Um das Thema Abtreibung, vor allem um die sozialen Ursachen geht es auch im zweiten der insgesamt fünf aktuellen digitalen Sonderangebote dieses Newsletters, die eine Woche lang zum Sonderpreis im E-Book-Shop www.edition-digital.de (Freitag, 02.08. 24 – Freitag, 09.08. 24) zu haben sind. Bei diesem Buch handelt es sich um ein berühmtes Schauspiel, das am 6. September 1929 am Berliner Lessingtheater in der Regie von Hans Hinrich uraufgeführt wurde und damals eine große Diskussion um den Abtreibungsparagrafen 218 ausgelöst hatte. Autor des Stücks war Friedrich Wolf, und der Titel „Cyankali“ deutet schon auf eine tödliche Gefahr für schwangere Frauen hin – wie Hete Fenz:
Die Zwanzigjährige erwartet ein Kind von ihrem Freund Paul. Obwohl die beiden nicht verheiratet sind und Hete noch bei ihrer Mutter (Mutter Fent) wohnt, wünschen sich beide das Kind. Die Voraussetzungen scheinen günstig, da die jungen Eltern ein gesichertes Einkommen haben. Hete ist Reinigungskraft in den Büros der Werksdirektion, Paul gelernter Heizer, der als Spezialarbeiter an den Hochöfen arbeitet. Da Paul im Werk geschätzt und beliebt ist, wird er zusätzlich als Vertrauensmann in die Kantinenkommission des Werkes gewählt.
Doch wegen Tarifstreitigkeiten kommt es unerwartet zur betrieblichen Aussperrung der Arbeiter. Da auch die Hochöfen und die Büros stillgelegt werden, stehen Paul und Hete auf einen Schlag ohne Einkommen da. Kaum jemand im Arbeiterviertel kann sich nun noch Lebensmittel leisten. Eine befreundete Nachbarin und mehrfache Mutter stürzt sich aus Verzweiflung über ihre erneute Schwangerschaft in dieser Notlage aus dem Fenster in den Tod. Hete erkennt, dass sie und Paul ohne Einkommen das Neugeborene nicht werden ernähren können. Obwohl sie das Kind gerne bekommen würde, sieht sie nun keinen anderen Ausweg als eine Abtreibung. In der Hoffnung auf Hilfe wendet sich Hete an den Hausverwalter Prosnik, welcher ein altes Instrument für Abtreibungen besitzt. Dieser willigt auch ein, es ihr zu überlassen, versucht sie aber zu erpressen, indem er als Gegenleistung Geschlechtsverkehr verlangt. In dieser Situation kommt Paul hinzu. Er entwendet Prosnik das Instrument und nimmt es an sich.
Und es wird immer schlimmer. Aufgrund der langen Aussperrung leiden die Menschen bitteren Hunger. Paul und sein Freund Max sind in die Werkskantine eingebrochen und haben dort Lebensmittel gestohlen, die sie an die Hungrigen verteilen. Nach einem kurzen Moment der Freude stellt sich jedoch heraus, dass Paul und Max wegen dieses Einbruchs schon von der Polizei verfolgt werden. Sie müssen fliehen und untertauchen.
Und was wird mit dem Kind in Hetes Bauch? Ihre Verzweiflung wird immer größer.
Von Herbert Friedrich, Jahrgang 1926, stammt „Krawitter. Sieben Geschichten vom Hahn, vom Huhn und allerlei Mäusen“: Erstmals 1973 war „Krawitter Krawatter, das Minchen, das Stinchen“ erschienen, 1980 „Krawitter Krawatter, die Kiste, die Mäuse“, 1983 „Krawitter, Krawatter, das Stinchen, das Minchen und nun noch Berlin“, 1985 „Krawitter, Krawatter, der Kuckuck, das Kücken“ und 1990 „Krawitter, Krawatter, der Zirkus Karotti“. Für das neue E-Book hat der Autor weitere Geschichten hinzugefügt, die zuvor noch nie veröffentlicht wurden.
Das bezaubernde Kinderbuch lässt die herzerwärmenden Abenteuer des Hahns Krawitter und seiner tierischen Freunde im Lande Muck entdecken. In sieben Geschichten ist zu erleben, wie Krawitter, das Huhn Alinchen, die Mäuse Minchen und Stinchen und viele weitere Figuren Freundschaft, Familie und die kleinen Wunder des Alltags zelebrieren.
Gleich mit zwei E-Books aus dem Bereich der Fantasy, die soeben als Eigenproduktionen von EDITION digital erschienen sind, ist Jens Brokhof in diesem Newsletter vertreten: „Mo und das Geheimnis des magischen Koffers“ und „Mos magische Reise zum Quell der Zeit“ – Teil 1 und Teil 2 der Chanoa-Abenteuer. Im ersten Teil lernen wir den elfjährigen Moritz Hein kennen, der von allen nur Mo genannt wird. Mo verbringt die Sommerferien bei seinen Großeltern, wo ein mysteriöser Koffer auf dem Speicher seine Neugierde weckt. Als es Mo gelingt, den Koffer zu öffnen, wird er in die verborgene und magische Welt von Chanoa hineingezogen. Dort findet er nicht nur neue Freunde, sondern sieht sich auch mit der Herausforderung konfrontiert, Chanoa von einem bösen Zauberer zu befreien.
