Aus ganz anderen Regionen stammen die Sagen, die Herbert Friedrich in „Die Reise in das Land Kluwung“ neu erzählt hat – aus Java. Eine interessante Einladung …
Und zurück in die nähere Heimat. Geschichte zwischendurch - so könnte man das Anliegen von „Wie aus Meklenburg Mecklenburg wurde – Geschichten und Personen“ von Lutz Dettmann beschreiben: Oder können Sie sich zum Beispiel vorstellen, dass ein Erbherzog an ein Tischbein gefesselt seine Suppe auslöffeln musste? Ob er wohl wenigstens eine Maske dabei hatte?
Schließlich geht es noch um eine Wandlung, die Wandlung eines zunächst doch recht von sich selbst überzeugten Mannes. Davon jedenfalls berichtet Harald Wieczorek in seinem neuen Roman „ORCA – Jasons Traum“. Auch in diesem Text geht es übrigens nicht zuletzt um eine Prüfung durch die Naturgewalten …
Und damit sind wir wieder beim aktuellen Beitrag der Rubrik Fridays for Future angelangt. Jede Woche wird an dieser Stelle jeweils ein Buch vorgestellt, das im weitesten Sinne mit den Themen Klima, Umwelt und Frieden zu tun hat – also mit den ganz großen Themen der Erde und dieser Zeit. Es geht wieder einmal um eine wichtiges Thema zwischen Menschen, Wirtschaft und Umweltschutz, das heute aktueller denn je ist. Wie gehen Menschen damit um, dass ihre Heimat der Braunkohle weichen muss? Und was hat ein solches Vorgehen eigentlich mit dem Maßstäben einer sozialistischen Gesellschaft zu tun? Damals darüber so zu schreiben, das hatte durchaus Brisanz.
Erstmals 1981 veröffentlichte Joachim Nowotny in der Edition Holz im Kinderbuchverlag Berlin seine „Abschiedsdisco“: Angenommen, dieser Henning Marko wachte eines Tages mitten im Urwald auf und könnte sich einen Menschen herbeiwünschen. Mit wem möchte er das Abenteuer bestehen? Mit Mutter? Sie ließe sich von der Schlange beißen, nur damit sie mich nicht beißt. Mit Vater? Er würde immer vorangehen, immer die Richtung bestimmen wollen. Lutz? Sobald die Batterien des Rekorders leer wären, hätte er alle Lust am Abenteuer verloren. Und Gundula Fischer? Das ließe sich denken, wenngleich ich nicht wüsste, wie sie sich angesichts eines ausgewachsenen Ochsenfrosches aufführt. Der junge Polizist fällt mir ein. Mit dem könnte man, falls vorhanden, möglicherweise Pferde stehlen. Der schnauzbärtige MZ-Mann würde vermutlich seiner Maschine nachtrauern, sich aber bei einer überraschenden Begegnung mit dem weiblichen Teil der Ureinwohner als sehr nützlich und umgänglich erweisen. Oder Magda, von der sich lernen ließe, wie man mit der Einsamkeit fertig wird. Und der Mann mit dem Ortsschild? Er würde eine Siedlung gründen, ihr Gesetze und einen Namen geben, sich dann in den Schatten setzen, rauchen und darüber nachdenken, woher er gekommen ist, mehr noch: Wer er eigentlich ist. Mit seiner Art, das Mögliche zu tun, ohne sich aus lauter Ehrfurcht vor dem Geschaffenen selbst auf die Hosenbeine zu treten, müsste sich eigentlich ganz gut leben lassen.
Das ist das vorläufige Ergebnis der Überlegungen Hennings nach einem Tag voller Eindrücke in dem fast schon toten Dorf Wussina, das der Braunkohle weichen muss. Im Lichte dieses Abschieds verlaufen die Begegnungen mit den wenigen Leuten, die er trifft, überraschend und rätselhaft. Der 15-Jährige muss all seine Kräfte zusammennehmen, um dem Ansturm der Ereignisse und Gefühle standhalten zu können. Er beginnt zu ahnen, wie schwer die Prüfungen des Lebens mitunter sind, und fühlt die Kraft in sich wachsen, sie zu bestehen. Dabei denkt er natürlich auch an Dixie, die hinter ihm läuft, schon Busen hat, immer ein wenig nach Windeln riecht, weil sie kleine Geschwister zu versorgen hat. Sie wäre der ideale Kumpel; sie müsste nur etwas hübscher sein.
Nach dem spannenden Jugendbuch von 1981 entstand 1989 der gleichnamige DEFA-Film (Drehbuch und Regie: Rolf Losansky) mit Holger Kubisch in der Hauptrolle des Henning und Jaecki Schwarz als sein Vater und Ellen Hellwig als seine Mutter. Der Stoff sollte bereits 1983 einmal verfilmt werden, wurde aber damals wegen der darin angesprochenen ökologischen und sozialen Auswirkungen des Braunkohletagebaus abgelehnt. Gleiches geschah 1986. Als der Film am 5. April 1990 endlich im Berliner Kino International Premiere hatte, war er allerdings schon längst nicht mehr so brisant. Er kam zu spät.
Hier die ersten drei, allerdings jeweils recht kurzen Kapitel des Buches:
„1. Kapitel
Leider gehöre ich nicht zu den Jugendfreunden, bei denen der Geist unentwegt sprüht. Gewöhnlich benötige ich Anlauf, ehe mir etwas einfällt. Es kann mit einem Traum beginnen. Zeitig früh im Bett: Jemand wird von jemandem geprügelt. Etwas, was es eigentlich nicht mehr gibt. Man hört es von früher oder aus anderen Weltgegenden. Weshalb ich davon träume, kann ich nicht erklären. Jedenfalls quält es mich. Ich werfe mich herum, ich ... Aber das erzähle ich nicht mal Lutz. Noch im Halbschlaf höre ich plötzlich Mutter reden. In ihrer Stimme ist etwas ungewohnt Keifendes. Es muss ganz schön was los sein, drüben in der Küche.
„Ich hab’s gewusst, dass es so kommt. Ich hab’s gewusst!“
„Und?“, höre ich Vaters barschen Bass, „was hat es geholfen, dass du es wusstest? Der Alte hockt immer noch dort.“
„Sprich nicht so von meinem Großvater!“
„Ist er vielleicht nicht alt?“
„Deshalb musst du ihn nicht gleich abschreiben.“
„Als ob das ginge! So ein eigensinniger alter Zausel, der bringt sich schon in Erinnerung.“
„Zausel, aha!“
„Ich muss mich auf der Straße ansprechen lassen: Warum geht er nicht endlich ins Altersheim, wo er aufgehoben wäre. Warum bleibt er dort? Als letzter. Das riecht doch nach Provokation!“
„Wenn er nicht will.“
„Was heißt, nicht will? Wer fragt mich denn, was ich will. Ich muss mir die Vorwürfe anhören. Das war einer von der Kreisleitung, Mädchen.“
Wenn Vater zur Mutter Mädchen sagt, ist es entweder ganz gut oder ganz schlimm. Das kann ich mir ja nun aussuchen. Mutter jedenfalls weiß, woran sie ist. Sie nimmt ihre Stimme zurück.
