In „Bruder Martinus“ erzählt Hans Bentzien aus dem Leben von Martin Luther.
„Der Geist des Hauses“ – so lautet der Titel eines ungewöhnlichen Krimis von Jan Eik, eines „Friedrichstadtpalastkrimis“.
Und wieder einmal schickt Hardy Manthey seine Aphrodite auf Zeitreisen – diesmal nach „Mexico Yucatan: Die Suche nach dem letzten Sender“.
Räumlich und zeitlich nicht ganz so weit entfernt begeben sich Rainer Paskowsky und Dietrich Biewald mit ihrem Band „Truppenaufklärer in der 8. MSD der NVA der DDR“. Und nun aber gleich zum ersten Angebot des heutigen Newsletters.
Erstmals 1951 erschien im Alfred Holz Verlag Berlin „Der Hasenhirt. Einem deutschen Volksmärchen in Versen nacherzählt“ von Erwin Johannes Bach: „Der Hasenhirt“, von dem Dichter und Komponisten Erwin Johannes Bach trefflich in Verse gesetzt, stellt eine Variante des bekannten Volksmärchens dar. Ein König verspricht demjenigen seine Tochter, der ihr einen goldenen Ring und damit die Lebensfreude zurückbringt. Doch als die Tat einem einfachen Hirten gelingt, bereut der Hohe Herr seine Zusage. Bevor der Jüngling die Braut gewinnt, soll er nun erst noch tagelang hundert Hasen hüten. Falls ihm nur einer davon entkommt, würde das seinen Kopf kosten. Rat tut not, aber zu seinem Glück besitzt der Bursche eine Wunderpfeife, die alle Hasen beisammen hält. Da nützt es auch nichts, wenn die Prinzessin, die Königin und zuletzt der König selbst, als Bauersleute verkleidet, schmachvolle Handlungen in Kauf nehmen, um ihm wenigstens eins der Tiere abzuluchsen. Mit bissigem Humor werden die Wortbrecher bloßgestellt. Die Gerechtigkeit siegt, Gewitztheit und Mut triumphieren über hinterhältiges Ränkespiel. Diese zeitverhaftet-zeitlose Geschichte ist eine poetische Kostbarkeit. Und so klingt ihr Anfang:
„Vor vielen Jahren ...
... und vielen Tagen
Hat Folgendes sich zugetragen –
Und es beginnt, wie überall,
Das Märchen mit: Es war einmal ...
Es war einmal ein alter König,
Der liebt sein Töchterlein nicht wenig,
Verwahrte die Prinzessin klug,
Kein Freier war ihm gut genug.
Viel Prinzen waren schon gekommen,
Die sie zu fein sich vorgenommen;
Dieweil jedoch, wie schon gesagt,
Kein einziger ihm ganz behagt,
In allen Stücken ihm genügt,
Hat er sie alle weggeschickt.
Zwar ist's schon häufig so gewesen,
In andren Märchen auch zu lesen,
Doch was ihr hier des weitren hört,
Ist ganz besonders hörenswert.
Der König, der sein Töchterlein
In jeder Hinsicht wollt erfreun,
Hält prächtig sie in Schmuck und Ehren
Und kann ihr keinen Wunsch verwehren.
Er baute ihr ein Kämmerlein
Aus Gold und aus Karfunkelstein;
Der größte Künstler aus dem Reich
Erschuf ihr einen Silberteich,
Ein Schwimmbassin mit goldnen Kanten,
Der Kies der Wege Diamanten,
Und war ein Hain von Zaubererlen,
Drauf wuchsen Edelstein und Perlen;
Ein Apfelbaum stand an der Pforte,
Statt Früchten trug er Apfeltorte,
Und Sträucher gab es, die wie Schlehen
Von weitem waren anzusehen –
Wer näher trat, bemerkte flugs:
Statt Blüten hier Schlagsahne wuchs;
Doch der Prinzessin schönstes Ding
War ein rotgüldner Fingerring.
Braucht ihn am Finger nur zu drehen,
Musst alles in Erfüllung gehen,
Was sie sich wünschte weit und breit
An Spiel und Lust und Herrlichkeit.
Doch war es grade dies Geschmeid,
Von dem ihr kam das Herzeleid.
Als sie zum Bad sich ausgezogen,
Kam eine Ente angeflogen,
Die hat das Ringlein sich genommen,
Ist mit dem Ringlein fortgeschwommen;
so sehr das Königskind auch ruft,
die Ente hebt sich in die Luft.
Und ach, des güldnen Rings Verschwinden
Konnt die Prinzessin nicht verwinden;
Sie grämte sich viel Tage lang
Und ward am Ende schrecklich krank.
Sie härmte sich ohn Unterlass
Und wurde bleich und wurde blass,
Sie weint und trauert alle Stunden,
Jedoch der Ring, er blieb verschwunden.
Sie wünschte sich ins kühle Grab
Und magerte beträchtlich ab;
Schon ist der Augen Glanz gewichen,
Ihr goldnes Haar ist ganz verblichen,
Kein Lächeln schönt mehr ihre Wangen,
Seitdem der Ring verlorn gegangen,
Sie spricht kein einzig fröhlich Wort
Und härmt und sehnt sich immerfort.
Dem König, der sein Kindlein sah,
Ging dessen Unglück wirklich nah;
Sein Töchterlein, sein Königskind,
Wie schafft man ihm den Ring geschwind!
Denn ohn ihr Ringlein offenbar
Kommt bald sie auf die Totenbahr.
Man mühte sich, sie zu zerstreuen
Und anderweitig zu erfreuen,
Jedoch im ganzen Königreich
Nichts kam dem goldnen Ringlein gleich.
Das Königskind ward kränker immer,
Die Magerkeit ward immer schlimmer.
