Erneut ist der berühmte Berliner Frisörmeister Kleinekorte in diesem Newsletter vertreten – diesmal mit dem erstmals 1971 veröffentlichten Buch „Frisör Kleinekorte seift wieder ein“ von C. U. Wiesner, in denen jeder von Kleinekortes vergnüglich-satirischen Monologen mit denselben inzwischen berühmt gewordenen Sätzen beginnt: „Nehmse Platz, Herr Jeheimrat! Was gibsn Neues aufm Bau? Wieder Nachtschicht gehabt?“
In seinem erstmals 1983 erschienenen Buch „Mit Leier und Schwert. Roman um Theodor Körner“ räumt Ulrich Völkel mit Verzerrungen und Entstellungen auf, die seit dem 19. Jahrhundert das Verständnis dieses Dichters erschwert haben. Zugleich gelingt es ihm, den Lesern eine bedeutende Epoche deutscher Geschichte nahezubringen – die der antinapoleonischen Befreiungskriege.
Um nichts weniger als um ein Jahrhundertfoto geht es in dem erstmals 2001 erschienenen vierten Teil der Reihe „Die Haifischbande auf Zeitreisen“ von Jan Flieger. Wieder, diesmal schon zum vierten Mal, sind Julia und Vanessa, Long Basti und Specki von der Haifisch-Bande in „Duell mit dem Tyrannosaurus“ mit der Zeitkugel von Old Krusemann, dem alten Seebären, unterwegs. Es wird ihre vielleicht gefährlichste Reise, führt sie sie doch in das Land der Dinosaurier. Ob sie heil wieder zurückkommen?
Und damit sind wir wieder beim aktuellen Beitrag der Rubrik Fridays for Future angelangt. Jede Woche wird an dieser Stelle jeweils ein Buch vorgestellt, das im weitesten Sinne mit den Themen Klima, Umwelt und Frieden zu tun hat – also mit den ganz großen Themen der Erde und dieser Zeit. Heute präsentiert ein berühmter Schriftsteller Erinnerungen an seine Nachkriegskindheit:
Soeben erschien als Eigenproduktion von EDITION digital der Band mit Erzählungen von Klaus Möckel „Die Katze am Teich“ – und zwar sowohl als E-Book wie auch als Hörbuch: In den hier vorliegenden Erzählungen nimmt der Autor Erlebnisse seiner Nachkriegs-Kindheit zur Grundlage. So schildert er in „Die Katze“ den erbitterten Kampf eines Deserteurs mit einer streunenden, ausgehungerten Katze um ein Stück Räucherfleisch, in „Kleines Fuchs Lydia“ die wechselvolle Geschichte einer jungen Deutschrussin, die es auf der Flucht vor der Roten Armee in eine sächsische Kleinstadt verschlägt. Obwohl sie zur Geliebten des sowjetischen Kommandanten wird, bewahrt sie das nicht vor einem bedrohlichen Schicksal.
Birgt die Titelerzählung äußerste Dramatik, so greift „Kleines Fuchs Lydia“ ans Herz. Voller lustiger Überraschungen sind dagegen „Der Apfel“, wo ein Zehnjähriger mit den Tücken kämpft, einen prächtigen Apfel vom Baum zu holen, und „Wer'n mer gleich ham“, wo sich ein Schulabgänger bemüht, einen richtigen Schlosserlehrling abzugeben, obwohl er eine Fußbank braucht, um den Schraubstock zu erreichen, und eigentlich erst noch tüchtig wachsen müsste.
Diese von Tragik und Heiterkeit geprägten Geschichten eines Zeitzeugen bieten Spannung, Information und Tiefe.
Klaus Möckel, Jahrgang 1934 und Autor so bekannter Werke wie „Drei Flaschen Tokaier“; „Hoffnung für Dan“; „Die Gespielinnen des Königs“, verfügt über eine literarische Bandbreite, die ihresgleichen sucht. Ob Krimi, SF-Erzählung, historisches Abenteuer, Lyrik, packender Lebensbericht, Kinderbuch oder Satire-Spruch, Möckel versteht es, durch fantasiereiche Inhalte, gewitzten Hintersinn und immer wieder aufblitzenden Humor seine Leser zu fesseln.
In "Alpha bläst Trompete und andere Märchen“ von Hannes Hüttner, speziell in der Geschichte "Saure Gurken für Kaminke", erleben wir die Abenteuer des Zwergs Eduard Kaminke, der in einer Schokoladenfabrik in Knabberswalde lebt, aber Schokolade meidet und stattdessen scharfe Speisen bevorzugt. Eines Nachts führt sein Missgeschick dazu, dass Senf in die Pralinenmaschine gerät, woraufhin Kaminke, nachdem er ein ganzes Glas Senf verzehrt hat, zufrieden einschläft, ohne die Unordnung zu bemerken.