Teil 2: Ein Jahr ist vergangen, seit Mo zusammen mit seinen Freunden Marie und Ramu die Welt von Chanoa aus dem Würgegriff des bösen Zauberers Samoht befreit hat. Doch eines Nachts reißt Ramu Mo aus dem Schlaf - eine neue Bedrohung zeichnet sich ab. Ein Schurke hat das Zentrum der Zeit manipuliert und droht, den Strom der Zeit zu verändern. Wenn es ihm gelingt, würden beide Welten, unsere und Chanoa, kollidieren.
Sofort machen sich die drei Freunde auf den Weg, um diese Katastrophe zu verhindern. Auf einem alten Motorradgespann und mit etwas Zauberei reisen sie nach Schweden, wo sie den mysteriösen Zeitwächter Joklis finden müssen. Wird ihnen auch das gelingen?
Und damit sind wir wieder beim aktuellen Beitrag der Rubrik Fridays for Future angelangt. Jede Woche wird an dieser Stelle jeweils ein Buch vorgestellt, das im weitesten Sinne mit den Themen Klima, Umwelt und Frieden zu tun hat – also mit den ganz großen Themen der Erde und dieser Zeit. Der Autor des heutigen Buches hat sich bereits in den DDR immer wieder mit dem brisanten Thema Umweltzerstörung auseinandergesetzt – Umweltzerstörung im Interesse der Industrialisierung. Hintergrund war der forcierte Braunkohlenabbau, dem nicht wenige Dörfer zum Opfer fielen – so wurde nicht nur die Umwelt, sondern auch die Heimat zerstört. Diese Umweltfrevel galten lange als Staatsgeheimnis …
Erstmals 1980 veröffentlichte Jurij Koch im Mitteldeutschen Verlag Halle-Leipzig seinen Band mit Erzählungen „Der einsame Nepomuk“: Es ist Heiligabend, Schreckenstag der Einsamen, und Nepomuk möchte nicht allein sein. Da sucht er, jung noch, geschieden, aus dem Telefonbuch wahllos die Namen von Frauen und Mädchen heraus. Nacheinander ruft er die Auserwählten an, eine Ehefrau, die an keiner Zweisamkeit mit ihm interessiert ist, eine Krankenschwester, eine Uhrmacherin ... Nepomuk bleibt nicht allein - und bleibt doch einsam.
Jurij Koch schreibt über das merkwürdige Mädchen Helena, das nachts auf der Straße steht und einen Autofahrer bittet, sie mitzunehmen. Aber warum hat sie Angst vor der Stadt, in die sie fahren? Er schreibt über den Pechvogel Wesely und den Glückspilz Margareta, über den Maler Heinrich und die Glückseligkeit auf Inseln. Erzählt wird über die Bewohner einer abgelegenen Heidekate, die Landvermesser beherbergen und erfahren, dass sie zum letzten Mal Gastfreundschaft gewähren, weil die Kate der neuen Industrie weichen muss. Und da ist Triglaw, der ein Blutsbund dreier Jungen sein soll.
Es sind erregende, nachdenklich stimmende Erzählungen, die aber auch den feinen, hintergründigen Humor nicht vermissen lassen.
Dieser Textauszug aus "Cyankali" von Friedrich Wolf führt uns in eine düstere und angespannte Szene ein. Madame Heye, eine resolute und bestimmende Figur, konfrontiert die junge und verzweifelte Hete. Durch den schroffen Dialog wird schnell klar, dass Hete in einer schwierigen Lage steckt und Hilfe sucht. Madame Heye, misstrauisch und direkt, versucht mehr über Hete und ihre Situation herauszufinden, während Hete, erschöpft und verängstigt, um Unterstützung bittet. Diese Szene zeichnet ein lebhaftes Bild der sozialen und moralischen Spannungen, die das Drama durchziehen und die Charaktere in ihren Handlungen und Entscheidungen prägen.
madame heye stellt schnell das Vesper seitlich auf einen Stuhl und zieht ihren weißen Schwesternmantel an: Ja!
Von rechts kommt Hete; sie bleibt zögernd stehen.
madame heye streng: Halb acht abends! Was gibt’s noch?
hete mit Zeitungsausschnitt: Bin ich hier recht?
madame heye knüllt den Ausschnitt zusammen: Haben Sie das jemand im Haus gezeigt?
hete: Nein.
madame heye: Setzen Sie sich! – Sie sind müde?
hete: Ja.
madame heye: Sie sind noch jung?
hete: Zwanzig.
madame heye: Nicht volljährig. – Reden Sie doch!
hete: Ich komme zu Ihnen … aber Sie wissen das ja alles, quälen Sie mich nicht! Leise. Sie müssen mir helfen, Sie!
madame heye: Richtig. Betrachtet sie. Leg mal deinen Mantel ab. Etwas mitgenommen siehste aus.
hete sieht sie an: Lassen Sie das! Ich zahle.
madame heye: Klar. – Warste schon mal beim Arzt?
hete: Nein.
madame heye sieht sie an: Hast du’s selbst mal probiert?
hete: Nein.
madame heye: Du siehst so elend aus …
hete: Was sagen Sie?
madame heye: Hast du ’ne Mutter?
hete steht auf: Ich zahle doch! Bin ich denn hier beim Doktor?
madame heye aufhorchend: Wieso beim Doktor?
hete setzt sich, müde: Ich meinte bloß.
madame heye misstrauisch: Hat deine Mutter dir ’s Geld gegeben, oder hast du so ’n Kavalier unterwegs … bleib nur, ich meine, du siehst gar nicht so aus wie ’ne Nutte … brauchst nicht hochzugehn, das zieht hier nicht, wir sind reell und wollen wissen, wen wir bedienen! – Wie heißt er denn?