„Und wenn du nun doch noch mal hinfährst? Mit ihm sprichst?“
„Ich denk nicht dran! Damit er mich wieder stehen lässt, wie einen dummen Jungen. Außerdem fahren wir morgen ins Riesengebirge, basta!“
[*] Kapitel
Dieser herzerfrischenden Unterhaltung folgt jenes Schweigen, aus dem geschickte Leute ganze Romane machen. Ich wälze mich im Bett, als wäre ich es, der die Schläge empfangen hat. Endlich kann ich mich von mir selbst losreißen. Endlich schaffe ich es, aufzustehen. Unter der Tür krächze ich etwas, was nur bei viel gutem Willen als Gruß gedeutet werden kann. Der Wille ist nicht vorhanden, also wird mir keine Antwort zuteil. Als ich aus dem Bad komme, hat sich die Szene verwandelt. Mutter klappert munter mit den Tassen, Vater kaut und liest dabei die Zeitungsrubrik „Auch das gibt’s!“ Sie steht auf der vorletzten Seite unten links. Ansonsten aber ist die Welt in Ordnung. Ich würde ihnen gern zeigen, dass ich das Spiel durchschaue. Aber noch fällt mir nichts ein. So greife ich die Tasche und gehe wortlos.
[*] Kapitel
Später dann Deutsch bei Fräulein Brode. Sie ist die reine Zuversicht.
„Henning, ich weiß, du hast dich heut vorbereitet.“
Um sie nicht allzu sehr zu enttäuschen, stehe ich wenigstens auf. Gleich früh muss ich zur schärfsten Waffe greifen, muss ich den Naiven mimen. Man sagt mir dünnes blondes Haar und treue blaue Augen nach. Wenn ich in den Spiegel sehe, finde ich das leider bestätigt. Niemand indes weiß, dass ich das nicht bin. In mir steckt ein brauner, beinahe nachdenklicher Typ, der im entscheidenden Augenblick schnell zuschlagen kann. Ein solcher Moment ist nicht. Auf Fräulein Brodes Zuversicht kann man nur blauäugig reagieren.
„Ich hab gedacht, wir haben das nicht auf.“
Beinahe enttäuscht stelle ich fest: Sie glaubt mir. Sie tut ein übriges, ruft Gundula Fischer auf. Die kann. Kann immer alles. Während sie redet, füllt sich Fräulein Brodes Zuversicht mit viel guter Meinung über den Leistungswillen der Schüler von heute.
Noch später Sport. Dieser Sprung über das Pferd längs. Ich lege ihn hin, als müsse das so sein. Lutz stößt einen rauen Triumphschrei aus. Gundula Fischer sieht, ganz Bewunderung, aus der anderen Turnhallenseite zu mir herüber. Habich schreibt eine Eins ein.
Nur ich weiß, dass der Sprung ungültig ist. Ich kann ihn nicht. Ich fürchte ihn und lande immer mit dem Hintern auf dem letzten Drittel des Pferdes. Es war reiner Zufall, dass ich dieses einzige Mal hinüberkam. Aber wer will das hier wissen?
Dann Stabü bei Katscher. Die Stunde zieht sich wie Gummi. Katscher referiert über die Rolle des Staates und stemmt sich gegen unsere Müdigkeit. Der Staat sind auch wir. Der Staat bin auch ich. Wenn ich Katscher richtig verstehe, dann will er vor allem den Blauäugigen in mir. Wenn er wüsste, wie anstrengend es ist, andauernd so treudeutsch in die Gegend zu blicken. Man lernt es, mit offenen Augen zu dösen. Ehe ich einen Einfall haben kann, gerate ich unversehens in den Frühtraum, höre ich Vater und Mutter, sehe ich Fräulein Brodes Zuversicht, erlebe ich die Angst vor dem Sprung. Herr Katscher ist gerade bei der allseitigen Stärkung, der Einfall wäre fällig. — Doch bevor er kommt, ertönt die Klingel.“ Und damit zu den anderen vier Sonderangeboten dieses Newsletters.
Als Band 134 der Reihe „Spannend erzählt“ veröffentlichte Herbert Friedrich 1976 im Verlag Neues Leben Berlin „Im Eis. Erzählungen“: Sie sind mit ihrem Hundeschlitten in der Tundra unterwegs. Da überfällt sie ein Schneesturm, wie ihn Jakow noch nicht erlebt hat. Tagelang irren sie hungrig und erschöpft umher. Schnee und Sturm scheinen nie mehr aufzuhören. Auch wenn es so aussieht, als gäbe es keine Rettung mehr: Jakow lässt sich nicht unterkriegen, er trotzt dem Schrecken und der Todesgefahr.
Sieben Erzählungen, ob sie vor fast vierhundert Jahren oder in unserem Jahrhundert spielen, ob sie von einer Schiffsmeuterei berichten oder von einer Eskimofrau, die in Notwehr einen verkommenen Pelztierjäger tötet, alle sieben Erzählungen zeigen Menschen, die sich im Eis, unter den harten Bedingungen der Arktis bewähren. Hier der Anfang der Geschichte von Jakow und seiner Frau Valentina:
„JAKOW UND SEINE FRAU
Jakow hielt die Hunde an; sie lagerten sich sofort in den Schnee, Pupka, dem Leithund, folgend. Sie hechelten noch eine ganze Weile. „Pause“, sagte Jakow und zog die Handschuhe aus, um sich die Pfeife zu stopfen. Seine Frau stand auf vom Schlitten und begann sich die Füße warm zu treten. Es war sehr dunkel, im Monat der großen Finsternis, Dezember, vier Tage vor Neujahr; und es war die erste Rast auf ihrer Reise. Mit Beginn der Dämmerung, gegen neun, waren sie aufgebrochen, verabschiedet vom halben Dorf. Doch selbst in der hellsten Stunde würde die Sonne nicht über den Horizont kommen. Jakow hatte um diese Zeit bereits am Rentierfelsen sein wollen. Hingegen der Schnee, gewellt wie ein in der Bewegung erstarrtes Meer, hatte den Hunden mehr abverlangt, als er geglaubt hatte. Und es war sehr kalt.