Saure Gurken für Kaminke
In Knabberswalde an der Knabber steht eine Schokoladenfabrik. Darin wohnt der Zwerg Eduard Kaminke. Auf dem Lagerboden, hinter den Säcken mit Kakaobohnen steht ein Blechkanister. Das ist Kaminkes Haus. Alle Wände darin sind mit Etiketts beklebt. „Prima saure Gurken“ steht auf dem einen Zettel, und auf einem anderen liest man „Kräutergabelbissen aus feinem Hering“. Das sind die Sachen, die Eduard Kaminke am liebsten isst; sie sind so scharrrrrf, dass man sie mit fünf R schreiben muss. Aus Schokolade dagegen macht sich Eduard Kaminke überhaupt nichts. Schokolade hat er einfach über.
*
Wie jeder weiß, gibt es verschiedene Zwerge. Es gibt die Bergleute unter ihnen, die nach Edelsteinen graben, wie es die Zwerge taten, bei denen Schneewittchen wohnte. Es gibt auch Zwerge, die nur Unsinn im Kopf haben - die Kobolde und Trolle. Eduard Kaminke aber ist ein Hauszwerg. Die Hauszwerge sorgen dafür, dass in dem Haus, in dem sie wohnen, alles ordentlich und sauber zugeht.
Täglich macht Eduard Kaminke seinen Rundgang durch die Fabrik. Er beginnt an der Röstmaschine. An der Röstmaschine steht Paul Prasselbohne und heizt den Kakaobohnen ein, dass ihnen die Schalen platzen.
Was sieht Eduard Kaminke heute? Die Kakaobohnen werden nicht scharf geröstet. Die Luft, die das besorgt, ist zu kalt.
Viel zu viel Wasser wird in den Bohnen bleiben, und die Schokolade schmeckt dann nicht. Eduard Kaminke wird wütend. Er sucht Paul Prasselbohne. Der steht beim Nachbarn an der Brechmaschine, wo die Kakaobohnen in kleine Stücke gebrochen und von den Schalen befreit werden. Er erklärt ihm, warum gestern der Sportverein Praline gegen die „Alten Herren“ verloren hat. Darüber vergisst er seine Maschine.
Eduard Kaminke ist klein, und Paul Prasselbohne ist groß.
Aber Eduard weiß, was zu tun ist. Er knüpft dem langen Paul den Schnürsenkel auf.
„Was ist denn das?“, sagt Paul Prasselbohne. „Nun ist mein Schuhband aufgegangen!“
Er setzt sich auf den Stuhl vor seiner Maschine und bindet den Senkel neu. Dabei fallt sein Blick auf das Thermometer. „Herrjemine!“, ruft er, „ich muss ja mehr Dampf geben!“ Und gleich darauf prasseln die Bohnen braun und spröde aus der Röstanlage. Das wird eine gute Schokolade werden!
Hochbefriedigt trollt sich der Hauszwerg Kaminke. An den Mühlen, an denen die Kakaobohnen zu feiner Kakaomasse zerrieben werden, ist alles in Ordnung. Aber was ist am Schokoladenmischer los?
Am Schokoladenmischer steht Elise Schliekerding. Sie hat gerade Schokolade nach dem Rezept von Großvater Darrelmann hergestellt. Sie hat 50 Kilo und 900 Gramm Kakaomasse abgewogen und dazu 150 Kilo und 700 Gramm Vollmilchpulver gegeben und außerdem zwei Säcke und einen kleinen Eimer voll Staubzucker daraufgeschüttet - es mussten genau 223 000 Gramm sein. Auch hat sie 74 Kilo und 800 Gramm Kakaobutter und drei geheime Zutaten in die große Mischmaschine geschüttet.
Zwei schwere runde Mühlsteine haben alles zerrieben und vermischt, was ihnen Elise Schliekerding in den Weg gelegt hat. Eduard Kaminke kostet: einfach wundervoll! Elise hat sich genau an das Rezept gehalten. Schon will Kaminke weiter. Da - die Schokoladenpumpe tropft! Auf dem Fußboden entsteht eine Schokoladenpfütze. Elise aber träumt mit offenen Augen.