hete: Kein Klauenfritze, Sie! Nee! Wenn er auch türmen musste wegen der Kantine … der bekommt schon wieder Arbeit, der Paul!
madame heye: Ach so, der … der Kantinen-Paul, ach so … natürlich kriegt der Arbeit, aber Tütenkleben und Mattenflechten; der sitzt hinterm Gitter …
In diesem lebhaften Textauszug aus "Krawitter. Sieben Geschichten vom Hahn, vom Huhn und allerlei Mäusen" von Herbert Friedrich begleiten wir zwei Mäuse, Minchen und Stinchen, auf ihrer abenteuerlichen Reise. Ihre Mission, eine Kiste zum Kuckuck zu bringen, führt sie in eine humorvolle und spannende Begegnung mit verschiedenen Waldbewohnern. Während sie Hindernisse überwinden und sich mit listigen Tieren wie dem Fuchs und dem fürsorglichen Heupferd auseinandersetzen, zeigt sich die charmante und kindgerechte Erzählweise des Autors. Schließlich erreichen die Mäuse ihr Ziel, den Kuckuck, und wir erfahren von ihrem unerschütterlichen Durchhaltevermögen und ihrer cleveren Art, Probleme zu lösen.
Nur der Fuchs in seinem Bau äffte die Mäuse nach: „Kuckuck, Kuckuck.“
„Horch“, zischte das Minchen.
„Still!“, zirpte das Stinchen. Beide waren sie heilfroh, schon beim Kuckuck angelangt zu sein. „Hier laden wir die Kiste ab.“
Doch kaum hielten sie den Wagen an, kam der Fuchs aus seinem Bau geschossen und schrie: „Was wollt ihr hier mit der Kiste?“
„Sie ist für den Kuckuck. Erst bringen wir sie ihm, und dann essen wir uns satt beim lieben Hahn Krawitter.“
„Wollt ihr mir die herrliche Aussicht auf Pilze und Pelze versperren?“, rief da der Fuchs. „Auf Hasen und Hähne? Nehmt ja die Kiste wieder mit, sonst fress ich euch gleich.“
„Ja, wohin sollen wir denn mit der Kiste?“
„Werft sie auf die Wiese, dort kann sie der Kuckuck holen.“
„Danke, lieber Fuchs.“
Da staunte der Fuchs, dass sich jemand bei ihm bedankt hatte.
Die Mäuse aber rannten, was sie konnten, mit der Kiste tiefer in den Wald hinein. Und endlich kamen sie an die Wiese, müde und matt und auch ein wenig hungrig. Nun aber runter mit der Kiste vom Wagen.
Doch als die Kiste schon rutschte, da schrie jemand: „Halt!“ Und ein Heupferd sprang das Minchen an, so dass es niesen musste. „Was soll denn die Kiste hier?“, rief das Heupferd.
„Die Kiste hat den Hahn geklemmt. Der Kuckuck soll die Kiste holen. Der Fuchs war der Kuckuck nicht. Jetzt sind wir an der Wiese. Und dann essen wir uns satt beim lieben Hahn Krawitter.“
„Aber ihr zerdrückt doch mit der Kiste alle Gänseblümchen!“, rief das Heupferd. „Schafft sie in den Bach, der trägt sie ganz allein zum Kuckuck hin.“
„Danke, liebes Heupferd.“
Das Heupferd war froh, weil es seine Gänseblümchen gerettet hatte. Minchen und Stinchen aber zogen weiter, schwitzten und zerrten, nun schon sehr müde und sehr matt und sehr hungrig. Und als sie eine ganze Weile so gezerrt hatten, kamen sie an den Bach. Nun aber runter mit der Kiste vom Wagen!
„Wollt ihr etwa die Kiste ins Wasser werfen?“, fragte jemand neugierig aus dem Gebüsch heraus, und das war ein großer grauer Vogel.
„Ja, die Kiste soll ins Wasser.“
„Aber die Kiste wird sich im Bach festrennen und das Wasser anstauen, und der Bach wird die Wiese überschwemmen und den Wald und das Häuschen vom Hahn Krawitter.“
„Die Kiste aber hat doch den Hahn geklemmt. Der Kuckuck soll die Kiste holen. Der Fuchs war der Kuckuck nicht. Das Heupferd mag die Kiste nicht. Und nun sind wir am Wasser. Dann aber essen wir uns satt beim lieben Hahn Krawitter.“
„Der Kuckuck soll die Kiste holen? Ja, ich bin doch der Kuckuck“, erklärte der große graue Vogel. Die Mäuse staunten.
„Du bist der Kuckuck?“, fragte Minchen.
Und Stinchen sagte zufrieden: „Ich wusste doch, dass wir ihn finden.“
„Das ist aber eine feine Kiste“, lobte der Kuckuck, „Die kann ich wirklich gut gebrauchen.“
Dieser spannende Textauszug aus "Mo und das Geheimnis des magischen Koffers" von Jens Brokhof entführt uns in eine dramatische Szene, in der Mo und seine Freundin Marie unerwartet von den Ankabat gefangen genommen werden. Mo, der zunächst nichts von Maries Verschwinden bemerkt hatte, wird plötzlich selbst überwältigt und gefesselt. Die Spannung steigt, als beide durch den Wald und schließlich in eine große Halle gebracht werden, wo sie dem Anführer Uluk vorgestellt werden. Der Dialog und die Beschreibungen der Umgebung erzeugen eine dichte Atmosphäre, die den Leser in den Bann zieht. In dieser kritischen Situation beweist Mo durch die Hilfe seines Freundes Ramu eine bemerkenswerte Ruhe und Besonnenheit, während Marie energisch gegen ihre Entführer ankämpft. Dieser Auszug ist ein packender Beweis für die Abenteuer und die Gefahren, denen sich die Protagonisten stellen müssen, und lässt die Leser gespannt auf die weiteren Entwicklungen in der Geschichte blicken.
