seiner Helfer erfahren, und sie würde jedes, aber auch jedes Mittel anwenden. Einige ihrer Foltermethoden kannte er. Sie hatten zu seiner Erblindung geführt. Wie viel hält der Mensch aus, ohne dass er zerbricht? dachte er immer wieder in seinem Versteck. Wie viel? Kommt ein Punkt, wo man sich aufgibt, weil man die Folter nicht mehr ertragen kann? Wo man schwach wird? Würde er eine erneute Folter überstehen?
Sie beginnen im ersten und im letzten Haus dieser Straße, dachte der Blinde, der Sardo hieß, und sie durchsuchen jeden Raum. Sie sind genau, diese Offiziere, und sie kennen die Möglichkeiten von Verstecken. Der Raum, in dem er saß, war so klein, dass er nur zwei Schritte laufen konnte, wenn er sich von seinem Stuhl erhob. Es war eine Abstellkammer, die, geschickt vermauert, ein ausgezeichnetes Versteck ergab - für Flugblätter, illegale Zeitungen und für einen Flüchtling. Aber kein Versteck war so sicher, dass es bei einer Razzia nicht entdeckt werden konnte. Sardo war froh, dass Mario und Teresita nicht da waren und so, sollte er entdeckt werden, hinabtauchen konnten in die Illegalität; denn beide, das wusste er, betraten ihre Straße immer mit der größten Vorsicht und würden die geringste Veränderung wahrnehmen, auch wenn man die Häscher nicht sah.
Aber Teresita in einem Lager? Der Blinde erschrak erneut. Die schwarzhaarige, lebenshungrige Teresita? Ahnte sie, was ihr bevorstand, würde man sie ergreifen? Die Vergewaltigungen im Gefängnis und im Lager waren noch das Geringste. Eine Frau konnte um zehn Jahre altern in einem Jahr. Und Mario? Konnte man sich einen blinden Mario vorstellen? Aber auch an einen blinden Sardo hatte er früher nie gedacht. Und doch ging alles weiter, musste er leben mit seiner Blindheit.
Sie werden die ersten beiden Häuser durchsucht haben, dachte Sardo, und die beiden letzten. Wie viele Atemzüge bleiben mir bis zur erneuten Verhaftung? Wie viele? Einen Augenblick lang war es ganz still, dann hörte er das Knattern einer Maschinenpistole und Schreie. Wen haben sie? dachte er. Männer, die selbst Mario nicht kennt, weil die Arbeit in der Illegalität mit unendlicher Vorsicht geschehen musste. Man konnte von dem Kampfgefährten in einem Nebenhaus nichts wissen, sah ihn erst in dem Augenblick, da sie ihn aus dem Haus stießen, sah ihn erst in einem Wagen der Juntapolizei oder des Militärs. Santiago ist eine Mausefalle geworden, dachte Sardo, diese Stadt, die ich einmal geliebt habe und in der ich, selbst als Blinder, noch die Straßen und Plätze finden würde, wenn mich der Strom der Passanten nicht umstieße. Als Junge habe ich einmal jeden Winkel gekannt, jeden. Aber durch die Stadt würde er nicht mehr dürfen. Auch diese Straße, in deren einem Haus er sich verbarg, würde er nicht mehr sehen können, nicht die grauen ein- bis zweistöckigen Häuser, nicht die Läden, Kneipen, Hotels und Pensionen, nicht die Passanten, nicht den barfüßigen Zeitungsjungen an der Ecke, der, auf einer Kiste sitzend, die Zeitungen um sich ausgebreitet hatte - ein begehrter Job für einen Jungen, der vielleicht Vollwaise war. Nur die Geräusche des Verkehrs drangen bis in Sardos Versteck, das laute Hupen, der Knall der Auspuffgase. Mit den Bussen war er oft gefahren, mit diesen breiten Kästen, die so unvorstellbar viele Fahrgäste fassten und an deren Türen noch eine dicke Traube von Menschen hing, Menschen, die oft nur mit einem Bein auf dem Trittbrett standen oder einen Fensterrahmen umklammert hielten. Nur wenige Hundert Meter von dieser Straße entfernt aber lag das Zentrum, das hochmoderne, vielstöckige, bestehend aus Betonklötzen, die die Ministerien beherbergten, die Banken, Büros, elegante Geschäfte und Restaurants. Es waren andere Straßen als die, in denen er gelebt hatte. Schnurgerade Straßen waren es, ohne Kehren, ohne Winkel, die von quadratischen Häuserblocks gesäumt wurden, die alle etwa eine Länge von hundertdreißig Metern zu haben schienen. Das Muster dieses Grundrisses stammte noch vom Gründer Santiagos, von Pedro de Valdivia, aus einer Zeit, da es gut war, wenn die Kugeln einer Muskete ihr Ziel in der gesamten Straße finden konnten, würde der Feind in die Stadt eindringen. Der Feind, das waren die Araukaner, die einzigen Indianer, die die Spanier nie besiegen konnten.