Jedoch der Menschheit Leid und Blässe
Regt auch der Wissenschaft Interesse,
Die jederzeit, des Irrtums bar,
Die letzten Gründe legt uns dar.
Drum, als die Ärzte all befragt,
Weshalb das Unglück an ihr nagt,
Da ward die Sache sonnenklar,
Und taten sie aus einem Mund
Dem Könige zu wissen kund:
Vonnöten ist des Ringleins Fund,
Ohn Ringlein wird sie nicht gesund. – „
Erstmals 1983 veröffentlichte der Kinderbuchverlag Berlin „Bruder Martinus. Doktor Martin Luthers Leben und Werke in seinen jungen Jahren mit vielen Zeugnissen von ihm und seinen Zeitgenossen, Freunden und Feinden“ von Hans Bentzien: Ich bin ein Bauernsohn, der Urgroßvater, mein Großvater, der Vater sind richtige Bauern gewesen. Ich hätte eigentlich, wie jener sagte, ein Vorsteher, ein Schultheiß und was sie sonst im Dorf haben, irgendein oberer Knecht über die anderen werden müssen. Danach ist mein Vater nach Mansfeld gezogen und dort ein Berghäuer geworden. Dorther bin ich. So erzählt Martin Luther von seiner Herkunft. Wie aus dem Sohn eines Bauern und Berghäuers der Mönch Bruder Martinus wurde, der es wagte, der allmächtigen und unermesslich reichen römisch-katholischen Kirche den Kampf anzusagen, davon berichtet Hans Bentzien in diesem Buch. Zeitgenossen Martin Luthers kommen zu Wort – Freunde und Feinde –, es entsteht das Bild einer kraftvollen, mitreißenden und unbestechlichen Persönlichkeit voller Leidenschaft und Charakter, Vielseitigkeit und Gelehrsamkeit. Luther war einer von ihnen. Als er gegen die mächtigste Feudalmacht und gegen die höchste kirchliche Autorität, den Papst, antrat und eine Reform der Kirche forderte, gab er – in seiner Tragweite ihm selbst nicht bewusst – das Signal zu einer breiten antifeudalen Bewegung, zu Reformation und Bauernkrieg: zur ersten bürgerlichen Revolution in Deutschland. Auch die höchste weltliche Autorität, der Kaiser, stellte sich gegen ihn, und obwohl Luther wusste, dass sein Leben in Gefahr war, setzte er mit Mut und Standhaftigkeit seinen Kampf fort und wurde zu einem über Jahrhunderte unvergessenen Vorbild all jener, die für Freiheit und gesellschaftlichen Fortschritt streiten. Hier ein Auszug aus dem spannenden Buch, in dem über einen Aufenthalt an der Elbe berichtet wird:
„Hier in Magdeburg lernte Martin Menschen kennen, die Geld und Gut nicht wichtig nahmen, aber sich um ein zufriedenes Leben bemühten, das sie im Dienst an anderen Menschen fanden. In der italienischen Stadt Assisi hatte sich am Anfang des 13. Jahrhunderts der reiche Kaufmannssohn Franz entschlossen, seinem Hab und Gut zu entsagen und an Bedürftigen Dienst zu tun. Er und seine Anhänger lebten ganz anspruchslos, meistens als Krankenpfleger. Sie gründeten Spitäler und wuschen die Wunden der Kranken. Das war die Absage an eine Welt, in der Reichtum zur Schau gestellt wurde, in der Prunk und Spiele der Reichen ohne Rücksicht auf die Lage der Ärmsten große Summen verschlangen.
Einen solchen Anhänger der Lehre Franziskus’ lernte Martin in Magdeburg kennen, und dieser Mann mag auf ihn wohl einen tiefen Eindruck gemacht haben. Es war schon ein alter und gebrechlicher Mann, der da durch die Magdeburger Straßen zog und bettelte, ein ehemaliger Fürst, Wilhelm von Anhalt, der seine Besitztümer verlassen hatte und in den Franziskanerorden eingetreten war. Ihm diente er nun als Mönch. Bettelnd sammelte er Brot und Geld in einen Sack, den er auf seinem krummen Rücken trug. Er klagte nicht über das karge Leben, er war zufrieden mit seinem Dienst an den Armen, denen er das gesammelte Geld und das Brot gab und für sich selbst nur das Nötigste behielt. Unter den vielen Orden der Kirche war der Franziskanerorden eine Ausnahme. Gewiss hatten auch alle anderen ihre Besonderheit, aber sie waren sich doch sehr ähnlich, denn sie hatten die gemeinsame Aufgabe, die Macht der Kirche zu stärken und ihren Reichtum zu mehren.
Die Kirche war der größte Grundbesitzer des Mittelalters. Wie die Gutsherren Steuern und Abgaben von den Bauern verlangten, so auch die Kirche, und der Zehnte kam noch dazu. Obgleich sie sehr reich war, langte das Geld nie, denn die vielen Bischöfe und Erzbischöfe, die Äbte, Priore und Prälaten hatten es sich angewöhnt, genau so üppig zu leben wie die weltlichen Feudalherren. Das rief den Hass des Volkes auf die Pfaffen hervor. Sie predigten ein bescheidenes Leben, hielten sich aber nicht daran. Anders stand es mit den Predigern in den Dörfern. Diese kamen aus den niederen Schichten, wurden am schlechtesten von der Kirche bezahlt und standen dem einfachen Volk am nächsten, kannten seine Sorgen und Armut, und oft genug ergriffen sie die Partei der Bauern und lieferten ihnen die Argumente im Kampf gegen den Adel. Viele von ihnen wurden verbrannt oder hingerichtet. Die Bauern wussten wohl zu unterscheiden zwischen denen, die für sie eintraten, und den Schindern und Schröpfern.