Mo, der so damit beschäftigt war, ihnen den Weg zu bahnen und nach möglichen Gefahren Ausschau zu halten, hatte von Maries Verschwinden zunächst nichts mitbekommen. Erst als ihm auffiel, dass ihre Schritte hinter ihm nicht mehr zu hören waren und ein eigenartiges Jaulen erklang, drehte er sich nach ihr um. Doch Marie war verschwunden. Besorgt rief er nach ihr.
„Marie! Wo bist du?“
Anstatt eine Antwort von ihr zu bekommen, wurden plötzlich seine Fußgelenke gepackt. Ein kräftiger Ruck riss ihn zu Boden. Dann ging alles blitzschnell, und er fand sich genauso verschnürt, geknebelt und mit verbundenen Augen wie Marie wieder, ohne auch nur die geringste Gegenwehr leisten zu können. Dann spürte er, wie er gleichzeitig von zahlreichen Händen gepackt und weggetragen wurde.
„Uluk wird Augen machen, wenn er sieht, was wir hier für einen Fang gemacht haben!“, hörte Mo eine Stimme auf chanoisch sagen.
„Das müssen Ankabat sein, Mo! Bleib ganz ruhig, lass uns erst einmal sehen, was sie mit uns vorhaben und wo sie uns hinbringen!“, hörte er Ramus Stimme in seinem Kopf. Dann vernahm er eine weitere Stimme auf chanoisch.
„Ja, Uluk soll entscheiden, was mit ihnen geschieht!“
Weiter konnte Mo nichts hören, außer dem schnellen Atem mehrerer Kehlen und dem fortwährenden Rascheln, Knistern und Knacken, welches viele Füße erzeugen, wenn sie gleichzeitig über den Waldboden laufen. Nach einiger Zeit schien der Weg steiler zu werden, Mo merkte, wie die Atmung seiner Entführer sich immer angestrengter anhörte. Mehrfach musste er unter hörbar großem Kraftaufwand in die Höhe gestemmt werden, um irgendwelche Hindernisse auf dem Weg zu überwinden.
Dann wurde es merklich kühler, und die Schritte seiner Entführer bekamen einen Widerhall. Es klang wie in Senos Stollengängen. Ein Rauschen wurde hörbar und schwoll in seiner Intensität rasch an. Fast hörte es sich so an, als würde jemand über einen voll aufgedrehten Wasserhahn Badewasser in eine Badewanne sprudeln lassen. Plötzlich bekam Mo eine kurze, aber heftige Dusche ab. Er konnte regelrecht spüren, wie er unter einem kräftigen Wasserstrahl hindurchgetragen wurde. Das eisigkalte Wasser erfasste zuerst seinen Kopf und wanderte über seinen Körper zu seinen Füßen weiter über ihn hinweg. Das kalte Wasser ließ ihn frieren. Nach der Dusche wurde er kurz abgelegt, und trotz des laut tosenden Wassers vernahm er direkt neben sich mehrere Geräusche, die klangen wie Großvaters alter Hund Bootsmann, wenn er sich mal wieder nach einem Sprung ins Wasser zurück an Land trockenschüttelte. Scheinbar trugen seine Entführer auch ein Fell wie Bootsmann und schüttelten sich offenbar gerade das Wasser aus diesem. Dachte Mo. Zu gerne hätte er es ihnen gleichgetan, denn die kalte Nässe seiner Sachen ließ ihn weiter frösteln. Dann packten sie Mo wieder und trugen ihn weiter. Das Rauschen des Wassers wurde immer leiser und war bald nicht mehr zu hören. Sie schienen ihn durch ein wahres Labyrinth zu tragen. Seinem Gefühl nach wechselten sie mehrfach die Richtung, von links nach rechts und umgekehrt. Dann ging es scheinbar mehrere Treppenstufen hinauf und plötzlich bekam der Klang ihrer Schritte eine derart räumliche Verstärkung, dass Mo regelrecht spüren konnte, wie sie eine große Halle betraten. Stimmengewirr wurde hörbar, verstummte aber abrupt, als seine Häscher mit ihm den Raum betraten.
„Uluk!“, hörte er eine der beiden Stimmen, die er vorher schon einmal kurz gehört hatte, rufen. Sie klang noch sehr jung und ungestüm.
„Uluk, sieh, was wir für einen Fang gemacht haben! Zwei Spione Asquaras, sie hatten sich unten im Dorf umgesehen!“
Unsanft wurde Mo auf den Boden fallengelassen und schlug dabei mit seinem Hinterkopf hart auf. Sofort spürte er einen stechenden Schmerz in seiner Beule, die er sich erst wenige Tage zuvor bei seinem Sprung gegen das Bücherregal zugezogen hatte. Er biss die Zähne zusammen und unterdrückte den Schmerz. Das Tuch, welches Marie ihm ursprünglich um seinen Hals gebunden hatte und nun von seinen Häschern dazu missbraucht worden war, um ihm seine Augen zu verbinden, wurde plötzlich mit einem kräftigen Ruck von seinem Kopf gerissen. Mo musste blinzeln, als der Druck des Tuches von seinen Augen wich. Nur verschwommen konnte er zunächst seine Umgebung wahrnehmen. Der Raum schien nur schwach beleuchtet zu sein. Dann vernahm Mo eine ältere Stimme außerhalb seines Sichtbereiches. Sie klang ruhig, souverän und erfahren.