Endlich hatte er mit klammen Fingern die Pfeife in Brand gesteckt.
„Willst du trinken, Valentina?“, rief er seiner Frau zu. Sie verneinte stumm. Ihn beunruhigte nicht der Zeitverlust. Er stellte sich mit dem Rücken zum Wind und sog den beißenden Rauch ein. Ihn irritierte eher diese Stille, die von seiner Frau ausging. Es verdross ihn ein wenig, er konnte sich nicht helfen. Er blickte zu ihr, wie sie nach den Hunden schaute. Sie tat alles wie in einer träumerischen Versonnenheit. Als sie aus dem Dorf hinausgefahren waren, hatte sie freilich gesungen.
„In drei Stunden sind wir an der Blockhütte“, sagte er. „Bevor die volle Nacht kommt, du brauchst dich nicht zu ängstigen.“ Und morgen würden sie die Agapamündung erreichen. Und übermorgen die zugeeiste Pjassina hinabjagen bis nach Tareja.
Sie antwortete nichts darauf; all dies hatten sie oft miteinander durchgesprochen, als sie die Reise geplant hatten. Sie stand beim Leithund, Jakow trat zu ihr. Der Hund Pupka reckte die Schnauze nach oben, als warte er auf Fressen. Jakow bückte sich nach dem Geschirr und schob die Hand prüfend zwischen Riemen und Flanken des Hundes, was jener winselnd als Liebkosung wertete. Nach Tareja geht es, Pupka, nach Tareja. Vielleicht verstehst du das, vielleicht freut’s auch dich. Mit Valentina zusammen war der Hund Pupka letzten Sommer aus Tareja gekommen, als Hochzeitgabe gewissermaßen, als Geschenk von Valentinas älterem Bruder.
Der Schnee leuchtete immer mehr auf, der Himmel war klar und nun heller als die Sterne. Valentina saß schon wieder auf dem Schlitten, damit beschäftigt, sich den Pelz über die Beine zu decken. Jakow spuckte in die Pfeife, um den glimmenden Tabak zu löschen. Fahren wir also. Die Hunde sprangen auf, kaum dass Jakow den Schlitten bestiegen hatte.
Der Mann hatte sich geirrt; sie brauchten nicht drei Stunden bis zur Blockhütte, sondern vier. Und er hätte sie nicht gefunden, hätte er sich nicht so gut ausgekannt. Sie steckte unter Schnee an einem Lärchenknieholz. Es war längst tiefe Nacht, und er musste Valentina wecken, die auf dem Schlitten eingeschlafen war.
Die Frau war steif von Schlaf und Kälte, und sie wusste einen Augenblick nicht, ob sie in Tareja sei oder in Ust an der Jenisseimündung, wo sie bei diesem Manne wohnte. Sie lächelte aber denn doch, als er ihr sagte, dies sei die Blockhütte und man sei Tareja nun schon einen vollen Tag näher. Sie nahm sich gleich den Topf mit der gefrorenen Suppe und schickte sich an, ein Feuer zu entfachen. Alles Nötige entnahm sie dem Schlitten, den Jakow inzwischen in den Vorraum gezerrt hatte, in dem auch die Hunde lagen. Schnee hatte es in den Vorraum geweht, und die Balken glitzerten vor Frost. Doch das Feuer wärmte bald, und der Geruch des gekochten Fleisches ließ Jakow doppelt seinen Hunger spüren.
Er verschloss die Außentür und vergewisserte sich, ehe er sich zu Valentina setzte, dass jeder Hund seinen Teil zu fressen hatte. Er setzte sich mit dem Gefühl eines Mannes ans Feuer, der sein Tagwerk und noch ein Stück darüber hinaus vollbracht hatte. Die würzige Fleischsuppe hatte Valentina in Ust vor der Abreise gekocht und dann gefrieren lassen, in Jakows Hause, das kaum mehr Staat hermachte als diese Blockhütte, so winzig war es. Jakows Haus, das waren zwei rauchgebeizte Räume, in denen man kochen konnte, schlafen konnte, viel Wärme vom Ofen her gab es, ungefüge Möbel, Stühle, Tisch und Schrank, eine Bank unter dem Fenster entlang, das sie fast nur zugefroren oder zugeweht kannte. Am besten hatte ihr die Hängelampe gefallen mit ihrem gedämpften, warmen Licht und die Pendeluhr. Ein Schuppen gehörte zum Haus, in dem Jakows Vater Fischereigerätschaften aufbewahrt hatte. Jakow hatte das meiste verbrannt; er fuhr auf einem Kutter, neue Schuppen standen am Fluss, der eisige Jenissei war seine Welt, der Fisch aus den Wassern seine Beute. Der Sommer an der Mündung war gut, wenn sich die Boote auf der meerweiten Fläche tummelten, wenn die Frachtschiffe südwärts nach Dudinka zogen. Aber dann, wenn alles in Kälte erstarrte, wenn man sich die drei Dutzend Häuser von Ust wegdachte und die hundert Werst entfernten Städte vergaß, blieb nichts als eine einzige Eiswüste. So mochten die ersten Ankömmlinge an der Mündung das Land erblickt haben. Mit kleinen Schiffen waren sie den Strom herabgekommen, hatten die Schiffe an Land gezogen und abgewrackt, um sich Hütten aus dem Schiffsholz zu bauen und den Rest an ihren Feuern zu verbrennen. Jakow hatte es Valentina erzählt, und solange sie in Jakows Hütte gesessen, hatte sie diese Behausung als Schiff gesehen, das lebendig den Jenissei entlanggeschwommen war und nun in der ewigen Dämmerung vereiste.