„Wie über den Fürsten und dem Adel der Kaiser, so stand über den hohen und niederen Pfaffen der Papst. Wie dem Kaiser der ,gemeine Pfennig‘, die Reichssteuern, bezahlt wurden, so dem Papst die allgemeinen Kirchensteuern, aus denen er den Luxus am römischen Hofe bestritt. In keinem Lande wurden diese Kirchensteuern - dank der Macht und Zahl der Pfaffen - mit größerer Gewissenhaftigkeit und Strenge eingetrieben als in Deutschland ... Mit den steigenden Bedürfnissen wurden dann neue Mittel zur Beschaffung des Geldes erfunden: Handel mit Reliquien, Ablass- und Jubelgelder usw. Große Summen wanderten so alljährlich aus Deutschland nach Rom, und der hierdurch vermehrte Druck steigerte nicht nur den Pfaffenhass, er erregte auch das Nationalgefühl, besonders des Adels, des damals nationalsten Standes.“ So beschrieb Friedrich Engels die Kirche am Ausgang des Mittelalters.
Vor der Erfindung des Buchdrucks hatte die Kirche das alleinige Vorrecht des Wissens, hatte ihre Mönche, die lesen und schreiben konnten, und solche, die eine höhere Ausbildung hatten. Überall saßen sie in den Ämtern und beeinflussten auch die weltlichen Behörden an den Höfen. Neuerdings kamen Juristen, die weltlicher Herkunft waren und den Bedürfnissen der Handelsbourgeoisie dienten, von den Universitäten. Allmählich drangen sie auch in die Ämter der Städte und Höfe vor. So merkte man, dass die Kirche überflüssig werden konnte, man brauchte sie nicht unbedingt. Allerdings waren das alles nur Anzeichen, noch war sie mächtig, die straff geleitete Kirche, und dank der Ehelosigkeit ihrer Priester war ihr Besitz, den sie erwarb, erpresste und eintrieb, unteilbar, ein unermesslicher Reichtum.
Martins Aufenthalt in Magdeburg dauerte nur ein Jahr, da beschlossen seine Eltern, den Jungen zu einer Tante der Mutter nach Eisenach zu geben. Deren Mann war der Küster der Nikolaikirche, Konrad Hutter. Die Eheleute nahmen ihn zwar anfänglich auf, konnten ihm aber für die Dauer kein Freiquartier geben. So musste er in den für arme Schüler eingerichteten Kammern in einer Schule oder einem Spital übernachten. Das Essen erbettelte er sich wie in Magdeburg durch Singen. Dabei fiel er der Frau des reichen Kaufmanns Heinrich Schalbe auf, die ihn zum Essen an ihren Tisch holte. Dafür musste er den kleineren Sohn beaufsichtigen und auch seine Schularbeiten kontrollieren. Das war eine Kleinigkeit für den Martin, und so hatte er, nachdem seine Verpflegungssorgen vorbei waren, mehr Zeit zum Lernen. Gewohnt hat er wahrscheinlich im Hause der Familie Cotta, die Ehefrau Ursula war mit den Schalbes verwandt. Das als Cottasches Haus bezeichnete schöne Gebäude in Eisenach ist heute ein Luthermuseum.
In Eisenach war er bei guten Lehrern, bei Johann Trebonius und Wiegand Güldennapf. Unter ihrer freundlichen Obhut lernte er gern. Er war schließlich so gut in Latein, dass Trebonius ihm nichts mehr beibringen konnte und seinem Vater vorschlug, ihn auf eine Universität zu schicken. Leipzig lag nahe, und auch Erfurt war von Mansfeld nicht schwer zu erreichen. Der gute Ruf der Erfurter Universität, an der bekannte Humanisten lehrten, gab schließlich den Ausschlag. Der Vater, nun schon nicht mehr verschuldet, gab seine Einwilligung und kam für den Unterhalt des jungen Studenten Martin auf. Ende April 1501 wurde er als Martinus ludher ex mansfeld in die Liste der Universität Erfurt eingeschrieben.“
Erstmals 1998 erschien bei Ullstein „Der Geist des Hauses“ von Jan Eik – „Ein Friedrichstadtpalastkrimi“: Berlin, Mitte der Neunziger: Der berühmte Friedrichstadtpalast zeigt aus Geldmangel seine vermutlich letzte Revue. Anlass genug für den Journalisten Pingel, eine große Story über Tradition und Geist des Hauses zu schreiben. Als er der ehemaligen Primaballerina Jimena begegnet, werden böse Erinnerungen in ihm wach und wie schon vor zwanzig Jahren, scheint die Tänzerin wieder in seltsame Todesfälle verwickelt zu sein. Als wir dem Journalisten das erste Mal begegnen, scheint es ihm nicht gerade gut zu gehen:
„Conrad Pingel fühlte sich unzufrieden. Irgendwas lief schief in dieser Nacht. Dabei war das Programm unterhaltsam und die Stimmung besser als dem Anlass angemessen. Von seinem Balkontischchen hatte er die beste Sicht auf die kleine Bühne, die Beine der Girls und auf die Damen im Publikum. Einige davon boten einen durchaus erfreulichen Anblick. Zumindest aus der Entfernung. Sehr blond, sehr schlank und sehr elegant gekleidet. In dieser Umgebung war das kein ungewöhnliches Markenzeichen. Ihm fiel die einzige brünette Schönheit auf, die neben einem beinahe ebenso schönen jungen Mann in der ersten Tischreihe saß. Wahrscheinlich Tänzer aus der Großen Revue.