„Habt ihr sie schon durchsucht?“
„Nein, Uluk, noch nicht!“, antwortete die jüngere Stimme.
„Und ihre Sachen?“, hörte er die ältere Stimme barsch.
„Nein, Uluk, verzeih bitte!“, antwortete die jüngere Stimme.
„Dann macht das sofort!“, befahl die ältere Stimme scharf.
Mo hörte, wie etwas geschüttelt wurde und etliche Dinge zu Boden fielen. Dabei fiel ihm ein klappernder Laut auf, welchen er erst vor kurzem gehört hatte. Es war unverkennbar dasselbe Klappern, das Maries kleine Schachtel machte, als sie aus ihrem Beutel fiel. Offensichtlich hatte jemand den Inhalt von Maries Beutel auf den Boden gekippt. Dann beugten sich plötzlich mehrere Gestalten über Mo und begannen, seine Kleidung zu durchwühlen. Seine Augen taten sich schwer damit, nach der Befreiung von dem Druck, den das stramm gebundene Tuch auf sie ausgeübt hatte, ihre Sehschärfe wieder zu finden. Was er erkennen konnte, war aber, dass die Haut der ihn durchsuchenden Hände von einem dichten kurzhaarigen Pelz bedeckt war. Schließlich fanden sie das Amulett und rissen es ihm vom Hals. Ein Raunen hallte gleich darauf durch den Raum, und er hörte immer wieder ehrfurchtsvoll das Wort Ugumi.
Ramu hatte sich die ganze Zeit über ruhig verhalten und Mo aufgefordert, ebenfalls die Ruhe zu bewahren. Doch nun wurde er aktiv. Mo spürte, wie seine Zunge sich mit so viel Kraft gegen den Knebel in seinem Mund stemmte, dass dieser nachgab und im hohen Bogen herausflog.
„Ich bin Ramu, Sohn eurer Königin Asieris, nehmt uns auf der Stelle die Fesseln ab!“, befahl Ramu ihnen mit einer hörbar erbosten und energischen Stimme.
Sogleich machten sich mehrere Hände daran, ihnen die Fesseln abzunehmen.
„Mo!“, hörte er Ramus Stimme in seinem Kopf. „Es ist besser, wenn vorerst ich das Reden übernehme! Halte dich bitte zurück, ich sage dir Bescheid, wenn du wieder übernehmen kannst!“
Gut, ich mache, was du mir sagst!, dachte Mo seine Antwort. Dann wurde er auch schon unter den Armen gepackt, vom Boden hochgezogen und auf eine dicke, weiche Decke gesetzt. Gleich darauf entdeckte er Marie in dem Halbdunkel, auch sie wurde von ihren Fesseln befreit. Da sie aber im Gegensatz zu Mo kein Chanoisch verstand, hatte sie Ramus scharfen Worte nicht deuten können und wusste so nicht, dass ihr die Fesseln abgenommen werden sollten. Entschieden begann sie die vier Ankabat, die geeilt waren, um Ramus Befehl auszuführen, mit Tritten und Bissen zu malträtieren. Sie strampelte und schlug wie wild um sich. Die armen Ankabat jaulten, mehrfach hart von ihren Tritten und Schlägen getroffen, schmerzhaft auf. Weitere Ankabat eilten ihnen zur Hilfe, und mit vereinten Kräften schafften sie es schließlich, Marie neben Mo auf die Decke zu setzen. Mo musste bei diesem Anblick innerlich lachen, doch dann hörte er schon Ramu sagen.
„Es ist alles gut, Marie, hör auf, sie zu schlagen, sie sind unsere Freunde und wollen uns nichts tun. Sie sind vom Stamm der Ankabat und hatten uns für Asquaras Spione gehalten!“
In diesem packenden Textauszug aus "Mos magische Reise zum Quell der Zeit" von Jens Brokhof befinden sich Mo und seine Freunde in einer angespannten und rätselhaften Situation. Nachdem Marie bewusstlos wurde und sich durch einen Sturz am Kopf verletzte, erwacht sie wieder und versucht vergeblich, mit Mo zu kommunizieren, wobei sie nur unverständliche Blubberbläschen von sich gibt. Mo, Marie und Ramu, der sich ihrer annimmt, stehen vor dem reglosen Körper eines unbekannten Angreifers. Während Ramu den fremdartigen Gegner genauer untersucht und dabei feststellt, dass dieser kein Chanoer ist, wachsen die Fragen und die Ungewissheit. Diese Szene verstärkt das mystische und geheimnisvolle Ambiente der Geschichte, indem sie die Leser weiter in die Welt von Mo und seinen Abenteuern eintauchen lässt. Die Entdeckung des unbekannten Angreifers wirft neue Rätsel auf und lässt die Spannung steigen, während die Freunde gemeinsam versuchen, Licht ins Dunkel ihrer Situation zu bringen.