Da klettert Eduard Kaminke auf die Mischmaschine und schreit aus vollem Halse: „Elise! Eine Pfütze!“
Elise schrickt zusammen. Hat da nicht jemand gewispert? Eine Pfütze? Tatsächlich. Schnell reguliert sie die Pumpe und wischt den Fußboden auf.
In der Schokoladenfabrik werden die Schokoladenpfützen einfach aufgewischt.
Oder hat einer gedacht, Elise wird sie auflecken?
Keiner von den Arbeitern der Fabrik weiß, dass es Kaminke ist, der sie auf ein Thermometer oder eine Pfütze aufmerksam macht. Kaminke ist zu klein, um beachtet zu werden. Kaminke aber kennt jeden einzelnen und weiß, worauf er achten muss.
Deswegen ist es in der Fabrik immer ordentlich und sauber, und die Schokolade aus Knabberswalde ist im ganzen Land berühmt.
„Haben Sie nicht Schokolade aus Knabberswalde?“, fragen die Leute in den Läden. „Haben Sie nicht eine Packung Knabberswalder Pralinen?“, fragt auch gerade die gute Tante Uschi. Sie will ihrer Nichte Marliese ein Geschenk mitbringen. An diese Pralinen wird man in Knabbeswalde noch lange denken.
Und warum?
Weil der Zwerg Kaminke so gern scharfe Sachen isst.
Eduard Kaminke könnte den ganzen Tag Schokolade essen, Pralinen und Milchschokolade, Nusssplitter und gefüllte Tafeln, Blätterkrokant und Weinbrandbohnen.
Das darf jeder Arbeiter in der Schokoladenfabrik. Man darf nur keine Schokolade mit nach Hause nehmen.
Aber Kaminke hat eine Vorliebe für Pfeffer und Paprika. Schokolade nimmt er nur in den Mund, um zu prüfen, wie sie schmeckt. Hinterher isst er sofort ein Radieschen, oder er trinkt einen Schluck Essig, um auf einen anderen Geschmack zu kommen.
Und darum sieht Eduard Kaminke jede Nacht in der Kantine nach, ob nicht ein Stück Harzer Käse vom Frühstück übrig geblieben ist oder ob in der Kühltruhe vielleicht ein einsamer Rollmops liegt.
In einer solchen Nacht nun, als Eduard Kaminke gerade nach Wurstzipfeln späht, da beginnen seine Augen zu leuchten. Auf dem Tisch steht ein Glas Senf!
Senf ist für Eduard Kaminke das gleiche wie für andere Leute Vanilleeis oder Schlagsahne.
Eduard nimmt das Senfglas mit. Es macht ihm Mühe, denn er hat schwer daran zu tragen. Und da geschieht es! An der Pralinenmaschine stolpert er. Er verschüttet etwas. Der Senf tropft in die Pralinen, die eigentlich darauf gewartet haben, mit leckerer Ananascreme gefüllt zu werden.
Aber Eduard achtet nicht darauf. Er, der sonst so auf Ordnung sieht, hat nur Augen für seinen Fund.
Er buckelt den Senf in sein Kanisterhaus und isst das ganze Glas leer. Dann weicht er das Etikett ab und klebt es an die Wand. „Speisesenf mit Meerrettichgeschmack“ kann man darauf lesen. Und hochbefriedigt legt sich Eduard Kaminke auf seine Matratze und schnarcht, dass die Blechwände dröhnen.
In der folgenden Leseprobe zu "Frisör Kleinekorte seift wieder ein“ von C. U. Wiesner wird der Alltag des charmanten Berliner Frisörs Kleinekorte skizziert, der sich mit seinem gewohnten Witz und einer Prise Selbstironie durch das Leben schlägt und dabei auf eine unerwartete Glückssträhne stößt. Ob es um die Neuigkeiten seiner Stammkunden, das Abenteuer des Autofahrens oder die täglichen Kuriositäten in seinem Salon geht, Kleinekorte meistert jede Situation mit einem Augenzwinkern, wobei sein neuerworbener Trabant und die Herausforderungen der Fahrschule zu den humorvollen Höhepunkten zählen.
Nehmse Platz, Herr Jeheimrat! Was gibsn Neues aufm Bau? Wieder Nachtschicht gehabt? Nee, nee, dis soll keine Anspielung auf Ihre Intimatmosphäre sein. Diese Redensart bedien ick mir nur, damit ick meine Kunden leichter ins Gespräch ziehe. Ick hab jehört, Sie waren ne Weile ins Ausland? Jott, denn wissense ja dis Neueste noch jar nicht. Hamse sich denn nicht jewundert über den kleinen schmucken Trabanten da draußen? Dis is nämich meiner. Anjemeldet hab ick mir seinerzeit bloß aus Jux und Dollerei, konnt ja nicht wissen, deß ick plötzlich inne Bärenlotterie ... nee, wo denkense hin! Kein Hauptgewinn, aber ’n paar saftige Dausender. Wie ick so schnell an den Wagen rankam? Tschuldigense, aber dis werd ich ja nicht jeden auf der Nase binden. Und nu hörnse sich doch mal endlich meine Leidensgeschichte an, Sie, da is die Mathiaspassion gar nischt gejen!