Pingel konnte sich ganz ungestört seinen Beobachtungen widmen. Die Serviererin belästigte den unauffälligen Gast ohne Schlips nicht mehr, seit er den zweiten Pfirsichsaft bestellt hatte. Nicht einmal seine Begleiterin lenkte ihn ab. Meike hatte sich rechtzeitig vor Schluss der vorläufig letzten Premiere in der Kleinen Revue des großen Berliner Friedrichstadtpalastes in das zu erwartende Getümmel der Premierenfeier gestürzt. Wenn er Glück hatte, zog sich der Trubel bis in die frühen Morgenstunden hin. Conrad Pingel bereute sein leichtfertiges Versprechen, sie als Dank für die Einladung nach Hause zu fahren. Er fühlte sich jetzt schon schläfrig. Wahrscheinlich rührte seine Verstimmung daher, dass er sich nur allzu gut an eine ähnliche Premierenfeier erinnerte, die zwanzig Jahre zurücklag. Zu viert hatten sie an ebenso einem Ecktisch gesessen, oder vielmehr anfangs zu dritt - Merten, seine Ex-Frau und er. Mertens damalige Flamme spielte eine Rolle in dem Revueprogramm und war später direkt vom Podium zu ihnen an den Tisch gekommen. Erhitzt und aufgedreht wie ein Hubschrauber. Was mochte aus ihr geworden sein? Seit Mertens Verschwinden hatte er nie wieder etwas von ihr gehört. Die letzte Nachricht von seiner Ex-Frau hingegen stammte aus Rupolding und informierte ihn über ein weiteres Studienjahr des gemeinsamen Sohns. Damals schien die Welt noch in Ordnung. Er verdiente ganz gut mit der Schreiberei. Seine Ehe verlief ohne Probleme. Merten hatte den Job im Friedrichstadtpalast gefunden, eine neue Liebe war erblüht.
Natürlich stimmte das nicht. Zwischen Merten und der Soubrette hatte irgendeine Missstimmung geherrscht, und zwischen ihm und seiner Frau Doktor hatte es nicht besser ausgesehen. Nicht mal über die beschissene Situation im Lande durften er und Merten ungestört herziehen. Frau Doktor wusste es ständig besser. Nur Mertens Herkunft aus dem sozialistischen Hochadel hatte die promovierte Philosophin daran gehindert, eine Grundsatzdiskussion zu entfachen.
Melancholisch sah er über die Brüstung. Im Parkett turnte eine Menge Prominenz herum. Sänger, Tänzer und natürlich Schauspieler, dazu der Regisseur mit stolzgeschwellter Brust und schmachtendem Blick. Und allerlei Leute aus Politik und Öffentlichkeit. Bis Meike die alle abgelichtet hatte, war es bestimmt sechs. Wahrscheinlich erwartete sie außerdem, dass er für sie das eine oder andere kluge Wort aus berufenem Mund aufschrieb. Als hätte einer von den Promis jemals etwas Bemerkenswertes gesagt, Morgen würde mindestens eins der hauptstädtischen Wurstblätter melden, es hätte mal wieder der Bär gesteppt. So sahen die da unten aus.
Von seinem Platz aus hatte Conrad Pingel, den alle Welt Conny nannte, einen guten Überblick. Der grämliche Obersenator blickte beleidigt, als wolle er seinen Bonner Chef imitieren. Der kugelige Kulturboss gestikulierte mit einem Sektglas in der Hand und sah aus wie ein Raubtierdompteur, der gut ins Varieté passte. Die Fraktionsvorsitzenden zogen unterschiedlich verkniffene Grimassen, Conny entdeckte den kahlköpfigen Stadtkommandanten mit der haspligen Aussprache. Ob seine Kommandos überhaupt jemand verstand? Wahrscheinlich gab ein General gar keine Kommandos. Allenfalls Fernsehinterviews und auch davon höchstens sieben in der Woche. Der Mann im Smoking reckte und streckte sich, als wolle er noch wachsen. Bei seiner Größe fiel es ihm sicher schwer, dem Feind ins Auge zu blicken. Es sei denn, er kämpfte zu Fuß gegen Napoleon. Meike, die Kamera mit beiden Händen hoch über den Kopf haltend, überragte ihn, als wolle sie ihn aus der Vogelperspektive porträtieren. So groß wie sie war von den Feldherren allenfalls Karl der Große gewesen - wenn es ihn denn gegeben hatte. Die Historiker zweifelten neuerdings daran.
Meike drängte es zu der importierten Fiskaläquilibristin, von der die dringliche Forderung zur Schließung der Kleinen Revue rührte. Immerhin mutig von ihr, an der Beerdigung teilzunehmen. Noch dazu mitten in der Nacht, mitten im tiefsten Osten. Vermutlich war allen Inselpolitikern da unten ein bisschen unheimlich zumute. Zumal die Gegend noch immer zum Fürchten aussah. wie Conny bei der Anfahrt bemerkt hatte. Meike hatte nur spöttisch gegrient, als er seinen betagten Toyota mit der Lenkradkralle sicherte. Sie wohnte in Moabit und fuhr üblicherweise Fahrrad.
Er sah die Kamera und das blonde Stoppelhaar über der Menge und beschloss, ihr ein wenig Gesellschaft zu leisten. Bei der Gelegenheit konnte er am kalten Büfett vorbeigehen. Er begegnete dort der brünetten Frau aus der ersten Reihe. Sie legte ihrem Partner gerade ausgewählte Häppchen auf den Teller. Als ihr Blick auf Conny fiel, schien sie einen Augenblick überrascht, aber das war sicher eine Täuschung. Conny nickte ihr zu und nahm sich eine Bulette. Langsam ging er hinter den beiden her. Sie hatte die trainierte Figur und die Beine einer Tänzerin. In ihren hochhackigen Schuhen schritt sie wie eine Diva dahin. Für die Solorolle in der Revue schien sie ihm doch eine Spur zu alt.
