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Navarana und ein Familiengeheimnis, fünf Künstlerexistenzen, Dette und die Eins des kleinen Mannes - 5 E-Books von Freitag bis Freitag zum Sonderpreis

(lifePR) (Pinnow, )
Kann von der Vergangenheit eine Bedrohung für das gegenwärtige Leben eines Menschen ausgehen? Im zweiten der insgesamt fünf aktuellen digitalen Sonderangebote dieses Newsletters, die eine Woche lang zum Sonderpreis im E-Book-Shop www.edition-digital.de (Freitag, 05.07. 24 – Freitag, 12.07. 24) zu haben sind, scheint genau das zu passieren. „Königs Kind“ heißt der dritte Roman von Karina Brauer, der erstmals 2014 im Eigenverlag Karina Brauer erschienen war. Aber wieso Königs Kind und nicht Königskind, wie man erwarten würde?

„Ich bin Königs Kind. Peter Königs Kind. Und ich war einmal so wahnsinnig stolz auf meinen Familiennamen. Überall erzählte ich nur allzu gerne, dass ich ein Königskind sei. Die Erwachsenen lachten meist gütig darüber. Kinder sahen mich zunächst immer erstaunt und manchmal auch neidisch an, dann zeigten mir die meisten aber einen Vogel. Lange, sehr lange brauchte ich, um herauszufinden, wer ich wirklich bin und was es bedeutet, Königs Kind zu sein ...“

In ihrem Buch beschreibt Karina Brauer die Geschichte von Navarana – ein ebenso ungewöhnlicher wie schöner Name - und deren Familiengeschichte und Familiengeschichten. Schon früh lernt das Mädchen, das meist nur Nava genannt wird, dass das Leben der Erwachsenen aus vielen Geheimnissen besteht. Sie ist anfangs fasziniert davon, dass ihr einige Geheimnisse anvertraut werden. Bald erkennt es jedoch, dass das Bewahren eines Geheimnisses auch belastend, sogar gefährlich sein kann.

Als Navarana selbst einem Geheimnis auf die Spur kommt, ändert sich ihr Leben dramatisch. Plötzlich wird es für sie bedrohlich. Wem kann sie da noch trauen und vor allem vertrauen?

Auch in diesem Roman erzählt die Autorin Geschichten, die deutsche Geschichte nachvollziehbar machen, die aber auch zeigen, wie sehr Vergangenheit bis in die Gegenwart wirkt und das Leben beeinflusst.

In seinem erstmals 2013 veröffentlichten Buch „Schwerwiegendes, Gewichtiges, Unwichtiges, Ernst und Spaß, für jeden was“ schreibt Rudi Czerwenka genau darüber, was der Titel verspricht: Erlebtes und Gehörtes, von gestern und heute, über Hinz und Kunz, über Wahrheit und Lüge, über Krieg und Wende – unter anderem über seine Zeit als Fernsehkritiker, wie sie begann und wie sie endete.

In fünf Erzählungen versucht Albrecht Franke in seinem erstmals 1983 erschienenen Buch „Letzte Wanderung“ die Problematik und die Fragwürdigkeit von Künstlerexistenzen zu gestalten, das Leben von Dichtern, die im weitesten Sinne dem Expressionismus zugerechnet werden können: Peter Hille, Georg Heym, Georg Trakl, Theodor Däubler und Paul Zech. Fünf Dichterschicksale, erfasst im Augenblick scheinbaren Scheiterns, an Schlusspunkten widersprüchlicher Biografien.

Erstmals 1971 veröffentlichte Heinz KruschelMein elftes Schuljahr“: Alle sind neu in diesem 11. Schuljahr. Innerhalb von drei Jahren werden sie ihr Abitur machen und dazu noch die Prüfung zum Chemiefacharbeiter. Dette gehörte mal zur Spitze in seiner Klasse, aber jetzt scheint es, als gäbe er sich mit der Drei, der Eins des kleinen Mannes, zufrieden. Doch den Ton in der Klasse gibt die selbstbewusste Rikki an, die Dette nicht ausstehen kann. Aber immer wieder taucht ihr Name in seinem Tagebuch auf. Was hat das zu bedeuten? Und was hat es mit Philosophie und Praxis zu tun?

Und damit sind wir wieder beim aktuellen Beitrag der Rubrik Fridays for Future angelangt. Jede Woche wird an dieser Stelle jeweils ein Buch vorgestellt, das im weitesten Sinne mit den Themen Klima, Umwelt und Frieden zu tun hat – also mit den ganz großen Themen der Erde und dieser Zeit. Heute wird eine Biografie eines Lebens präsentiert, das Anfang des Zweiten Weltkriegs begann.