Muttern schlug die Hände übern Kopp zusammen, wie Fleischer Meuseln mit meine frisch erworbene Asphaltbeule auf Räder vor meine Ladentür vorjefahren is. Jott, gejen seine Leberwurscht kann man sagen, was man will, aber er selber is ne Seele von Mensch, und wie hätt ick denn sonst dis Fahrzeug vons Autohaus herkriegen sollen? Muttern fragte ziemlich boshaft, ob ick nu Herrn Kafforke, meinen Jehülfen, als Schofför mit Livree ausbilden lassen will. Quatsch, sag ick, jetz studier ick eigenhändig Fahrmazie, und denn lenk ick meine Jeschicke selber.
Ick also hin zur Fahrschule inne Milastraße. Erst wolltense mir ’n halbes Jahr schmoren lassen, aber denn sagtense sich wohl, wir nehmen ihm gleich ran, damit der Olle überhaupt noch was von sein Auto hat. Nur verlangtense ne Extrauntersuchung von son Autodoktor, wegen mein fortgeschrittenen Lebensabend und mein Reagenzvermögen. Nu fing der gleich mit sein autogenes Training bei mir an: Blutdruck, Schwerhörigkeit und mitn Jummihammer auf mein Rheumaknie jedroschen. Alles pikobello, sagte er, und ick kann noch hundert Jahre alt werden. Und Rot und Grün konnte ick auch aus dem Effeff unterscheiden, hab gleich wie’n Fachmann jeantwortet: Backbord und Steuerbord - is wichtig, falls Se mal ein Amphytrionfahrzeug durchs Wasser steuern.
Denn jing es inne Milastraße los. Dis olle rote Backsteinjebäude erinnerte mir mächtig an meine Schulzeit. Da roch es jenauso. Zu meinen Klassenlehrer hattense einen Herrn Erben bestimmt, son jroßer Dicker. Der hatte außer meine Wenigkeit noch Stücker zwanzig Figuren zu unterrichten, alles junge Spunde so bis Mitte vierzig, und dis nannte sich Theorie und wurde von Herrn Erben meistenteils anne Tafel jemalen. Die Pauker da ham alle ihre Spezialgebiete. Der eine lernt es die Ausländer, der andere die katholischen Nonnen, der nächste die, wo schon ne Fahrerlaubnis haben und sich noch nicht trauen. Herr Erben hatte mehr so Ungarn und die Heinis vonne Presse und mir. Inne Theorie lernt man Kühlerdruck schmieren, Reifen entlüften und die Vorfahrt beachten.
Vorfahrt is dis einfachste. Die hat nämlich immer, wer von rechts auf der Hauptstraße raufkommt und hat rechts keinen von rechts als Linksabbieger. Müssense sich mal von oben jesehn vorstellen: Die Bürschte will jetz hier rum, aber der Kamm hat Vorfahrt, weil er den Pinsel von rechts hat und weil dis Haarwasser ein Stoppschild is. Stoppschilder und Pullezisten dürfense nicht überfahren. Wenn Ihnen der Pullezist winkt oder antrillert, müssense anne Kreuzung links vorbei oder anhalten und ’n Daler bezahlen. Der Herr Erben weiß natürlich alles ville besser. Darum is er sojar Oberfahrlehrer und macht dis schon seit elf Jahren. Indem er noch nicht einen Stempel in seine Fahrerlaubnis hat, könnse mal sehn, wie jut seine Schüler sind! Ich hab ihm jesagt, er soll mir von dis Fach Theorie dispensionieren, weil ick mehr son oller Praktikant bin. Aber der Mann war so stur und sagte, alle Schüler müssen gründlich lernen, wie man sich im Straßenverkehr bewegt, von wegen die Sicherheit. Und dis einem langjährigen Fußgänger wie mir, wo schon mehr Kilometer unter die Sohlen hat wie die janze Milastraße unter die Reifen. Apropoß - werd ick man Ihren Fassongschnitt am besten runderneuern. Wer hat Ihnen denn bloß so verschnippelt? Sie waren doch nich etwa in die PeJeHa Wellenreiter? Also, wie ich die theoretische Prüfung bestanden habe, hat Herrn Erben beinah noch mehr jewundert als wie mir, aber nu kam der joldene Baum der Praxis.