Im Saal nahm Meike ihm die halbe Bulette aus der Hand. „Siehst du noch irgendwen, der wichtig wäre?“
„Da drüben steht der Liebling aus SO 36.“
Meike winkte kauend ab. „Ich wundere mich, was der hier will. Ich denke, der ist krank?“
„Er ist früher hier aufgetreten. Als Sänger.“
Sie verzog das Gesicht. „Als Sänger? Hier im Osten?“
Der Schauspieler, mit dem Conny sich vor Äonen geduzt hatte und der ihm schon deshalb sympathisch war, well er keinen Schlips trug, legte seinen Arm um die Schulter eines älteren Herrn mit Brille, der nicht sehr gesund aussah.
„Hast du ihn wenigstens mit Rolf Ludwig im Kasten?“
„Der Juhnkeverschnitt daneben? Hat der auch gesungen?“
„Er ist …“, begann Conny auszuholen und gab es im gleichen Augenblick auf, „... ein bedeutender Schauspieler.“ Meike war ein guter Kumpel, und Kumpels belehrt man nicht pausenlos. Sie tat das ja auch nicht. Sie setzte einfach voraus, dass alles in diesem Land schon immer so gewesen war, wie sie es von irgendeinem Nordwestdeutschen Stadtboten nebst Friesischem Fremdenblatt her kannte. Dort hatte sie ihr fotografisches Volontariat absolviert, bevor es sie auf dem Umweg über Bielefeld mitten ins Herz der Norddeutschen Tiefebene verschlagen hatte. Jetzt machte sie Fotos für die hauptstädtischen Klatschspalten. Auf diese Weise war sie zu zwei Premierenkarten gekommen und hatte an ihn gedacht. Seit sie sich vor zwei Jahren bei einem getürkten Fototermin in einem Ostberliner Redaktionsgebäude kennengelernt hatten, hegte Meike ein mütterliches Gefühl für ihn. Gelegentlich schoben sie sich gegenseitig kleinere Aufträge zu. Meike war fast zwanzig Jahre jünger als er und einen halben Kopf größer. Bei der Fotosession hatte er eine Leiche gespielt, die abtransportiert wurde. Mit ihren Schuhen an den Füßen. Größe 46.“
Erstmals 2014 kam als Eigenproduktion der EDITION digital der 14. Teil der Zeitreisenden-Reihe von Hardy Manthey heraus, der drei Jahre später in einer vom Autor stark überarbeiteten 2. Auflage erschien - „Mexico Yucatan: Die Suche nach dem letzten Sender“: Mit Hilfe der Technik der Außerirdischen kann die Zeitreisende mit hoher Geschwindigkeit von Neu Guinea bis zu den Hawaii-Inseln fliegen und erspart sich so viele Tausend Seemeilen auf einem Schiff. Es ist aber nur der halbe Weg bis zur Halbinsel Yucatan, die zu Mexiko gehört. Sie muss nun über die USA nach Mexiko und dann nach Yukatan gelangen. Dort irgendwo im Urwald steht der dritte und letzte Sender der Mimoser, den eine außerirdische Zivilisation vor rund 15 000 Jahren auf der Erde errichtet hat. Bis Ende 1936 muss ihn Aphrodite zerstört haben, damit beim nächsten Sendetermin zu dem fernen Planeten die Mimoser auf der Suche nach einem neuen Heimatplaneten über die Entwicklung auf der Erde getäuscht werden. Nicht nur die Deutschen würden gern den hohen Stand der Technik des Senders für ihre Kriegsvorbereitungen nutzen. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt. Wird der Zeitreisenden eine funktionierende Demokratie den Weg an ihr Ziel erleichtern?
Begeben wir uns also zurück in das Jahr 1936, nach Hawaii:
„Hawaii-Inseln 1936, Insel Oahu
Unsanft schlägt die Kugel auf dem Wasser auf. Der Aufprall schleudert sie noch einmal gut zehn Meter in die Höhe. Das Land vor ihr scheint zum Greifen nahe. Der kurze Aufprall auf dem Wasser hat Aphrodite eine fette Beule auf der Stirn eingebracht. Aber sie hat keine Zeit, sich dem Schmerz hinzugeben. Auf der Anzeige ist der rote Stab, der ihr die Energiereserven anzeigt, gänzlich verschwunden. Jeden Moment stürzt die Kugel ganz ab und könnte auf den zahlreichen Felsen, die vor ihr aus dem Wasser ragen, zerschellen. Sie drückt auf die Taste „Öffnen“ und fällt einige Meter tief auf das Meer. Unsanft und recht schmerzhaft schlägt sie mit ihrem Gesäß auf dem Wasser auf. Ihr Kleid liegt wie ein großes Tuch breit auf dem Wasser und saugt sich schnell mit Wasser voll. Sie ist froh, dass sie nur das luftige Kleid trägt. Sie taucht unter, um nicht von Splittern der zerberstenden Kugel verletzt zu werden. Sie beobachtet einen gefährlich großen Feuerball und hört ein gewaltiges Donnergrollen. Wirklich mit dem letzten Quäntchen Energie trug das Fluggerät der Minoser Aphrodite vom 2. Sender in rasantem Flug über den Pazifischen Ozean punktgenau bis zu den Hawaii-Inseln. So schnell ist bisher niemand quer über den Pazifik gereist. Sie schätzt, dass sie mit einer Geschwindigkeit von fünf- bis sechstausend Kilometern in der Stunde geflogen ist. Allerdings weiß sie nicht, wo sie sich befindet. Ob tatsächlich die Oahu-Insel mit der Hauptstadt Honolulu vor ihr liegt muss sich erst noch überprüfen. Sie könnte auch an den weiter westlich liegenden Inseln Puuwai oder Kauai gestrandet sein. Sofort fällt ihr auf, dass es nicht die ihr bekannten Hawaii Islands sind, die sie im vierten Jahrtausend so sehr mochte. Das Gebirge am Horizont wirkt noch jung und die Vulkane haben noch lange nicht die Höhen erreicht, an die sie sich erinnert.