Erstmals 2019 veröffentlichte Karin Sorkalla den Band „Eine leise Sehnsucht“: Die Autorin geht in den 47 Kurzgeschichten und zwei Novellen den merkwürdigen Beziehungen der Menschen untereinander und zu ihrer Umwelt nach, vor allem ihren Beweggründen, ihren Sehnsüchten und Träumen. Dass die Geschichten dabei hin und wieder auch melancholisch daherkommen, liegt an der Liebe der Autorin zu Rainer Maria Rilke und seinem Spruch „Aus jeder Traurigkeit erwächst eine neue Welterkenntnis“. Das Werden und Vergehen gerade in der Natur auf dem Lande trägt im Vergehen auch schon das Werden in sich.

„Zum Kriegsbeginn geboren, habe ich meine ersten Lebensjahre in einem kleinen Dörfchen oberhalb und südlich von Dresden auf einem Bauernhof verbracht, auf dem meine Mutter als Landpflichtjahr-Magd gearbeitet hat. Mein Vater kehrte, wie so viele Väter, aus dem Krieg nicht zurück. Das Landleben hat mich geprägt, auch wenn ich später viele Jahre in Dresden als Filmtheaterleiterin gearbeitet habe, nachdem ich am Literaturinstitut J. R. Becher ein Fernstudium absolviert hatte.

Mit dem Schreiben allerdings habe ich erst richtig begonnen, als ich Rentnerin wurde. Ich denke aber, man merkt meinen Geschichten an, dass ich ein Landkind geblieben bin. Seit einigen Jahren lebe ich wieder auf dem Lande, was manchmal beschwerlich ist, weil ich durch gesundheitliche Probleme nicht mehr so mobil bin, wie ich es gerne möchte, denn eines ist geblieben: Eine leise und stille Sehnsucht nach Ferne ...“

Folgen wir dieser, ihrer Sehnsucht.

Und noch ein wichtiger Hinweis: bis zum 26. Juli kann das E-Book „Von 2023 nach 1650: Eine unglaubliche Reise der Schweriner Brüder“ von Gisela Pekrul kostenlos heruntergeladen werden: In den lebendigen Straßen von Schwerin, zwischen modernen Bussen, Straßenbahnen und historischen Fassaden, stoßen Noah und Joshua auf ein rätselhaftes Buch, das sie auf eine Reise schickt, die ihr Leben für immer verändern wird. Ein geheimnisvoller Zauberspruch wirbelt sie aus dem Jahr 2023 in das Jahr 1650 - in eine Epoche, in der ihre dunkle Hautfarbe Argwohn erregt und ihre Kleidung Fragen aufwirft.

Der folgende Auszug aus „Königs Kind“ von Karina Brauer zeigt die persönlichen und familiären Umbrüche, die das Leben der Protagonistin prägen. Nachdem ihr Vater infolge seiner Bildungs- und Karriereambitionen die Familie wiederholt verlässt, kommt es zu einer weiteren entscheidenden Veränderung: Sie ziehen um, um näher bei den Großeltern zu sein, was nicht nur das familiäre Gefüge, sondern auch die Lebensweise und sozialen Beziehungen der jungen Protagonistin tiefgreifend beeinflusst.

Ein halbes Jahr nach meiner Geburt wurde mein Vater zum Wehrdienst gezogen. Er blieb drei Jahre bei der NVA. Man hatte ihn mit der Aussicht auf einen Studienplatz gelockt. Als er dann wieder zurückkehrte, blieb er auch nur wenige Monate. Vater verließ uns wieder, weil er im September desselben Jahres ein vierjähriges Ingenieurstudium begann. Vater, Mutter, Kind waren wir drei nur in seinen Semesterferien und an den wenigen Heimfahrtwochenenden, die wir gemeinsam verbrachten. Mit und ohne Vater hatte ich eine schöne Zeit, also so richtig vermisste ich ihn nicht.

Ich beendete mein erstes Schuljahr, da war er wieder da und er blieb und sogleich veränderte sich unser ruhiges, beschauliches Leben. Vater bestand nämlich darauf, dass wir zu seinen Eltern nach Kaltlitz ziehen. Er hatte in der Kreisstadt Bärzow eine Arbeit in der PGH bekommen und die Mutter sollte die Leitung des Kindergartens der LPG übernehmen. Nun, später kam die Wahrheit ans Licht. Es war nicht mein Vater, der das alles wollte, sondern sein Vater. Mein Vater hatte einfach nicht den Mut gehabt, Großvater Bernhard zu sagen, dass wir doch lieber in Schwerin bleiben wollen. Dort hätte Vater nämlich auch Arbeit gehabt. Unter Tränen packten Mutter und ich unsere wenigen Habseligkeiten und folgten dem Vater. Ich spürte, dass ein wichtiger Lebensabschnitt für mich endete. Ja, es endete so vieles, was mir lieb geworden war.