Sie aßen schweigend die Suppe; Jakow blies auf den Löffel, um sich nicht die borkigen Lippen zu verbrennen, betroffen von der Stille, die von seiner Frau ausging. Was hat sie, sie hat doch was, dachte er unablässig und hörte die Hunde den Fisch hinunterschlingen. Im Juni hatten sie in Tareja geheiratet, wo all ihre Leute wohnten, der Meteorologe, der ihr Vater war, der kleine Bruder, für den sie nun ein rotes Reitpferd auf dem Schlitten liegen hatten; die Mutter, die im Magazin von Tareja vielleicht ebenfalls rote Kinderpferde verkaufte; der große Bruder mit seiner vierköpfigen Familie, der Jakow den Hund Pupka geschenkt hatte. Gefeiert unter der Mitternachtssonne die Hochzeit zwischen Valentina und Jakow im entlegenen Tareja am Ufer der Pjassina. Und dann waren sie in den Hubschrauber gestiegen und direktenwegs nach Ust geflogen, wo Jakows Haus wartete.“
Ebenfalls von Herbert Friedrich stammt „Die Reise in das Land Kluwung. Javanische Sagen neu erzählt“. Das Buch erschien erstmals in diesem Jahr als Eigenproduktion von EDITION digital: In den 1970er Jahren schrieb der Schriftsteller Herbert Friedrich zwei Bücher über niederländische Seefahrer, die Java bereist hatten: „Dorado oder Unbekanntes Südland“, erschienen 1975, und „Der Vogel Eeme“, erschienen 1980. Im Buch „Der Vogel Eeme“ erreichen die Niederländer erstmals Java (1596), im Buche „Dorado“ sind sie seit 40 Jahren an Ort und Stelle, haben es längst kolonisiert und werden es bis 1945 als Kolonie betrachten, ausnutzen, beherrschen. (Von 1811 bis 1816 war es von den Briten besetzt, 1942 bis 1945 von den Japanern. Seit 1945 ist es Teil Indonesiens.) Insgesamt hat sich Friedrich beim Schreiben dieser beiden Bücher rund vier Jahre ausschließlich mit Java beschäftigt und nur auf niederländische Quellen zurückgegriffen. Dabei stieß er auch auf den Titel „Javaansche Sagen, Mythen en Legenden verzameld door Jos.Meijboom- Italiaander, Zutphen W.J. Thieme u. Cie 1924“.
In „Die Reise in das Land Kluwung“ hat Herbert Friedrich sechzehn dieser Sagen frei nacherzählt. In der vorletzten (Vom Fürstensohn, der Schmied wurde) weissagt ein Einsiedler dem Fürsten Mundang Wanggi, dass dieser drei Söhne bekommen werde. Jedoch der Erstgeborene werde ihn töten. Herbert Friedrich gestaltet daraus die Rahmenhandlung. Der Fürst, auf einer Reise durch sein Land, zwingt den Einsiedler nach dieser unheilvollen Weissagung mit ihm zu ziehen. In den vielen Tagen unterwegs erzählt der Einsiedler dann die Sagen. An seiner Seite ist der Tiger Menak Djinggah, ein verzauberter missgestalteter Prinz. Am Ende der Rahmenhandlung und damit dieses Buches erfüllt sich die Weissagung.
Diese javanischen Sagen, die Meijboom-Italiaander gesammelt hat, erzählen von den Gegebenheiten des Landes (Sagen von Bergen, Tieren, Bäumen) wie auch von Herrschern und Geistern, Nymphen ebenso wie fliegenden Pferden, Riesen der Luft usw. Die alten Verbindungen Javas zu Indien wie auch zu Arabien brachten die Religionen der jeweiligen Länder mit, den Hinduismus wie den Islam. So finden sich in den Sagen und Legenden nicht nur die einheimischen Götter, sondern auch Brahma, Vishnu und Allah. Hier der Anfang einer besonders schönen Sage, die allerdings nicht ganz so schön beginnt:
„Die Geschichte von der Glücksblume
(Quelle: De sage van de Widjaja Kesoema)
Der Regent der Insel Nusa-Kembangan war gestorben, und nun kam sein Nachfolger; der war als böse und herrschsüchtig bekannt. Als er gekrönt werden sollte, sah er im Traum eine Felseninsel, auf der eine wundersame Blume wuchs. Ihr Duft betörte die Schmetterlinge; sie schillerte wie das feinste blauseidene Tuch, das sich eine Prinzessin um die Hüften schlingt. Sie glich einem Stern, der auf Erden niedergegangen ist.
Als er aus seinem Traum erwachte, sagte sich der neue Fürst, dass er diese Blume essen müsse, gerade an seinem Krönungstag. Das Unvergleichliche an ihr würde dann auf ihn übergehen und ihn zum mächtigsten Mann auf Java machen.
Er erinnerte sich der Insel, die er im Traum gesehen hatte. Der Form nach glich sie einem Tiger, der sich zum Trinken ins Meer beugt. Der Fürst kannte dieses Eiland sehr wohl. Sein Name war Karang-Bandong. Man konnte es im Meer liegen sehen, wenn die Sonne günstig stand.
Der Fürst ließ einen weisen Mann aus dem Wald holen. Jenem erzählte er von der Blume. Ja, der Einsiedler wusste davon. Tatsächlich wuchs sie auf Karang-Bandong. Aber diese Felseninsel wurde von bösen Geistern bewohnt. „Wenn du die Blume willst: Schick deine Leute hin, wenn die See glatt und der Himmel ohne Wolken ist“, riet der Einsiedler. „Dann schlafen die Geister. Bei Sturm aber …“
Der Fürst winkte ab. Nun wusste er genug von der Blume Widjaja. Er schickte den Einsiedler wieder in den Wald und eine Anzahl Leute an den Strand, damit sie zum Eiland Karang-Bandong übersetzten. Die Krönung des Fürsten stand unmittelbar bevor. Er konnte sich dieses Fest schon nicht anders denken als mit der ‚Glücksblume‘, wie er sie insgeheim nannte.
Als die Gefolgsleute an die Küste kamen, erschraken sie sehr. Die Wogen gischteten mit unbeschreiblicher Gewalt gegen die Felsen. Alles stand stumm, Hofmann wie Sklave, und starrte auf das weißgepeitschte Wasser, dem sie sich anvertrauen sollten. Es war unmöglich, bei diesem Wetter die Insel zu erreichen. Die bösen Geister waren alle erwacht.
Der Hofnarr stand auch dabei, wollte er sich doch das Schauspiel nicht entgehen lassen. Von Verstand war er so verkümmert wie von Gestalt. Dieser Narr rief: „Voran, ins Boot! Hat euch dieses Lüftlein den Befehl des Fürsten weggeblasen, heute die Glücksblume zu pflücken? Los also. Wer dem Gebieter nicht gehorcht, den kitzele ich mit dem Kris.“
Die Sklaven wussten sehr wohl, dass der kleine bucklige Mann tun würde, was er gesagt hatte. Also stemmten sie sich gegen das Boot, um es ins wogende Wasser zu bringen.
In diesem Augenblick kam ein Fischer vorbei, der fragte erstaunt: „Was tut ihr da?“
Das war rasch erzählt.