Das Schwimmen strengt wegen der hohen Wellen an. Mit letzter Kraft gelingt es ihr, die Brandung und die starke Strömung zu überwinden. Es gibt vor Hawaii Stellen, an denen es über viertausend Meter in die Tiefe geht. Doch das Meer war schon immer Aphrodites Freund. Dass sie heute Probleme hat, liegt sicher daran, dass sie sich geraume Zeit in der Kugel nicht richtig ausstrecken und schon gar nicht bewegen konnte. Völlig erschöpft fällt sie in den Sand. Wie lange sie gelegen hat, weiß sie nicht. Ihr ist kalt. Die Sonne am Horizont wird in einigen Minuten untergehen. Sie muss ihr nasses Kleid ausziehen, sonst hat sie morgen einen Schnupfen. Aphrodite quält sich auf wackligen Beinen hoch und zieht ihr Kleid aus. Sie hängt ihr Sommerkleid in die dürren Äste eines abgestorbenen Baumes. Die Sonne versinkt in dem Moment blutrot im Ozean. Der frische Wind wird ihr Kleid schnell trocknen. Im Schutz der Abenddämmerung glaubt sie sich hier am Strand unbeobachtet.
Mit einem Nacktskandal will sie sich auf Hawaii nicht unbeliebt machen. Die Hawaii-Inseln gehören zu den USA. Die Staaten sind ihr als prüde und mit doppelter Moral in guter Erinnerung. Einerseits gibt es mächtige Kirchen mit vielen Gläubigen und andererseits eine Milliarden schwere Pornoindustrie. Jetzt, in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts, gibt es noch eine strikte Rassentrennung. Hier auf Hawaii auch? Sie kann sich nur an selbstbewusste Ureinwohner erinnern, die sie im vierten Jahrtausend kennengelernt hat. Ist auch noch der Alkohol verboten? Unsicher blickt sie auf das Meer und ermahnt sich: Hier darf nichts mehr schiefgehen!
Aphrodite geht noch einmal ein Stück in den Ozean, um ihre Beule zu kühlen. In mehr als zweihundert Metern Entfernung fällt ihr ein Mann auf, der mit den Beinen im Wasser steht und angelt. Nur mit einem Fernglas könnte er sehen, dass sie nackt ist. Soll sie zu ihm gehen, wenn ihr Kleid trocken ist? Ihn gar um Hilfe bitten? Lieber nicht, er hat vielleicht die Explosion gesehen und wird sie neugierig ausfragen. Allerdings, wenn er die Explosion gesehen hätte, würde er nicht so unbeschwert angeln. Der Knall war auf alle Fälle zu hören, doch ist es möglich, dass vom Land aus gar nichts zu sehen war oder der Lichtblitz als optische Täuschung wahrgenommen wurde. Was für eine Art Energie hat überhaupt die Kugel bewegt? Wurde tödliche Radioaktivität freigesetzt?
Aphrodite geht aus dem Wasser, setzt sich in den Sand neben einen Felsen und ist sich sicher, dass der Mann sie jetzt auch mit einem Fernglas nicht mehr beobachten kann. Entspannt genießt sie den Sonnenuntergang, der eben sein beeindruckendes Spektakel farbenprächtig beendet. Die untergegangene Sonne hinterlässt nur noch einen dünnen Streifen bunter Wolken am Horizont. Schnell wird es dunkel und die ersten Sterne funkeln. Sie horcht in die junge Nacht hinein. Doch die Brandung übertönt alles. Nur recht weit weg sieht sie bewegte Lichter. Scheinwerfer, von Autos erzeugtes Licht, ihre Schattenspiele auf dem Strand und auf dem Wasser. Eine Küstenstraße muss direkt hinter dem Buschwerk an der Küste entlang führen. Ihr wird kalt. So läuft sie nackt, wie sie ist, ein kurzes Stück am Strand entlang. Nicht in Richtung Angler. Sie macht erst kehrt, als sie wieder einen Angler am Strand entdeckt. Auch der Mann hat sie zum Glück noch nicht bemerkt. Jetzt fällt ihr wieder der Feuerball der Kugel ein. War der Mann auch schon zur Zeit der Explosion da? Wenn ja, muss er den Blitz gesehen haben. Oder ist er erst nach Sonnenuntergang zum Strand gekommen? Noch größere Sorgen macht sie sich, ob Teile ihres Fluggerätes an den Strand gespült werden. Oder sind alle Teile schwerer als Wasser und versunken? Es ist auch möglich, dass bei der Zerstörung alles rückstandslos in Energie umgewandelt wurde. Diese kluge Lösung würde zu der hochentwickelten außerirdischen Zivilisation passen.
Zurückgekehrt, findet sie ihr Kleid nicht mehr. Der Wind hat es vom Ast geweht. Sie läuft mit dem Wind und erst als sie mit ihren nackten Füßen den Stoff in der Dunkelheit spürt, atmet sie auf. Zum Glück ist ihr Kleid trocken und so streift sie es sich erleichtert über. Was geschehen wäre, wenn sie ihr Kleid nicht gefunden hätte, will sie sich erst gar nicht ausmalen. Ihre Landung hätte gleich mit einem Skandal begonnen. Erleichtert folgt Aphrodite einem kleinen Pfad durch das Buschwerk. Plötzlich stellt sie erschreckt fest, dass sie ihre Schuhe beim 2. Sender vergessen hat. Es ist noch schlimmer, sie hat alles vergessen. Nichts hat sie mitgenommen. Sie hat nur den Armreif und ihr Kleid am Leib. Weder Unterwäsche noch Schuhe, keine Papiere, kein Geld. Die Papiere würde man hier sowieso als Fälschung entlarven, auch wenn sie echt sind. Denn niemand wird ihr glauben, dass sie nur wenige Stunden von Neu Guinea bis Hawaii gebraucht haben soll. Eine Frau, dazu eine Ärztin aus Madras in Indien, mit einem vor knapp zwei Wochen ausgestellten Pass aus Madras mit Stempeln und Visum für Singapur und Holländisch Guinea! Egal wie echt die Dokumente auch erscheinen, sie müssen eine Fälschung sein. Denn noch kann kein Mensch in so kurzer Zeit so eine riesige Entfernung überwinden. Ihr schneller Flug mit der Kugel ist in der aktuellen Zeit technisch unmöglich.