Ich ahnte, es würde bald auch keine Sonntagsspaziergänge mit Großvater Hannes mehr geben. Dass es eigentlich nie Spaziergänge waren, das spielte keine Rolle. Ich nahm damals sicherlich sowieso an, dass außer dem Großvater und mir niemand wusste, dass wir nach dem Verlassen der Wohnung sogleich zum Frühschoppen gingen.

Anfangs, ich war vielleicht fünf Jahre alt, da erschrak ich fürchterlich, als Opa Hannes zu mir sagte: „Komm, Nava, wir gehen spazieren.“ Also Spaziergänge kannte ich nur von den gemeinsamen Unternehmungen mit meinem Vater, und diese Spaziergänge waren sehr lange und sehr langweilig und sehr anstrengend – jedenfalls für mich.

Aber ich wollte Großvater Hannes  eine Freude machen und so zog ich mich schweren Herzens an, um ihn zu begleiten. Wie erstaunt war ich, als wir nach kurzer Strecke eine Gaststätte betraten. Hier wurden wir freundlich begrüßt, eine Kapelle spielte einen Tusch. Der dicke Kellner, der zu uns an den Tisch kam, fragte sogleich: „Herr Kobald, wie immer?“

Und Großvater nickte. Aha, dachte ich, der Großvater ist also der Herr Kobald. Bevor der Kellner ging, zeigte er noch auf mich. Wieder nickte Großvater. Da richtete der Mann in dem schwarzen Anzug an mich die Frage, ob ich denn Eis mit Früchten und Sahne haben möchte. Ich sah meinen Herrn Kobald an, der lächelte gütig und nickte. Also blickte ich den Kellner auch nur an und nickte.

Endlich verschwand er. Ich schaute Großvater mit großen Augen fragend an. „Was ist?“, kam nach einer ganzen Weile von Großvater.

„Ich dachte, wir gehen spazieren.“

Da lachte Hannes Kobald so laut, dass sich alle zu uns umsahen.

In dem Moment, als der Kellner zurückkehrte und vor Großvater ein Bier und einen Schnaps stellte und mir einen großen Eisbecher mit einem kleinen bunten Papiersonnenschirm zuschob, sagte Hannes: „Nee, Kleines, ich bin in Russland genug gelaufen.“ Er lachte wieder, der Kellner stimmte mit ein.

Ich verstand gar nichts, lachte aber auch mit. Was interessierte mich Russland? Das kannte ich nicht. Der Großvater bestellte sich noch einmal Getränke. Ich aß genüsslich meinen Eisbecher leer. Als der Herr Ober, wie Opa den Kellner immer ansprach, wieder an unseren Tisch kam und Großvater das dritte Mal Getränke brachte, wurde dieser gebeten, mir einen zweiten Eisbecher zu bringen.

Kurze Zeit später stand der dann vor mir. Opa hatte das vierte Bier, den vierten Schnaps. Der Ober zwinkerte mir zu, warum - das wusste ich nicht. Ich fand ihn doof. Zu Opa meinte der Mann nun: „Na, Herr Kobald, da wird ja genug Schweigegeld bezahlt!“ Dann lachte er wieder und verschwand endlich.

Großvater beugte sich jetzt über den Tisch und flüsterte mir zu: „Erzählst aber nicht, wie viel wir getrunken haben, nicht wahr!“

Nun hatten wir unser Geheimnis, und ich versprach, ihn nie zu verraten. Wir hatten ja auch nichts getrunken, nur der Opa, ich nicht.

Von da an gingen wir an jedem Sonntagvormittag spazieren. Ich liebte diese Spaziergänge sehr. Ich bekam mein Eis - zweimal Getränke für den Großvater bedeuteten immer ein Eis für mich. Ich war selig. Außerdem lernte ich doch so viel von Großvater. Er brachte mir zum Beispiel das Rechnen bei, nämlich beim Geldzählen, und dann erzählte er immer so schöne Geschichten. Das Allerschönste an diesen Sonntagvormittagsstunden war jedoch, dass ich mir Musik wünschen durfte, die die Kapelle dann spielte.