Der Fischer war ein armer Schlucker, der kurz vorher im Sturm Boot und Netze verloren hatte. Was also konnte er noch einbüßen. Er kannte das Meer, und er besann sich nicht lange. Er sagte: „Wenn ich so viel zum Lohn bekomme, dass ich mir davon Boot und Netze kaufen kann, dann will ich zur Felseninsel übersetzen und die Blume holen.“
Dem Narren war es recht, wenn er nur sein Schauspiel bekam. So ging der Fischer statt der Sklaven ins Boot. Sie gaben ihm eine Leiter mit, damit er die Steilwand erklimmen könnte. Kraftvoll legte er sich ins Ruder und schoss in die Gischt, die ihn in den Himmel stieß und im gleichen Augenblick zum Meeresgrund riss. Mit unsagbarer Anstrengung stemmte er sich gegen das Wasser.
Er erreichte die kleine Insel; keiner hätte es für möglich gehalten – der Hofnarr lachte. Der Fischer erstieg auch den Felsen – die Sklaven lagen sich in den Armen. Dann freilich mischten sich Wasser und Luft derart, dass für die Leute am Strand alles weitere unsichtbar blieb.
Hoch oben auf dem Plateau hatte es der kühne Fischer mit einem anderen Element zu tun: mit der Luft. Der Sturm fegte ihn fast in die Tiefe.
Auf allen Vieren kroch er los, durch Strauchwerk und Felsgeblöck. Und endlich fand er die Blume Widjaja. Als er sie brach, wuchs der Sturm zum Orkan. Die Leiter schlug um und stürzte in die kochende See. Das Boot war längst gesunken.
Fassungslos duckte sich der arme Teufel hinter Felsen, die Blume in der Hand. Sturmvögel umgaukelten ihn wie ein wilder Spuk. Die Schwärze der Wolken mischte sich mit der Nacht. Die weißen wabernden Fäden rings waren Gischtkämme und Brandung, die seine Ohren volltoste. Nicht nur der Sturm drückte ihn hinter einen Felsblock, sondern auch die maßlose Angst.
Und dann waren die Geister da. Abscheuliche behaarte Ungeheuer schwebten aus Spalten auf ihn zu, mit höhnischem Gelächter. Aus dem Nebel bildeten sie sich, zeigten sich gegenseitig diesen Armseligen, mit drohendem Gebaren. Wohin er auch schaute, die Geisterschar umgab ihn völlig.“
Erst kürzlich veröffentlichte Lutz Dettmann als Eigenproduktion von EDITION digital „Wie aus Meklenburg Mecklenburg wurde – Geschichten und Personen“: Können Sie sich vorstellen, dass ein Erbherzog an ein Tischbein gefesselt seine Suppe auslöffeln musste? Oder wissen Sie, warum die Aussprache des Wortes Mecklenburg den Fremden oder den Mecklenburger verrät? Wenn nicht, der Autor wird Ihnen diese Frage beantworten. Und nicht nur das. Er nimmt Sie mit auf eine Reise durch die Geschichte Mecklenburgs in Geschichten, stellt Ihnen mehr oder weniger bekannte Ereignisse und Persönlichkeiten aus Mecklenburg vor. Wir erfahren, dass man mit Käfern Klassenkampf machen kann, dass Mecklenburg einmal fast preußisch geworden wäre. Und das alles erfahren wir auf eine leicht zugängliche, unterhaltsame Weise. Die 21 Texte, über Jahre in der Schweriner Volkszeitung, den Norddeutschen Neuesten Nachrichten und in anderen Zeitungen und Zeitschriften veröffentlicht, sind in diesem Buch erstmals vereinigt und zum Teil auch erweitert worden. Geschichten für „Zwischendurch“, Geschichte, einmal anders erzählt. Hier der vielversprechende Anfang:
„Kurz oder lang – das ist die Frage“
Wie Archivrat Lisch für die Tilgung des „c“ kämpfte und warum die Aussprache den Fremden verrät
„Mäcklenburg …“ Oh, da war wieder dieses böse Wort in den Mund genommen worden. Eine Journalistin hatte sich gerade bei einer Schauspielerin erkundigt, ob sie wieder in Mäcklenburg Urlaub machen würde. Und diese hatte ihre Frage mit einem klaren „Ja, weil ich Mäcklenburg so liebe“, beantwortet. Ich weiß nicht, auf welchem Sender dieses Interview lief. Nur, dass sich „Mäcklenburg“ einmal wieder in mein Hirn gebohrt hatte. Fakt ist, Fragerin und Befragte stammen nicht aus Mecklenburg. Sonst hätte die eine mit einem deutlich langen „Meklenburg“ gefragt und die andere ebenso geantwortet. Seit Generationen erkennt der gebürtige Mecklenburger (oder wissende „Ausländer“), an diesem einen Wort, ob der Sprechende ein Eingeborener oder Nichtmecklenburger ist. Den Zugezogenen, die diesen Eigennamen richtig aussprechen, gilt meine Hochachtung. Sie haben unsere meklenburgische Sprachkultur erkannt. Und nicht ohne Grund schreibe ich mein „Meklenburg“ an dieser Stelle ohne das böse „c“, hat es doch in diesem Wort nichts zu suchen.
Und nun wird wieder ein Kampf um das Für und Wider dieses Mitlauts oder Konsonanten eröffnet. Nein, nichts da. Ich will nicht streiten. Der Kampf ist seit vielen Jahrzehnten für das „c“ entschieden. Ich möchte nur aus der Geschichte dieses Eigennamens berichten.
Also … begeben wir uns in eine Sprachzeitmaschine, die in grauer Vorzeit, weit vor Konrad Duden, Friedrich Lisch und den Gebrüdern Grimm landen wird. Sagen wir, wir landen im Jahr 995. Und da finden wir eine Urkunde, ausgestellt auf der Burg Michelenburg (Großburg) von Kaiser Otto III. Die Ersterwähnung dieses Namens – hier – nur der einer Burg, wird einige Jahrhunderte später, der Name eines Landes sein. Groß ist die Burg allerdings, die Größe des Walls wird nur von dem der Burg Werle im Land übertroffen. Warum später der Name der Burg für das entstehende Land Meklenburg herhalten wird, dieses Wissen entzieht sich den Historikern.