Ihre Freude, Hawaii erreicht zu haben, weicht einer beklemmenden Angst. Schon wieder steckt sie tief in der Klemme. Mit einem flauem Gefühl in der Magengegend hat sie die Straße erreicht. Die Scheinwerfer eines auf sie zukommenden Autos blenden sie. Überraschend für Aphrodite hält der Wagen direkt neben ihr an. Aus dem Auto steigt ein Polizist und fragt: „Junge Frau, können wir Sie ein Stück mitnehmen? Es ist um diese Zeit hier nicht ganz ungefährlich.“
Der denkbar ungünstigste Fall ist eben eingetreten, stellt sie besorgt fest. Ihr „nein“ könnte die Polizisten aber auch stutzig machen, so erklärt sie, wie immer mit viel Fantasie: „Danke gerne. Ich habe mich eben von meinem Freund getrennt und bin hier im Streit einfach aus seinem Wagen ausgestiegen, ohne lange zu überlegen, wo ich überhaupt bin. Ich wäre Ihnen wirklich dankbar, wenn Sie mich mit in die Stadt nehmen würden. Die nächste Tankstelle reicht auch schon aus, damit ich mir ein Taxi rufen kann!“ Der Polizist macht ihr die Hintertür auf und lässt sie einsteigen. Er schaut sie dabei so komisch an. Der Mann muss ihre nackten Füße bemerkt haben.
Der Wagen fährt an. Der Fahrer dreht sich zu ihr um und erklärt: „Bis direkt zu Ihrer Wohnung können wir Sie leider nicht bringen. Wir sind mitten im Einsatz. Schon wieder einer der frechen Banküberfalle, die sich in letzter Zeit häufen!“
„Danke, meine Herren, es genügt mir wirklich, wenn Sie mich an der nächsten Bushaltestelle oder Tankstelle aussteigen lassen!“, versichert Aphrodite und hofft, schnell aus dem Wagen zu kommen. Sie könnten doch noch auf die Idee kommen und nach den Papieren fragen.
„Reicht es Ihnen wirklich, wenn wir Sie an der nächsten Tankstelle absetzen?“, fragt der Polizist neben dem Fahrer sichtlich besorgt.
Aphrodite ist erleichtert: „Das reicht mir wirklich, danke, Männer. Ich habe da draußen nicht so schnell mit Hilfe gerechnet!“ Die Lichter einer Tankstelle tauchen auf. Erleichtert atmet Aphrodite durch. Tatsächlich hält das Polizeiauto an der Tankstelle an und lässt Aphrodite aussteigen. Glücklich steigt sie aus und sagt noch dankend: „Ich wünsche Ihnen noch viel Erfolg bei der Verbrecherjagd!“
„Danke, Lady!“, erwidern die Polizisten lächelnd und der Wagen fährt mit hoher Geschwindigkeit davon. Das war eben denkbar knapp. Sie stellt sich neben die Straßenlampe und überlegt, wie es nun weitergehen soll. Ohne Geld und Papiere, wie soll das überhaupt funktionieren? Hier kann sie nicht bleiben. Aber ein Taxi kann sie auch nicht rufen. Womit soll sie es bezahlen? Die fremde Stadt mit ihren Lichtern kann sie schon gut sehen. Aber was will sie ohne Geld in einer Stadt? Betteln gehen? Auf einem Wegweiser liest sie, dass es noch zwei Meilen bis Makaha sind. Also ist sie doch auf Oahu gelandet. So bleibt ihr das aufwendige Inselhüpfen erspart. Denn nur von Honolulu soll es Schiffspassagen nach San Francisco oder Los Angeles geben. Aber auch das muss bezahlt werden. Sie weiß noch nicht, wie ihr das gelingen soll.
Ein Auto hält an der Tankstelle. Der Tankwart kommt heraus und betankt das Fahrzeug. Die beiden Männer aus dem Auto schauen zu ihr herüber und diskutieren heftig. Auch der Tankwart bemerkt sie erst jetzt.
Aphrodite lächelt dem Tankwart freundlich zu. Ein Lächeln hat noch niemandem geschadet und kostet nichts. Das Lächeln einer Frau ist seit ewigen Zeiten Schutz und Waffe zugleich. Es hat vielen Frauen schon das Leben gerettet.
Der Beifahrer steigt aus und kommt auf Aphrodite zu. Sie wendet sich ab, um zu demonstrieren, dass sie keinen Kontakt sucht. „Wir möchten, dass Sie zu uns ins Auto einsteigen“, hört sie die unfreundliche Stimme des Mannes.
Nichts Gutes ahnend, dreht sie sich um, sieht einen Mann im langen Mantel mit einer Zigarette im Mund. Als wäre es das Normalste der Welt, hält er eine Pistole auf sie gerichtet.