Sindse schon mal Auto jefahren? Nee? Im Jrunde jenommen is es so ähnlich wie Haarschneiden. Ich will mal sagen, der Stecker hier is die Zündung, nu hau ick den ersten Jang rein, und schon läuftse. Aber nu hat ja ne Haarschneidemaschine keine Fußpendale. Also tret ick dazu auf die Kupplung von den Rasierstuhl, und Sie jehn langsam hoch, jenauso wie Herr Erben, wenn er mir schulen musste. Nu kann ick leider den Stuhl nicht auf die Straße rausfahren, sonst würd ick Ihnen mal zeigen, wie schwierig dis inne Praxis mit die Vorfahrt is. Mal anjenommen, Herr Kafforke isn Lastauto, und ich will ihm überholen. Bleibense doch mal stehn, Herr Kafforke, Sie sehn doch, deß ich blinke! So, nu Jas und vorbei! Komisch, hier in meinen Salong wirkt dis alles so einfach, und draußen auf Straße ... Sie müssen ebent zu ville Dinge auf einmal beachten. Autofahren dis is etwa so, als ob ick Ihnen rasiere, im Spiegel Herrn Kafforke beobachte und gleichzeitig Klavier spiele, trotzdem ick keine Noten kann. Und denn quasselt Ihnen der Fahrlehrer immer noch mang zwischen und blökt Ihnen an wie mein Unteroffizier im ersten Weltkriech.
Nu hatt ick außer meine achtzehn Pflichtstunden schon Stücker zwanzig Kürstunden aus die Ladenkasse bezahlt, und Muttern nahm mir als Mann schon jar nicht mehr für voll. Da sagte ick zu Herrn Erben: Jetzt oder nie! Jut, sagte er, in letzter Zeit hats ja jegangen. Auf Ihre Verantwortung werd ich Ihnen zur Prüfung zulassen. Den Rest könnse sich denken. Jut, mir sind ’n paar kleine Schwupper passiert: bei Rot jradeaus über die Kreuzung, bloß weil ick zügig fahren wollte und zufällig kein Gejenüberverkehr war; Ecke Frankfurter ’n Bordstein überrollt, aber der is heil jeblieben. Und wenn ick von die olle Frau mits Fahrrad absehe, wo Herr Erben noch rechtzeitig auf seine eigene Bremse jetrampelt hat, bin ick für meine Bejriffe jefahren wie’n Fürst. Aber was wollnse machen? Der Prüfpullezist durfte mir villeicht jar nicht bestehn lassen, weil ick die nicht pullitisch jenug und immer noch selbstständig bin. Komisch, seit ick da durchjerasselt bin, sind mir alle Autofahrer richtigjehend unsümpathisch. Aber einen Vorteil hat die Chose: Ick kann wenigstens saufen, wann und wo es mir passt. Wollnse nicht meinen Trabant kaufen? Ick bin so sauer auf dis Viehekel, deß ick ihm sojar zum Taxipreis abjebe.
In der folgenden Leseprobe zu "Mit Leier und Schwert", einem Roman von Ulrich Völkel, begleiten wir Theodor Körner, einen jungen Dichter und Freiheitskämpfer, während eines aufregenden Abends im Theater. An diesem besonderen Abend, gefüllt mit Nervosität und der Hoffnung auf Erfolg, erlebt Körner die Premiere seines Stücks, umgeben von Freunden und Bekannten in Wien. Die Spannung steigt, als der Vorhang sich hebt und das Stück beginnt, das Publikum mit seinem Charme und Witz zu fesseln, was Körner und seinen Freund Karl tief berührt und überrascht.
Je mehr sich der Zuschauerraum füllte, desto nervöser wurde Körner. Karl gelang es schließlich, ihn abzulenken. Er fragte ständig nach irgendwelchen Personen, die ihre Plätze einnahmen, als kenne Körner halb Wien. Oder er machte ihn auf besonders reizvolle Damen aufmerksam.
Viele Bekannte waren nicht gekommen. Aber das lag wohl daran, dass Premierenbesucher ohnehin eine besondere Art von Publikum sind.
Als Theodor die Familie Pereira entdeckte, von Marianne begleitet, wäre er am liebsten hingelaufen. Sein Winken erwiderte sie mit einem verstohlenen Nicken.