Langsam kam Marie wieder zu sich. Die beiden Jungen halfen ihr, sich hinzusetzen. Mit schmerzverzerrtem Gesicht tastete sie mit ihrer Hand nach einer Stelle an ihrem Hinterkopf. „Autsch!“, stöhnte sie auf, als sie den Punkt berührte. Doch anstelle eines verständlichen Lautes drang aus ihrem Mund nur unverständliches Geblubber hervor, gefolgt von einem heftigen Erguss weiterer Bläschen. Erschrocken blickte sie den davonschwebenden Bläschen nach. Mo aber hatte ihre Schmerzensgeste verstanden. Er beugte sich vor und besah sich Maries Hinterkopf näher. Eine dicke Beule konnte er unter ihren dichten Haaren ertasten.
„Du musst dir an irgendetwas mächtig den Kopf gestoßen haben, als du über die Kante des Bassins gesprungen bist! Das wird wahrscheinlich auch der Grund für deine Bewusstlosigkeit gewesen sein!“, stellte Mo fest.
Marie wollte ihm antworten, doch statt Worte kamen nur unverständliche Laute aus ihrem Mund und ein erneuter heftiger Schwall Blubberbläschen. Sofort schwebten diese wieder in Richtung des Quells der Zeit. Hilflos schielte sie dabei zu ihrem Mund hin und verfolgte mit entsetztem Blick die davonschwebenden Bläschen. Als sich die Bläschenflut wieder beruhigt hatte, beugte sie sich noch ein Stück weiter vor und blickte an Mo vorbei zu dem reglos am Boden liegenden Angreifer. Aus Angst, einen erneuten Bläschenschwall auszulösen, nickte sie nur fragend zu dem reglosen Körper hinüber und presste dabei zur Sicherheit ihre Lippen fest aufeinander.
Da drehte auch Mo sich um und blickte zu diesem hinüber. Fast gleichzeitig erhob sich Ramu aus seiner neben Marie hockenden Haltung. Er ging zu dem leblosen Gegner hinüber und stieß diesen mit seiner Fußspitze prüfend an. Sogleich zog er sich blitzschnell drei Schritte von ihrem Gegner zurück. Angriffsbereit lauerte er auf eine mögliche Attacke des am Boden Liegenden. Doch diese blieb aus. Stumm und reglos lag er einfach nur da. Da stieß Ramu noch einmal, aber dieses Mal etwas kräftiger mit seinem Fuß gegen diesen. Der Stoß hatte so eine Wucht, dass der leblose Körper ihres Gegners dabei fast auf die Seite rollte. Ramu wich mit einem schnellen Sprung zurück und wartete lauernd ab. Doch auch nach diesem deutlich kräftigeren Stoß blieb der Gegner reglos liegen.
Nun betrachtete Ramu diesen genauer. Er lag auf dem Bauch, seine Arme, welche immer noch den riesigen Steinbrocken umklammerten, unter sich begraben. Den Kopf leicht zur Seite gedreht, mit dem Gesicht von Ramu abgewandt und die Beine von sich gestreckt. Er war von großer, aber sehr dünner Gestalt. Ramu ging, seinen Kopf leicht auf die Seite gekippt, prüfend um den Gegner herum. Nun konnte er die linke Gesichtshälfte ihres Gegners sehen. Nein, dachte Ramu da, der hier ist eindeutig kein Chanoer! Ramu kannte alle Völker, die in seiner Heimat lebten, aber der hier war eindeutig keiner von ihnen! Allein seine Körpergröße sprach schon dagegen. Die Völker bei ihm waren alle viel kleiner. Sie hatten eine dunklere, leicht ockerfarbene Haut, welche von einem weichen Haarflaum bedeckt ist. Auf ihren Ohrspitzen tragen sie diesen charakteristischen, kleinen, pinselförmigen Haarbüschel.
Als Ramu so daran dachte, zupfte er sich nachdenklich an seinem eigenen Ohrpinsel des rechten Ohres. Blut sickerte aus dem linken Ohr des am Boden Liegenden. Es rann ihm von der Wange über den Hals zum Boden hinab und verlor sich dort in dem nebeligen Dunst, der hier überall den Boden bedeckte. Eine seltsame Spur fiel Ramu auf, so, als hätte jemand seinen Finger genommen, ihn in das aus dem Ohr sickernde Blut eingetaucht und dann damit über das Gesicht des leblosen Angreifers gewischt. Die Spur zog sich vom Ohr her kommend über dessen Wange hinweg, hinüber zur Nase und dann am Nasenflügel vorbei hinunter in Richtung des Mundes. Dann verlor sie sich, wie alles hier, was sich dicht über dem Boden befindet, im dichten nebeligen Dunst.
Ramu wandte seinen Blick ab und sah zu seinen Freunden hinüber. „Kommt, seht euch das einmal an!“, forderte er die beiden auf, herüberzukommen, wobei er dies noch mit einer heranwinkenden Handbewegung unterstützte.
Marie warf Ramu einen besorgten Blick zu und wollte ihn fragen: „Ist er tot?“, doch als sie ihren Mund aufmachte, quollen gleich wieder zahlreiche Blubberbläschen hervor und schwebten zum Quell der Zeit hinüber, wo sie wieder eine nach der anderen zerplatzten und mit einem Plopp in den Quell zurückfielen. Hilflos und verzweifelt blickte Marie den davonschwebenden Blasen hinterher. Schnell drückte sie sich ihre beiden Hände auf den Mund, um den Blasenschwall zu stoppen.