Großvater bezahlte dann eine Runde für die Musiker und alle waren glücklich. Was eine Runde war, das wusste ich nicht. Es war auch egal. Manchmal ließen mich die Männer sogar mit in ihrer Kapelle spielen. Einer meinte einmal zum Opa, dass ich Talent hätte und der Großvater solle sich darum kümmern.

Das tat Hannes Kobald dann auch. Ich bekam eine Triola geschenkt und spielte bald alle Kinderlieder, die in dem dazugehörenden Notenheftchen waren, auswendig. Damit war meine Talentförderung aber auch beendet.

Mit unserem Fortzug aus meiner Geburtsstadt war all das plötzlich vorbei.

Nie habe ich den Großvater verraten, das glaubte ich jedenfalls. Großmutter Agnes wollte ja auch nie von mir wissen, was und wie viel der Großvater getrunken hatte. Agnes fragte nur immer, ob ich denn Eis gegessen hätte und wie viel. Wahrheitsgemäß antwortete ich ihr natürlich immer. Das war doch kein Geheimnis!

Ich wunderte mich allerdings immer, warum sie nach unserem sonntäglichen Spaziergang so etwas wissen wollte und warum sie dabei immer so schelmisch grinste.

In "Schwerwiegendes, Gewichtiges, Unwichtiges, Ernst und Spaß, für jeden was“ von Rudi Czerwenka wird mit viel Humor und einer Prise Ironie das alltägliche Leben beschrieben. Die folgende Leseprobe beginnt mit einer Begegnung zwischen dem Autor und einem alten Freund, die eine Reihe komischer, doch nachdenklicher Ereignisse nach sich zieht, welche die beiden Männer auf eine unerwartete Weise verbinden.

Die Idee für die Geschichte keimte in meinem Hirn nach einer der ersten Frostnächte. Ich war auf dem Heimweg und traf dabei zufällig auf meinen Skatbruder Gustav. Ich lobte meinen im eigenen Garten hochgezogenen und nun geernteten Weißkohlkopf, Gustav seine im Großmarkt erworbenen Erdbeeren.

Während wir nebenbei eifrig über das bevorstehende Skatturnier debattierten, geschah es.

Gleichzeitig kamen wir auf dem schrägen Hang ins Rutschen und landeten auf den Hosenböden.

Mein Kohlkopf rollte unbeschadet voraus und blieb schließlich liegen.

Gustavs Erdbeeren kullerten davon und waren anschließend nicht mehr zu verwenden.

Mein Weißkohl aus ökologischem Anbau hatte die hochgestylte Importware aus dem Supermarkt aus dem Rennen geschlagen!

Das war doch was!

Ich schrieb die Geschichte auf und marschierte zur Redaktion. Der Zeitungsmann lachte kurz auf. Dann wurde er zunehmend ernst.

„Du schreibst, dass wir Kohl produzieren.“

„Aber es war doch Kohl.“

„Kohl ist für die meisten Menschen ein Symbol, auch als Kohlkopf.“

„Ach so.“ Ich begriff. „Aber der Mann ist doch längst im Ruhestand.“

„Trotzdem. Nimm anderes Gemüse! Und unterlass außerdem versteckte Anspielungen auf die Großmarktketten! Die schalten bei uns schließlich ihre Inserate.“

Hinter dem häuslichen Schreibtisch überfiel mich später die Einsicht. Der Redakteur hatte ja recht. Kohl war zu zweideutig, jedenfalls dieser hier aus meinem Garten. Ich werde Radieschen nehmen, allein schon wegen der rosaroten Färbung. Doch die wechselte auf Weiß, wenn man hineinbiss.

Der Zeitungsmann würde mich davonjagen mit meinen Radieschen. Doch, wie wär’s mit Tomaten? Das war eine Delikatesse.

Mit dennoch leichtem Unwohlsein und meinem neuen Text betrat ich das Zeitungshaus. Der Journalist sagte zunächst gar nichts. „Hast du unser Blatt gelesen, heute und gestern?“, murmelte er fast geheimnisvoll. „Alles mit Dioxin verseucht, oder wie das Zeug heißt. Vor dem Kauf von Tomaten wird dringend gewarnt.“

„Also abgelehnt“, sagte ich und wollte meinen Text vom Redaktionstisch in den Papierkorb befördern.