Das Haus war trotz des für eine Premiere ungewöhnlichen Wochentages gut gefüllt, denn es hatte sich herumgesprochen, dass Toni genesen war und am Abend zum ersten Mal wieder auftreten würde.
Als sich der Vorhang öffnete, wurde ein Zimmer sichtbar, in der Mitte ein Tisch, an dem Marie und Pauline saßen und stickten und dabei munter plauderten.
„Ei, leugn’ es nur nicht mehr, warum willst du dich zieren? Der grüne Domino schien dich zu intressieren. Das hab ich wohl gemerkt“, sagte Pauline mit gutmütiger List.
Marie hob abwehrend die Hände. „Wenn ich dir sage, nein!“ Da brandete bereits der erste Beifall auf.
Körner sah sich überrascht um, fast erschrocken. „Toni!“, wurde gerufen und „Netti!“ und „Bravo!“.
Das Spiel wurde mit dem neckischen Streit der beiden Freundinnen fortgesetzt. Das Publikum quittierte fast jede muntere Replik mit Anerkennung und Szenenbeifall.
Körners Verblüffung wich allmählich. Schließlich kannte er das aufgeräumte Wiener Publikum und dessen Freude an guter Unterhaltung. „Gib’s zu, sie spielen großartig!“, flüsterte er dem Freund zu, dem man es ansah, dass er sich über den Erfolg Körners freute, wenn er auch nicht begriff, woher das Gaudium eigentlich kam. Als Marie am Ende des Auftritts die Szene verließ, rief sie der Beifall des Publikums zurück.
Und als sich der Vorhang wieder hob und Marie schließlich, allein mit ihren Hoffnungen und Zweifeln, zur Gitarre griff und ein kleines Liedchen mit ihrer schönen, reinen Stimme sang, da war der Dichter selbst zu Tränen gerührt über den Zauber, der von der Bühne her das Publikum ergriff.
In der folgenden Leseprobe zu "Duell mit dem Tyrannosaurus" von Jan Flieger begleiten wir eine Gruppe mutiger Freunde auf einer abenteuerlichen Flucht vor einem Tyrannosaurus. Die Spannung steigt, als der gefährliche Dinosaurier, zu ihrer Überraschung, anfängt, durch das Wasser auf sie zuzugehen. Unter Einsatz all ihrer Kräfte versuchen die Kinder, auf ihrem notdürftigen Floß der drohenden Gefahr zu entkommen, während sie sich gleichzeitig gegen weitere unerwartete Herausforderungen wehren müssen.
"Das war knapp", keucht Specki.
Aber da steigt der Tyrannosaurus in den Strom.
"Der kann ja schwimmen!", ruft Julia entsetzt. "Der läuft nur im Wasser", stellt Long Basti fest. "Hoffentlich wird es bald zu tief für ihn." Specki schüttelt den Kopf. "Ich glaube, der Typ kann schwimmen. Echt."
"Na toll", murmelt Vanessa. "Und das sagst du erst jetzt!"
Der Tyrannosaurus stapft tiefer ins Wasser hinein, mit schlenkernden Bewegungen seines Schwanzes.
"Gegen den ist ein Krokodil ein Schoßhund", flüstert Julia.
"Wir sind auf dem Stamm schneller!", jubelt Specki.
Die Freunde sehen ihn zweifelnd an, denn der Abstand zwischen ihrem Stamm und dem Tyranno verringert sich langsam, aber eindeutig. "Paddeln!", schreit Specki. "Paddeln! Paddeln! Wie die Weltmeister!"
Die scharfen, schnaubenden Atemzüge des Tyrannosaurus kommen näher und näher. Er öffnet den Rachen und stößt ein gewaltiges, drohendes Brüllen aus.
Sie haben die Flussmitte erreicht und schneller und schneller gleitet der Stamm nun davon.
"Ade, sicheres Baumhaus", murmelt Julia. "Das finden wir nie wieder!"
"Schiff ahoi!", jubelt Vanessa, als der Tyrannosaurus hinter ihnen zurückbleibt. Ein leichter Wind zaust in ihren Haaren. Still gleiten geheimnisvolle Wälder am Ufer vorbei.
"Mann, sind wir schnell", ruft Specki aus. "Aber wir müssen wieder ans Ufer, sonst kriegen wir nie ein Foto von Mister Gnadenlos. Wir müssen aus der Strömung raus!"
Entwurzelte Fichten liegen im Wasser, denen sie mit ihrem Stamm immer wieder ausweichen müssen.