Ramu ahnte, was Marie ihn fragen wollte, und antwortete: „Hab keine Angst, Marie, ich denke, er ist tot!“, und deutete dabei mit seinem Finger auf den leblosen Körper. Da erhob auch Mo sich, streckte Marie seine beiden Hände entgegen und half ihr hoch. Gemeinsam gingen sie nun um die ausgestreckten Beine ihres Widersachers herum zu Ramu hinüber und betrachteten dabei aufmerksam den am Boden Liegenden.
„Er ist eindeutig kein Chanoer!“, sagte Ramu, als die beiden neben ihm standen.
„Du hast Recht, Ramu, er ist eher einer von uns! Aber wie kam er dann nach Chanoa?“, stellte Mo fest. Marie, die ebenfalls ihre Beobachtungen anstellte, war an dem Toten etwas aufgefallen, aber aus Furcht vor einem erneuten Blasenschwall hielt sie sich noch zurück.
„Kommt, lasst ihn uns einmal umdrehen!“, forderte Mo seine Freunde auf, wobei er sich schon nach vorne beugte und nach dem Toten griff. Gemeinsam drehten sie diesen nun herum, wobei sich dessen Hände von dem schweren Steinbrocken lösten und schlaff auf die Seite rutschten.
In diesem faszinierenden Textauszug aus "Der einsame Nepomuk" von Jurij Koch wird eine nächtliche Autofahrt beschrieben, die plötzlich eine geheimnisvolle Wendung nimmt. Der Erzähler, der durch die nächtliche Dunkelheit fährt, trifft am Straßenrand auf eine fremde Frau, die ihn um eine Mitfahrgelegenheit bittet. Diese Begegnung, die in der Stille und Einsamkeit der Nacht stattfindet, erzeugt eine beklemmende und zugleich spannende Atmosphäre. Die Dialoge zwischen den beiden Charakteren, die durch die spärliche Beleuchtung des Autos noch intensiver wirken, offenbaren ihre unterschiedlichen Welten und Gedanken. Während der Fahrt entfaltet sich ein intensives Gespräch, in dem persönliche Unsicherheiten und die Suche nach Verbindung spürbar werden. Die Landschaft, die durch das Licht des Mondes und die vorbeiziehenden Birken eine beinahe surrealistische Wirkung hat, verstärkt die melancholische und geheimnisvolle Stimmung dieser nächtlichen Begegnung.
Beklemmend, diese Finsternis. Dann kroch der Mond aus einer Wolke, ein Taler aus der Börse. Ich trat aufs Gas. Das Auto sang, als hätte es schon längst auf diese schnelle Fahrt gewartet. Dann kam der Wald, ein Dorf dahinter, wieder Wald, die Stadt, die Ebene mit ihrem Totenlicht des Mondes, und am Straßenrand stand jemand. Am Straßenrand stand jemand winkend, und ich drosselte die Fahrt: Mal sehn, wer's ist. In der Nacht, wer weiß … Hat keine langen Haare. Und im Graben liegt kein Kumpel …
Ich hielt und öffnete die Tür. Im Schein der kleinen Lampe sah ich das Gesicht, ein Mädchen, eine Frau, sehr blass und aufgeregt und fragend.
Würden Sie mich bitte …?
Wohin?
Wir werden sehen.
Wir werden sehen?
Ich konnte nicht zu Ende fragen. Das Mädchen saß im Auto. Die Tür geschlossen. Auf ihrem Schoß stand eine große Tasche. Ich sah das kurze Haar, den Stoppelschnitt, und mir gefiel der Zutritt ohne Umstand. In der Nacht da ist der Mensch nicht gern …
So allein und in der Nacht?
Ich habe keine Angst. Was soll ich machen? Der letzte Bus ist über alle Berge.
Freilich …
Freilich, dachte ich. Und: Ist der letzte wirklich über alle Berge? Hier, mitten in der Heide, in der die Essen mit den Bäumen um die Wette wachsen, fahren sie vom Morgen bis zum Morgen. Was geht's mich an!
Ich fahre bis nach C.
Ja, ja, bis C. Sie sagte es sehr nebenbei und stellte sich die Tasche vor die Beine, als sollte damit ihre dünne Auskunft angereichert werden. Bis nach C.
Wo wohnen Sie?
Sehr weit.
Na gut, sehr weit. Ich wollte nicht mehr fragen. Was ging mich ihre Heimat an, ihr Fleckchen Erde, ihre Ofenbank, die Mutter und der Vater, Mann und Kinder?
Fettglänzend war die Landschaft. Die kleinen Hügel wiegten uns. Nur einmal sagte ich noch: Mir ist, als säßen wir in einem Tiegel. Da war mir, als holte sie tief Luft und weinte.
Ja, wie in einem Tiegel, sagte sie gequält.
Nun war die Straße eben. An den Seiten Birken auf ihren scheckig weißen Beinen. Sie liefen uns entgegen. Am Himmel fuhr der Mond zurück in seine Börse. Es erlosch das Licht der Heide. Ich nahm den Fuß vom Gas.
Da sagte sie: Ich heiße Helena.
Das ist ein schöner Name.
Was nützt der schöne Name?
Ach, wissen Sie, ein schöner Name kann sehr praktisch sein … In dieser Weise wollte ich noch weiter schwadronieren. Ich hielt den Faden noch, als Helena den Kopf zur Seite legte, als wollte sie von meinen Strickereien dieser Art nichts wissen.