Steigen wir wieder in unsere Sprachzeitmaschine und durcheilen die nächsten Jahrhunderte auf der Suche nach dem „c“ in Meklenburg. Wir entziffern alle Möglichkeiten der Schreibweise unseres damals noch jungen Landes. Neben dem lateinischen Namen gibt es um 1300 „Michelenburc“, „Mechlenburg“ oder „Mechilburg“, alles im Stil der hochdeutschen Chronisten und Schreiber verfasst. Seit 1242 tauchen dann immer mehr niederdeutsche Varianten, der Sprache der Bewohner geschuldet, in den Urkunden auf. „Mechilburch“, „Mikilinburg“, „Mikelenburch“. Ab dem 14. Jahrhundert gewinnt dann die Schreibweise „Mekelenborch“ die Oberhand. Selbst in der von dem thüringischen Chronisten Ernst von Kirchberg geschriebenen Abhandlung der Geschichte Meklenburgs wird das niederdeutsche „Mekilnborg“ verwendet. Und was fällt dem geneigten Leser auf? Nix da mit „c“ vor dem „k“. In der Kürze liegt die Würze. Noch … denn ab 1450 entdecken die Schriftkundigen das Laster des „Wortindielängeziehens“. Immer häufiger tauchen doppelte Konsonanten in den Wörtern auf. Erst verhalten, ab dem 16.Jahhundert ist dann kein Halten mehr. Sinnlos häufen sie Buchstaben, um zu zeigen, wie schriftgewaltig die Schriftgelehrten sind. Die Zeilen der Urkunden werden sinnlos mit Buchstaben gefüllt. „Ck“, „gk“,“kk“ – man klemmt davor und findet es schön, wenn lange Buchstabenreihen die Seiten füllen. Wortenden werden mit Konsonantendoppelungen „verziert“. „Ck“ oder „gk“ in Meklenburg wirken schick. Nur einige der Schreibweisen als Beispiele: „Megkelburgk“, Meckelleburgk“, Meckelnnborch“. Da schmerzen die Augen. Da sträubt sich die Hand des heutigen Schreibers.
Schnell hinein in unsere Zeitmaschine. Hier wollen wir nicht bleiben, nicht nur der Schreibweise wegen, auch sind uns diese Jahrhunderte zu kriegerisch. Wir landen Ende des 18. Jahrhunderts. Inzwischen sind die Schreiberlinge zur Besinnung gekommen. Man liebt weiterhin fremde Sprachen, jetzt besonders das Französische. Aber man hat die deutsche Rechtschreibung entschlackt, die Wortungetüme getötet. Fast … nur in vielen Ortsnamen haben sie sich versteckt, die unnötigen Konsonanten. Nicht nur in Mecklenburg. Und das lassen sich alle gefallen?
Rein in die Maschine und ab ins 19. Jahrhundert. Wir haben die Industrialisierung und den wissenschaftlichen Fortschritt – auch in Mecklenburg/Meklenburg. Man schaut nach vorne, forscht für die Zukunft, wendet sich aber auch zur Vergangenheit. So gründet sich 1835 der Verein für meklenburgische (richtig geschrieben!) Geschichte und Altertumskunde, dessen Gründer und wissenschaftlicher Kopf Friedrich Lisch ist. Lisch, der Humboldt Mecklenburgs, wie er von FF II. einmal genannt wurde, betätigt sich neben vielen anderen Wissensgebieten auch mit der deutschen Sprache. Ihm ist das „c“ ein Dorn im Auge – verständlich, spricht doch jeder Meklenburger das „Meklenburg“ lang und nicht kurz. So ist es richtig. Was soll da denn das „c“? Ein schwieriges Unterfangen, das „c“ zu töten, denn der Name des Landes wird seit Jahrhunderten meist mit dem bösen „c“ geschrieben. Lisch forscht in den alten Urkunden und Chroniken, begründet, erklärt, beschwört, dass mit dauerhaft falscher Schreibweise auch die Aussprache des Namens falsch werden wird. (Heute wissen wir, dass er damit recht hatte.) Er erringt Erfolge: Die Publikationen des Vereins erscheinen mit der verkürzten, richtigen Schreibweise des Landesnamens, sogar der Staatskalender. Andere Größen setzen sich für Lisch ein, so die Gebrüder Boll aus Neubrandenburg. Auch Ernst Bolls „Geschichte Meklenburgs“ erscheint ohne „c“ auf dem Titel. Lisch wendet sich sogar an die Gebrüder Grimm, die am Deutschen Wörterbuch arbeiten. Er schreibt darüber im ersten Jahrbuch des Vereins: „Um eine sichere, unzweifelhafte Gewähr zu haben, legte ich den beiden Brüdern Grimm in Göttingen, als vorurtheilsfreie Sprachrichter jedermann bekannt, meine oben erwähnte Abhandlung zum entscheidenden Ausspruch vor, mit einer Anfrage, ob man meklenburgsch oder meklenburgisch schreiben sollte, worauf dieselben an mich antworteten:
"Ich kann zu Ihrer Abhandlung über die Orthographie von Meklenburg nichts sagen, als daß ich glaube, Sie haben völlig recht; dieser Meinung ist auch Jacob. Uebrigens würde ich "meklenburgisch" der harten Kürzung "meklenburgsch" vorziehen, die mir außerdem gemein lautet."
Wilh. Grimm.
Na bitte, alles scheint klar zu sein. Doch da tritt ein Vereinskollege auf den Plan: Friedrich Carl Wex, der Altphilologe und Direktor des altehrwürdigen Fridericianums in Schwerin. Er will Lisch beweisen, dass das „c“ doch nur ein altes Dehnungszeichen sei. 1856 erscheint seine Abhandlung „Wie ist Mecklenburg deutsch zu schreiben und wie lateinisch zu benennen?“. Und alle knicken ein. „Mecklenburg“ wird nun auch v.G.G. sanktioniert. Der Staatskalender nimmt das „c“ in den Titel, alle offiziellen Dokumente folgen. Fazit: Ein Fehler ist kein Fehler mehr, wenn ihn die Obrigkeit sanktioniert. Und so steht unser Meklenburg dann als Mecklenburg auch in der deutschen Sprachbibel, dem „DUDEN“. Und dies seit 1880.
Dass das Problem mit dem „c“ länderübergreifend ist, zeigen Landkarten aus der Mitte des IXX. Jahrhunderts. Auf des Verfassers Mecklenburg-Karte um 1860 nach Raabes Vaterlandskunde liest man neben „Meklenburg“ auch „Lübek“, auf einer späteren Ausgabe von 1880 „Lübeck“. Gab es in der alten ehrwürdigen Hansestadt eine ähnliche Diskussion? Heute hört man die lang ausgesprochene Form nur noch von wirklich alteingesessenen Lübecker Familien. Und was ist mit „Reinbek“, welches noch heute ohne „Dehnungszeichen“ geschrieben wird? Jeder (nicht nur) Reinbeker zieht den zweiten Teil des Ortes in die Länge. Hoffen wir, dass das lange „Meklenburg“, trotz der heutigen Schreibweise noch lange lang ausgesprochen wird. Sie können dabei helfen. Man ist eben „Meklenburger“, oder wissender Zugezogener oder „Ausländer“.´
Ebenfalls erst vor Kurzen erschien wiederum als Eigenproduktion von EDITION digital „ORCA – Jasons Traum“ von Harald Wieczorek – und zwar sowohl als gedruckte Ausgabe und als E-Book sowie für Anfang nächsten Jahres auch als Hörbuch angekündigt: Die Geschichte ist die Erfüllung des Traums des Mannes Jason, einmal mit einer Blauwasseryacht um die Welt zu segeln, und die damit verbundene Wandlung des Menschen Jason. Keine Angst vor nichts und niemand. Geld, Macht, Einfluss und alle sind deine Freunde. Liebe kann man kaufen. Glaube nur an sich selbst und die Person, die man ist und darstellt. Diese Attribute vertritt Jason bis zu dem Tag, an dem er sich entscheiden muss. Wenn er auch keine Freundschaft kennt, so verbindet ihn eine Kameradschaft mit seinem einzigen Vertrauten auf See, seinem Segellehrer.