"Achtung!", ruft Long Basti, als ein borkiger Stamm vor ihnen auftaucht. "Paddel rein! Wir dürfen nicht hängen bleiben." Verzweifelt versuchen sie ihren Stamm mit den Paddeln zu steuern. Und sie schaffen es, wenn auch nur im letzten Augenblick und nass von Schweiß und Spritzwasser.
Da weist Julia auf den Stamm, der im Wasser treibt. Der Stamm hat zwei Augen und ist kein Stamm, sondern ein Krokodil! Unwillkürlich ziehen die vier ihre Beine an. Aber das Krokodil ist abgelenkt. Es dreht sich um und starrt zum Ufer.
"Mister Gnadenlos!", ruft Long Basti. Und wirklich: Der riesige Tyrannosaurus folgt ihnen am Ufer! Vanessa will nach ihrem Fotoapparat greifen.
"Achtung! Untiefen! Nach rechts paddeln", warnt Specki. In der geriffelten Wasseroberfläche sind Wirbel zu erkennen. Wild paddeln sie, doch der schwere Stamm gehorcht seinen Reitern nur ungern. Die vier bekommen rote Köpfe vor Anstrengung, aber sie können den Untiefen ausweichen.
In der folgenden Leseprobe zu "Die Katze am Teich" von Klaus Möckel tauchen wir ein in die Zeit nach dem Krieg, als die Bewohner eines kleinen Ortes mit den neuen sowjetischen Besatzern konfrontiert werden. Die Kinder, neugierig und unerschrocken, ahmen die singenden Soldaten nach und lernen schnell, von ihnen Lebensmittel zu erbetteln, während die Erwachsenen mit den Herausforderungen des Alltags und der Besatzung ringen. In dieser Atmosphäre der Unsicherheit und des Wandels versucht Lydia, eine Rolle für sich und ihre Mutter in der neuen Ordnung zu finden.
Wenn die Amerikaner durch ihre Jeeps aufgefallen waren, so die Russen durch ihre marschierenden und singenden Soldaten. Von Lydia wusste Siegmund, dass es gar nicht alles Russen waren, sondern Angehörige vieler verschiedener Völker des riesigen Sowjetlandes, das von Europa bis nach Asien reichte: Kirgisen, Tataren, Georgier, Ukrainer und andere – der Junge konnte sich die Namen gar nicht alle merken.
Die Kinder im Ort merkten bald, dass diese Fronttruppen ihnen nichts taten. So marschierten die Frechsten hinter den Singenden her, lachten, wenn der Vorsänger lauttönend loslegte, und ahmten die russischen Refrains nach: „Mogutschaja, rodimaja strana nepobedimaja“, schmetterten sie, ohne die deutsche Entsprechung „Mein mächtiges, unbesiegbares Heimatland!“ zu kennen. Und nochmal und nochmal: „Mogutschaja, rodimaja …“
Viele Kinder bettelten bei den Russen auch um Lebensmittel, denn die waren knapp geworden. Sie lernten die Wörter „chleb“, „maslo“, „salo“ oder „sup“ auswendig (Brot, Butter, Speck, Suppe), und um die Mittagszeit fanden sich am Gartentor der Grün-Villa ganze Scharen von ihnen mit Blechtöpfen und Kochgeschirren ein. Sie warteten darauf, dass für sie etwas abfiel. Meist blieb auch Suppe übrig, und einige Kinder wurden hereingelassen. Sie bekamen eine Kelle voll ab, der Rest aber ging leer aus, und da sie nicht hungrig weggehen wollten, riefen sie erneut ihr „Sup, sup!“
Den Männern wurde das zu viel; einer schlug auf einen leeren Topf: „Nix Sup. Sup aus, dawai, dawai!“ Manchmal freilich half auch das nicht. Dann schnappte sich der Soldat einige Kinder, nahm ihnen die Kochgeschirre ab und warf sie in den vorbeifließenden Trödelbach. Heulend und schimpfend rannten die Betroffenen ihrem Besitz hinterher, wateten ins Wasser und fischten die Behältnisse wieder heraus.
Zu Hause war die Stimmung gedrückt. Der Vater hatte seine Arbeit beim Bauern verloren, konnte kein Essen mehr nach Hause bringen. Vor allem aber stand immer deutlicher die Frage, was mit den beiden Frauen geschehen würde.
„Warten macht kaputt“, sagte Lydia, „ich geh zu Kommandant mich melden. Brauchen bestimmt Dolmetsch oder Küchenhilfe.“
„Das ist gefährlich, das tust du auf keinen Fall“, beschwor Hulda sie.