Sie schaute in den matten Glanz der Heide. Die Wirklichkeit um uns herum war aufgelöst in Schnüre.
Ich sagte: Ich heiße … Und ich stockte. War es nicht besser, den eigenen Namen zu verschweigen? Heißt sie denn wirklich Helena?
Na, wie denn?
Ich heiße Ilja.
Wie? Ilja? Das ist kein schöner Name, sagte sie und drehte sich erneut zur Tür.
Auf der Scheibe sprangen Lichter. Wir fuhren durch ein Dorf.
Ich beruhigte mich damit, dass ich anders heiße. Aber konnte es nicht sein, ich hieße Ilja? Ein Mädchen, von der Straße aufgehoben im Akt der Nächstenliebe, sagt dir offen ins Gesicht, dass ihr dein Name nicht gefalle. Ist das nicht reichlich …?
Ach, Ilja, ärgern Sie sich nicht, versuchte sie den heimlichen Protest in mir zu stören. Ich kenne einige mit schönen Namen, zu denen Hunde- oder Affennamen besser passten. Ein Name sagt nicht viel. Er trügt. Namen sind erfunden worden, damit die Eltern ihre Kinder auseinanderhalten können. Später, ist das Kind erwachsen, ist der Name nur noch eine Nummer. Dann ist es einerlei, ob man dich Ilja oder Siegfried ruft, ob erster, zweiter oder nullter Mann … Sie gefallen mir.
Auf den ersten Blick scheint das Agitationsstück von Friedrich Wolf nicht nur zeitlich sehr weit weg zu sein. Aber das gilt eben nur auf den ersten Blick. Denn schnell wird deutlich, dass das Thema illegale Abtreibung und die entsprechenden staatlichen Sanktionen in vielen Teilen der Welt noch immer traurige Realität sind – selbst mitten in Europa.
„Cyankali“ ist ein Agitationsstück. Es war vor allem für die Auseinandersetzung mit damals aktuellen Auseinandersetzungen mit sozialen Missständen geschrieben worden und sorgte für entsprechende Reaktionen – auch von Seiten der herrschenden Kreise. Autor Friedrich Wolf wurde sogar kurzfristig angeklagt und eingesperrt, musste aber nach einer großen Solidaritätsaktion auch von berühmten Schriftstellerkollegen schnell wieder freigelassen werden.
„Cyankali“ ist ein Agitationsstück, aber es berührt noch immer.
Zu einer Begegnung mit ungewöhnlichen Fantasy-Abenteuern laden die ersten beiden Bücher von Jens Brokhof, Jahrgang 1969, ein. Der gelernte Tischler, der seine Kindheit in der Stadt Schwerin verbrachte, in deren Umgebung er auch heute noch wohnt, hatte seine Freude am Schreiben schon vor Jahren entdeckt, als er auf der Suche nach einem neuen kreativen Hobby war. Mal sehen, wie den Newsletter-Abonnenten sein Held, der elfjährige Moritz Hein gefällt, der von allen nur Mo genannt wird. Hübsch, dass der erste Teil dieser Fantasy-Abenteuer beginnt, als Mo die Sommerferien bei seinen Großeltern verbringt. Schließlich haben wir auch hier gerade Sommerferien …
Eine Empfehlung wert sind auch die Krawitter-Abenteuer von Herbert Friedrich, deren erste Geschichte allerdings mit einem für August ungewöhnlichen Ausblick beginnt: Krawitter, Krawatter, es weihnachtet sehr.
Dort im Lande Muck, hinter den Wüsten, hinter den Städten, sagte der Hahn Krawitter den Bewohnern die Zeit an und auch, wann Ostern sei und wann Weihnachten, damit niemand die großen Feste verschlafe.
Da schliefen ohnehin viele seiner Freunde den Winter durch, die Hamster und die Murmeltiere. Die Frösche hatten sich versteckt. Und die Stare waren davongezogen wie auch Störche und Finken. Und Bienen gab es nicht mehr und auch keine Ameisen.
Einsam war es um Krawitter geworden, als er zum großen Weihnachtskrähen auf die schönste Tanne im Lande Muck flog …
Bleiben Sie ansonsten weiter vor allem schön gesund und munter und der Welt der Bücher gewogen. Die neuen Sonderangebote für den zweiten August-Newsletter sind bereits ausgesucht und zusammengestellt. Sowohl dieser als auch der dritte August-Newsletter präsentieren ausschließlich Werke von Friedrich Wolf.
In der nächsten Woche gehört dazu sein 1940 entstandenes Schauspiel „Beaumarchais oder Die Geburt des „Figaro““. Das fesselnde Drama beleuchtet die turbulente Entstehungsgeschichte des berühmten Stücks „Der tolle Tag oder Figaros Hochzeit“ von 1778. Im Zentrum steht Pierre-Augustin Caron de Beaumarchais (1732 bis 1799), der brillante Dramatiker und Abenteurer, der sich gegen die Machenschaften und Intrigen des französischen Adels behaupten muss. Hintergrund sind die politischen Spannungen und die revolutionäre Stimmung in Paris …
Die Komödie in fünf Akten „La folle journée ou Le mariage de Figaro“ ist der zweite Teil der Figaro-Trilogie von Beaumarchais und diente als Vorlage für die Oper „Le nozze di Figaro“ von Mozart und Da Ponte. Diese wurde am 1. Mai 1786 durch die Wiener Hofoper im Burgtheater uraufgeführt. Drei Jahre später begann die Große Französische Revolution …