Er spürt die Angst, die Demut in der Einsamkeit und Weite des Meeres durch die Gefahren, Gewalten und die Unberechenbarkeit, die er nicht mit Macht und Geld beeinflussen oder ausschalten kann.
Freundschaft, Opfer- und Hilfsbereitschaft lernt er durch die schiffbrüchige Afrikanerin Soja kennen, aber auch die wahre Liebe. Soja springt mit dem Bootshaken zwischen ihn und den Hai und wird dabei schwer verletzt.
Als er die Wahl hat, einen schweren Sturm zu umfahren, was zu lange dauert, um Sojas Leben zu retten, entscheidet er sich für den kürzeren Weg direkt durch den Hurrikan. Doch das kann den Verlust des Bootes und seines Lebens bedeuten.
Als der Atheist Jason die Schlechtwetterfront auf sich zukommen sieht, kniet er nieder und betet. Hier der Anfang dieses Buches einer Wandlung:
„VOR 50 JAHREN
Die letzten Sonnenstrahlen spendeten ein warmes Licht in ein kleines, schlicht eingerichtetes Kinderzimmer. Unter dem runden Dachfenster stand ein kleiner Schreibtisch, davor ein alter Holzstuhl. Auf dem Schreibtisch lagen ausgebreitet ein paar Hefte und ein Schulbuch.
Unter der Dachschräge befand sich ein einfaches Holzbett. Auf dem Bett saß der 10-jährige Jason im Schneidersitz und las in einem Buch.
„Jason!“ Die kräftige Stimme seines Vaters ließ den Jungen, der tief in sein Buch versunken war, aufschrecken. „Jason!!“ Diesmal noch kräftiger, gefolgt von energischen Schritten auf einer Holztreppe.
Schnell steckte er das Buch unter sein Kopfkissen, sprang vom Bett auf und setzte sich gerade noch rechtzeitig an seinen Schreibtisch. Die Tür ging auf und sein Vater stand im Zimmer. „Was ist los mit dir? Kannst du nicht antworten, wenn ich rufe?“ „Entschuldige Vater, ich bin in meine Hausaufgaben vertieft, morgen schreiben wir eine Englisch-Arbeit.“ Sein Vater war an den Schreibtisch herangetreten, nahm das Buch vom Tisch in die Hand, schüttelte nachdenklich den Kopf „Aha, eine englische Rechenarbeit …“ Er legte das Rechenbuch wieder auf den Schreibtisch, blickte auf das verknitterte Bett und sah eine Ecke des Buches unter dem Kopfkissen, holte es hervor und las den Titel. „Berühmte Einhandsegler.“
Nachdenklich schaute er Jason fest an. „Was willst du mal werden? Fischer?“ Dann warf er das Buch wieder auf das Bett, ging zur Tür und blieb stehen. „Die Sonne geht unter, Mutter wartet mit dem Abendbrot …“ – und bevor er die Tür schloss – „… danach werden wir uns unterhalten!“
Jason seufzte, warf nochmal einen Blick auf den Roman „Irgendwann! Irgendwann!“ Dann verließ er das kleine Zimmer.
FÜNFZIG JAHRE SPÄTER
In einem modernen Büro mit großen Fenstern und einem überdimensionalen Schreibtisch saß Jason in einem hellbraunen Ledersessel und blätterte in einer Fachzeitschrift für Yachten. Was hatte sein Vater nach einem immer wiederkehrenden Streit wegen seines Buches „Einhandsegler“ ständig gesagt. „Wenn das deine Bibel ist, wirst du irgendwann einmal Hafen- oder Werftarbeiter, bestenfalls Yachtmakler.“ Nun saß er in seinem exklusiven Büro und suchte in Fachzeitschriften die eigene Yacht. Was sein Vater damals nicht erkannte, war der Ehrgeiz des Jungen, einmal selbst mit so einem Blauwasserschiff um die Welt zu segeln.
Er war computertechnisch hoch begabt und fing mit jungen Jahren an, Programme zu entwickeln. Mit zweiundzwanzig Jahren war Jason bereits Millionär. Und nun hatte er seine eigenen Angestellten. Seine Programme verkaufte er mittlerweile weltweit an die größten Konzerne.
Diesen Raum als Büro zu bezeichnen war, bescheiden gesagt, schwer untertrieben. Es gab nicht wenige, die der Meinung waren: „… Wenn man ein Netz spannt, könnte man darin Tennis spielen …“ Dazu kommt, dass außer dem riesigen Schreibtisch und dem mächtigen Ledersessel fast kein Mobiliar im Raum stand. Auffällig waren auch die Bilder an den Wänden. Ausschließlich Yachten in allen Größen und Formen. Segelyachten, genauer: Blauwasseryachten.