„Werden uns sowieso finden.“
„Vielleicht nicht“, mischte sich die Mama ein. „Die haben im Augenblick anderes zu tun.“
Doch daran glaubte Lydia nicht, sie hielt es nicht länger aus und ging zur Grün-Villa, um nach Arbeit zu fragen. Schließlich musste man, um leben und sich ernähren zu können, irgendetwas tun.
Was Lydia in der Kommandantur über ihre und Huldas Flucht nach Deutschland erzählt und wie sie die begründet hatte, erfuhren die Winklers nicht. Wahrscheinlich hatte sie die Ehe mit dem deutschen Offizier verschwiegen und vorgegeben, von der SS zum Mitkommen gezwungen worden zu sein. Ihr „armes Deutschland, kleines Fuchs“ hatte sie dort bestimmt nicht von sich gegeben.
Lydia bekam eine Arbeit in der Küche, und auch Hulda wurde eingestellt – als Putze. Aber die junge Frau, die dort ohne Zweifel den nicht gerade abwechslungsreichen Alltag der Offiziere durch ihre Anwesenheit belebte, rückte bald auf. „Bin für Essenkochen nicht gemacht“, sagte sie schon nach wenigen Tagen zu Mama, „kann sein besser Dolmetsch und schreiben auf Maschine.“
„Verstehst du dich denn aufs Maschineschreiben? Hast das nie erwähnt.“
„Will lernen. Tipp, tipp, tipp mit zwei Finger.“
Zwei Wochen später schon zogen die Frauen bei Oma aus. Sie bekamen eine Wohnung am anderen Ende des Ortes. „Requiriert für die Rote Armee“, erklärte Hulda der Oma, die ein bisschen traurig war, dass die beiden weggingen. Wo die früheren Mieter der neuen Unterkunft geblieben waren, wussten die Frauen nicht.
Und wie hat Ihnen die Geschichten mit dem Elefant gefallen, der Heimweh hatte? Wahrscheinlich haben Ihnen aber auch die anderen drei lustigen Geschichten von Hannes Hüttner viel Spaß gemacht. Auf jeden Fall ist es auch heute noch ein Vergnügen, die Bücher dieses Autors zu lesen, der nicht zuletzt oder zuerst durch seine mehr als 30 Kinderbücher bekannt wurde. Das allerbekannteste dürfte wohl auch heute noch „Bei der Feuerwehr wird der Kaffee kalt“ sein. Aber Hüttner, der unter anderem Chefreporter der zu DDR-Zeiten sehr beliebten „Wochenpost“ war, hatte auch verschiedene Sachbücher und mehrere Filmszenarien verfasst: „Dr. med. Sommer II“ (1970), „Es ist eine alte Geschichte“ (1973), „Die Flucht“ (1977) und „Nach Nizza“ (1991).
Ziemlich spannend ist auch, was Hüttner einmal über sich selbst geschrieben hatte. Da war Folgendes zu lesen: „Aus Lebensläufen erfährt man nicht viel, der eine hat einen schwarzen Bart, kann Rohre verlegen und Gras mähen, der andere ist ein alberner Kerl, der gerne Schmetterlingen nachrennt und stundenlang aufs Wasser schaut, und doch sind sie ein und derselbe Mensch.“ So vielseitig und bunt sah Hannes Hüttner seinen Lebensweg, der 1932 in Zwickau begann und 2014 in Berlin endete.
Für Vergnügen sorgen dürften aber auch die Monologe des berühmten Berliner Frisörmeisters Kleinekorte, die sich C.U. Wiesner ausgedacht hat. Allerdings gab es für diese Figur ein reales Vorbild, wie der Autor einmal berichtet hat. Der echte Kleinekorte, also Kowalczik, hat nach Auskunft von C.U. Wiesner wohl nie erfahren, zu welcher Berühmtheit er es - wenn auch indirekt - gebracht hatte. Was hätte er gesagt, wenn er es doch erfahren hätte. Vielleicht: „Nehmse Platz, Herr Jeheimrat! Was gibsn Neues aufm Bau? Wieder Nachtschicht gehabt?“
Bleiben Sie ansonsten weiter vor allem schön gesund und munter und der Welt der Bücher gewogen. Die neue Post aus Pinnow ist schon vorbereitet.
In der nächsten Woche stehen auch drei weitere Titel von Ulrich Völkel zur Auswahl, darunter die erstmals 1999 veröffentlichte Erzählung „Daheim in meinem fremden Land“. Darin geht es um einen jungen Arbeiter, den der gesellschaftliche Umbruch besonders abrupt trifft.