„Wenn Sie mich so freundlich bitten, komme ich natürlich gerne zu Ihnen ins Auto. Ich wollte ohnehin in die Stadt!“, gibt sich Aphrodite gelassen und steigt ein. Der Wagen ist nur ein Zweitürer. Aphrodite muss sich an der hochgeklappten Sitzbank vorbei nach hinten quälen. Schon sitzt sie in der Falle.“
Themenwechsel: Erstmals im vergangenen Jahr veröffentlichten Rainer Paskowsky und Dietrich Biewald bei der EDITION digital den mit vielen Fotos versehenen Band „Truppenaufklärer in der 8. MSD der NVA der DDR“ – eine besondere DDR-Militärgeschichte: Die Truppenaufklärer bezeichnete man oft als das Auge und Ohr des Truppenkommandeurs. Sie hatten stets die nötigen aktuellen und umfassenden Angaben über den in einem möglichen Gefecht gegenüberstehenden militärischen Gegner sowie die Geländebedingungen im Handlungsstreifen zu ermitteln. Das sollte dem Kommandeur ermöglichen, für die Planung, Organisation und Führung des Gefechtes immer den zweckmäßigen Entschluss zu fassen. Entsprechende Ergebnisse der Aufklärung waren die Voraussetzung, um mit vergleichsweise minimalem Aufwand an Kräften und Mitteln den größten Erfolg zu erringen. Daher bildete die Aufklärung die wichtigste Art der Gefechtssicherstellung. Die Autoren zeichnen im Buch den Entwicklungsweg der Truppenaufklärer der 8. Motorisierten Schützendivision der NVA der DDR, dargestellt am Aufklärungsbataillon 8 und der Aufklärungskompanie des Mot.-Schützenregimentes 27, nach, unterlegt mit über 1500 Abbildungen. Verfügten die Truppenaufklärer zu Beginn nur über Fahrräder und Motorräder sowie Schützenwaffen, so besaßen sie zum Ende moderne schwimmfähige SPW und Schützenpanzer sowie Technik für die akustische und elektronische Aufklärung. Das Buch soll mit den durch viele ehemalige Truppenaufklärer zur Verfügung gestellten Beiträgen und Bildern all jenen, die in den Aufklärungseinheiten ihren nicht immer leichten Dienst zur Erhaltung des Friedens für die Menschen des Landes verrichteten, ein ehrendes Andenken bewahren.
Kurz nach dem Beginn ihres Buches erklären die Autoren, worum es eigentlich bei der Truppenaufklärung geht: Seit vielen Jahrhunderten konnte und sollte im Rahmen kriegerischer Auseinandersetzungen eine gute Aufklärung des möglichen Gefechtsfeldes, des Bestandes und der Kampfkraft sowie der Absichten des vermutlichen Gegners ggf. über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Als Faustregel für den angestrebten Erfolg rechnete man für Angriffs- oder Verteidigungshandlungen gewöhnlich mit einem Mindestkräfteverhältnis von 3:1/1:3. Gab es ein ungünstigeres Verhältnis, waren Aufklärungsergebnisse um so mehr nötig, denn sie konnten quasi für Überraschungseffekte sorgen, wenn es dadurch gelang, die eigenen Mittel besser einzusetzen. Ob im Angriff oder in der Verteidigung verteilt man seine Kräfte und Mittel nicht gleichmäßig auf die Frontlinie. Man massiert sie in der Hauptstoßrichtung bzw. in der Richtung der Hauptanstrengung und schafft obendrein Reserven.
Das zu erkennen war und ist stets ein wichtiges Anliegen der Aufklärung: Die Überlegenheit auch bei zahlenmäßiger Unterlegenheit dort zu schaffen, wo der Erfolg zu erwarten ist. Wer zuerst Ziele aufklärt, kann sie auch zuerst bekämpfen und damit das Kräfteverhältnis ändern. Zur Aufklärung setzte man alle Gefechtseinheiten ein. Eine gute Aufklärung erforderte aber immer mehr auch die Schaffung, Ausrüstung und 14 Ausbildung spezieller Kräfte. Beweglichkeit und Feuerkraft aber auch spezielle Fertigkeiten standen dabei an der Spitze. Logisch, dass sich über lange Zeiträume das Pferd mit entsprechend bewaffneten Reitern dafür anbot. Die Entwicklung der Kampftechnik verschob dann dieses Verhältnis mehr und mehr. Geländegängige Fahrzeuge, zunächst ungepanzert, kamen zum Einsatz. Mit der Schaffung funkelektronischer Mittel konnte man die Aufklärungsreichweite und -spezifik um ein Mehrfaches erhöhen.
Erwähnenswert sei, dass Truppenaufklärung wie auch Agenturaufklärung (Spionage) im Krieg unter Umständen dem gleichen Ziel dienen. Sie können sich manchmal „vermischen“, sind aber vom Charakter her sehr unterschiedlich. Die Truppenaufklärer handeln stets im Interesse, im Bestand sowie im Zusammenwirken der eigenen taktischen Truppenteile und Verbände. Der Einsatz von Truppenaufklärern zur Fernaufklärung in der taktischen Tiefe des Handlungsstreifens der Division gehörte dazu. Insofern ist es die Regel, dass die Streitkräfte aller Seiten stets bestrebt sein werden, über einen ausreichenden Bestand handlungsfähiger Aufklärungstruppenteile und -einheiten zu verfügen. Neben dieser objektiven Notwendigkeit dafür üben dann subjektiv a) die politischen Umstände und Entscheidungen ihren Einfluss aus und b) die militärökonomischen Gegebenheiten zwingen es in reale Grenzen.
Auch auf die Aufklärungstruppenteile und –einheiten der 8. MSD und ihrer Vorläufer traf das natürlich zu.“
Und haben Sie schon herausgefunden, welches Angebot Sie am meisten interessiert? Auch wenn es diesmal so unterschiedlich wie kaum sonst war.
Viel Spaß beim Lesen, einen schönen Frühling und bis demnächst.