Es klopfte. Die Tür wurde geöffnet. Eine hübsche junge Frau erschien in der Türe. „Karl ist da.“ Jason blickte kurz auf und legte die Zeitschrift in eine Schublade. „Soll reinkommen.“ Er nahm sich ein Zigarillo aus einem Kästchen, zündete es an und rauchte. Jason war der Einzige, der in diesem Büro rauchen durfte. Langsam, leicht gebeugt, mit sorgenvollem Blick, kam ein Mann mittleren Alters durch die Tür, die sofort wieder von der jungen Frau hinter ihm geschlossen wurde. Jason deutete nicht auf den kleineren Sessel vor dem Schreibtisch, also blieb der Mann stehen. Ohne große Worte öffnete Jason eine Schreibtischschublade und holte einen Briefumschlag heraus, auf dem KARL stand. Er warf ihn vor Karl auf den Schreibtisch. „Für Sie!“ Mehr sagte er nicht, zog stattdessen an seinem Zigarillo. „Warum?“ Mehr brachte der eingeschüchterte Mann nicht heraus. „Was ich Ihnen gestern nach dem Meeting mit den Japanern schon sagte, Sie sind zu alt für meine Anforderungen.“ „Ich bin erst 56, seit zehn Jahren bei Ihnen als Geschäftsführer tätig und brachte immer gute Leistungen!“
Jason nickte. „Das genau ist Ihr Problem, Karl.“ Er musterte ihn abschätzend. „Als sie vor zehn Jahren bei mir ankamen hieß es – er bringt gute Leistungen.“ Jason seufzte „Jetzt stehen Sie zehn Jahre später vor mir und sagen, ich bringe immer gute Leistungen. Sie entwickeln sich nicht. Sie müssten hier stehen und sagen – ich bringe jetzt hervorragende Leistungen.“ Er zog wieder an seinem Zigarillo. „Verstehen Sie, Karl?“
Karl war blass geworden. Jason befürchtete für einen Moment, dass er gleich umfallen würde. „Was soll ich denn jetzt tun, wenn alle so denken wie Sie?“ „Nicht jammern, sondern auftreten wie ein Geschäftsführer.“ Jason deutete auf den Brief. „Nehmen Sie das. Eine gute Abfindung. Machen Sie sich selbstständig, dann können Sie mit Ihren guten Leistungen zufrieden sein.“ Karl schluckte, brachte aber kein Wort mehr heraus, nahm den Umschlag mit zitternden Händen, ging zur Tür, drehte sich um und wollte noch etwas sagen, verließ aber dann wortlos das Büro seines Chefs.
Gleich darauf schaute die junge Frau wieder herein. „Der Detektiv ist da.“ „Gut, soll reinkommen.“ Ein sportlicher, junger Mann, „Hoppla-jetzt-komm-ich-Typ“, kam in das Büro, deutete mit dem Daumen hinter sich. „Der Mann hatte Tränen in den Augen. Verlässt jeder ihr Büro weinend?“ „Kommt drauf an, wer reinkommt“, antwortete Jason gleichgültig. Ohne eine Aufforderung abzuwarten, setzte sich der Detektiv in den Sessel vor Jason und legte eine Mappe auf den Schreibtisch. „Ein Dossier Ihres Kapitäns. Können Sie nach meinem mündlichen Bericht zu Ihren Akten legen.“ Jason lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. „Ich höre.“ Der junge Mann streckte seine Beine aus, fehlte nur noch, dass er sie auf Jasons Schreibtisch legte. „Also ein irrer Typ, dieser Kapitän. Hat ‘ne ganze Latte auf dem Kasten“, er überlegte kurz. „Viele würden sagen, eine interessante, außergewöhnliche Persönlichkeit. Also, als Junge, Schiffsjunge fuhr er auf der PAMIR, einem Handelssegler, der bei Kap Horn gesunken ist. Der Junge war einer der wenigen, die diese Tragödie überlebten.“ Er blickte auf Jason ob einer Reaktion, doch der blieb unberührt. „Gut, weiter. Danach meldete er sich bei der Marine und fuhr bis zum Offiziersanwärter auf dem Segelschulschiff GORCH FOCK. Das Militärische war nicht sein Fall, also ging er wieder zur Handelsmarine. Zunächst als Matrose auf einem alten Fischkutter, noch mit Hauptsegel und Besan. Ein Jahr hat er im Nordatlantik gefischt.“ Er nickt nachdenklich. „Echte Knochenarbeit, kann ich Ihnen sagen. Darauf folgten Handelsschiffe aller Art. Ein paar Jahre später machte er sein Kapitänspatent.“
Der Mann beugte sich zu Jason vor. „Und jetzt kommts. Auf Trampfahrt, also wilder Fahrt, wurde er Kapitän. Sie fuhren in die Karibik. In Port of Prince nahm er heimlich eine Nutte mit an Bord. Sie blieb, bis die Karibikfahrt endete. Er gab ihr reichlich Geld mit, damit sie wieder nach Hause konnte und ließ sie dann in einem anderen Hafen von Bord. Sein erster Offizier, der das mitbekommen hatte, wartete bis sie wieder nach Hamburg zurückfuhren und offenbarte ihm dann, dass er dies der Reederei melden müsste. Der Kapitän fragte ihn, ob er schwimmen könnte. Der Offizier bejahte es verdutzt. Daraufhin warf er den Ersten kurzerhand über Bord in die Elbe.“ Wieder blickte er erwartungsvoll auf Jason und wieder kam keine Reaktion. „Kurze Rede, langer Sinn. Der Typ verlor sein Patent und um einer Zivilklage, die vielleicht Gefängnis bedeutet hätte, aus dem Weg zu gehen, meldete er sich bei der Fremdenlegion.“ Zum ersten Mal meinte der Detektiv ein Zucken in Jasons Augenwinkeln gesehen zu haben. „Nach vier Jahren machte er mit seiner Abfindung eine Segelschule in Nizza auf. Irgendwann war er es leid, sich mit verwöhnten jungen Reichen herumzuärgern und spezialisierte sich auf die Ausbildung von Blauwasserfahrern, also Leuten wie Sie. Übrigens ist der Mann nach mir in das Gebäude gekommen. Wahrscheinlich sitzt er schon draußen bei der hübschen Blondine.“ Nun lehnte sich der junge Mann zurück und verschränkte seine Arme.
Außer dem kurzen Zucken in den Augenwinkeln blieb Jason völlig ausdruckslos. Er öffnete eine Schublade, holte einen Umschlag heraus und überreichte ihn dem Detektiv. „Gute Arbeit.“ Der Detektiv nahm den Umschlag, steckte ihn, ohne hineinzusehen, in seine Jackentasche und stand auf. „Ein guter Mann, wenn Sie meine Meinung hören wollen.“ Jason nickte nur. War das eine Zustimmung oder nur ein Abschiedsgruß? Wie auch immer, der Detektiv ging zur Tür und verließ das Büro.“
Und genau in diesem Moment beginnt eigentlich die Wandlung von Jason. Denn er hat jemanden gefunden, der ihm das Allein-Segeln beibringen wird. Und mit dem Segeln beginnt dann auch die Veränderung des Menschen Jason. Aber mehr soll hier natürlich noch nicht verraten werden.
Spannend lesen sich aber auch die anderen vier Sonderangebote dieses Newsletters, die in gewisser Weise immer wieder mit Prüfungen verschiedener Art zu tun haben und damit, wie wir Menschen an solchen Herausforderungen wachsen können.
Viel Vergnügen beim Lesen, einen schönen Dezember und bleiben Sie weiter und jetzt erst recht vorsichtig, vor allem aber trotz und gerade wegen aller neuen Turbulenzen und Verschärfungen in der Corona-Krise weiter vor allem schön gesund und munter und bis demnächst.