Wieder hörte Sardo Schüsse, und dann wurde ihm bewusst, dass die Kommandos näher kamen, immer näher. Ich kann nur warten, dachte Sardo, darauf warten, dass sie mich entdecken. Sie müssen erst den Schrank wegschieben, der vor diesem kleinen Raum steht, und auch dann müssen sie genau hinsehen. Aber es können Männer dabei sein, die wie Spürhunde sind, die ein Versteck förmlich riechen, als besäßen sie den Instinkt von Hunden. Und sie waren nichts anderes als Hunde. Bluthunde.
Das Poltern der Stiefel dröhnte im Nachbarhaus. Mir bleiben noch Minuten, dachte Sardo. Er erhob sich und presste die Stirn an die Wand. Er hörte nun die Kommandos ganz deutlich, verstand jedes Wort. Eine heisere Stimme bellte Befehle, andere Stimmen antworteten. Jetzt waren sie im selben Stock, stießen die Türen auf und drangen in die Räume ein. Vor dem Haus würden sie mit entsichertem Karabiner stehen und jedes Fenster im Auge behalten, auf der Vorder- und auf der Rückseite der Häuser. Eine Waffe, dachte Sardo, eine Waffe. Wenn ich nur eine Waffe hätte! Aber wen konnte er als Blinder schon treffen! Einen Soldaten vielleicht. Doch da musste er schon großes Glück haben. Und dann?
Gefährdete er nicht Teresita und Mario noch mehr? Steigerte er nicht die Wut auf sie ins Unermessliche, wenn sie verhaftet wurden? Er musste es allein tragen, sein Schicksal, allein. Aber dann war er nichts anderes als ein Kalb, das zum Schlachthaus geführt wurde. Er beneidete andere, die im Kampf gefallen waren in den Tagen des Putsches, gefallen mit der Waffe in der Hand. Im Kampf zu sterben war leichter - und wenn man ein paar Feinde mitnehmen konnte in das Dunkel, aus dem es keine Rückkehr gab.
Stiefel dröhnten auf den Stufen seines Hauses. Sardo hörte, wie sie in die Wohnung, die unter seinem Versteck lag, eindrangen, hörte ein Poltern und einen Aufschrei.“
Werden die Soldaten Sardo entdecken? Und was passiert mit seinen Freunden und Kampfgefährten? Ein spannendes Buch über ein dunkles Kapitel in der chilenischen Geschichte. Lesenswert.
Ach und noch etwas: Vielleicht dauert es gar nicht mehr so lange, bis die ersten Menschen tatsächlich auf dem Mars landen, dem „Roten Planeten“. Dann können sie überprüfen, ob sie ihn auch so erleben, wie Alexander Kröger und seine literarischen Raumfahrer. Und was den Jul Roth eher unbekannten Astronomen Bond angeht, da lesen Sie mal unter dem Namen William Bond nach. Auch eine höchst spannende Geschichte. Immer durfte sich der Amerikaner „Astronomischer Beobachter für die Universität“ (Harvard) nennen und war erster Direktor des Harvard College Observatory. Dessen Linsenfernrohr war Mitte des 19. Jahrhunderts mit fast vierzig Zentimetern Objektivdurchmesser eines der größten der Welt.
Gemeinsam mit seinem Sohn hat William Bond den damals innersten Ring des Saturns entdeckt und den Mond Hyperion. Zudem gehörte er außerdem zu den ersten Astronomen, die mithilfe großer Fotoplatten Aufnahmen der Himmelsobjekte gemacht haben.