„Wir lehnen nichts ab“, fuhr der Zeitungsmann dazwischen. „Im Gegenteil, wir beraten und helfen höchstens ein bisschen. Deshalb werden wir deine Geschichte so verfremden, dass sich kein Mensch direkt angegriffen fühlt und trotzdem jeder den realen Kern versteht.“

„Wie das?“

„Ganz einfach. Erst einmal bleiben jegliche Namen weg, wie der deines Gustavs. Höchstens das abgekürzte G. und dahinter in Klammern das Alter. Sodann die Benennung der Jahreszeiten, damit wir keinen Konflikt mit dem Winterdienst heraufbeschwören. Und dein Gemüse wird gestrichen.“

„Wegen des Dioxins?“

„Nein, weil es grün, also politisch ist.“

„Aber Paprika hat alle Farben.“

„Bis auf schwarz. Also raus damit! Wir bleiben lediglich im Rahmen unserer Gesellschaft, unserer Leser, der Menschen. Verstehst du? Nehmen wir z. B. das Verhältnis zwischen Mann und Frau. Lassen wir doch einfach die Frau ausrutschen!“

„Und wo bleibt dann die Gleichberechtigung? Außerdem schreibe ich keine Pornografie.“

Es dauerte. Wir tranken zwei Tassen Kaffee, teilten uns eine Flasche Wasser und rauchten drei Zigaretten, weil die Schachtel anschließend leer war.

Zu Hause verarbeitete ich das Diskussionsmaterial. Dann setzte ich mich an die Schreibmaschine.

In der neuen Fassung meiner Geschichte spazierten nun ein Opa und sein Enkel, ohne Namensnennung und Altersangaben, einen ziemlich steilen Hang hinunter. Der Opa, vorsichtig Fuß vor Fuß setzend, warnte den Knaben, er werde bei seiner ständigen Hopserei und Achtlosigkeit sehr schnell auf dem Podex sitzen. Sprach’s, tat noch einige Schritte und saß selbst.

Der Redakteur las meinen Text sehr aufmerksam und sagte: „So geht das nicht.“

Meine Geduld war erschöpft. „Aber erkennst du denn nicht den Symbolgehalt? Die Jugend, schwungvoll, mutig und risikobereit, nimmt jede Hürde. Wir Älteren dagegen zaudern, wägen ab, durchdenken alles, tasten uns schließlich vorsichtig voran und landen trotzdem auf dem Bauch oder auf der Kehrseite.“

„In deiner Geschichte steckt ein grundsätzlicher Fehler“, sagte der Redakteur und zermalmte seine Kippe im Aschenbecher.

„Aber ich habe doch alles so geschrieben, wie von dir empfohlen, die Zahlen und Namen und die Farben und das Gemüse weggelassen und mich nur auf die Menschen, auf unsere Bürger, das Volk konzentriert.“

„Eben.“

„Und?“

Der presseerfahrene Journalist hustete und holte tief Luft. „Der Weg der Menschen in dieser Geschichte, deiner beiden Protagonisten, ob vom Opa oder vom Enkel, ob sie stolpern oder nicht, führt bei dir bergab!“

In „Letzte Wanderung“ von Albrecht Franke tauchen wir tief in das tragische Schicksal eines Mannes ein, dessen psychische Belastung ihn an den Rand der Gesellschaft drängt. Die folgende Leseprobe schildert seinen verzweifelten Versuch, der Überweisung in eine psychiatrische Klinik zu entkommen, eine Reise voller Hoffnung und Resignation, die ihn durch die belebten und scheinbar friedlichen Szenen eines Bahnhofs führt.

Sie bringen ihn zum Bahnhof, damit er nach Krakau in die Psychiatrie transportiert wird. Wenn einer nicht mehr weiterleben kann oder will, dann muss er verrückt sein. Also, ab mit Trakl in die Irrenanstalt. Sollen die doch zusehen, wie sie mit ihm fertig werden.

Der Bahnhof ist belebt. Ist denn überhaupt noch Krieg? Vielleicht ist alles schon vorbei, und nur Trakl muss noch nach Krakau. Hier ist es so, wie es auch im Frieden gewesen sein mag. Schwatzende Bäuerinnen mit Federvieh in großen Körben. Streckenarbeiter der Eisenbahn, die nach Tabak und scharfen Zwiebeln riechen. Kinder toben auf der Verladerampe. Das alles gibt es also noch. Er hatte es schon fast vergessen. Alles normal und friedlich. Er empfindet in diesem Moment tiefes Selbstmitleid. Doch das reicht jetzt nicht. Wehren muss er sich, er hat sich ja nie gewehrt in seinem Leben, alles hat er nur hingenommen in der Hoffnung, dass es sich schon irgendwie zum Guten wenden werde. Und so wagt er diesen letzten verzweifelten Versuch, wenigstens einmal sich zur Wehr zu setzen, auch wenn er vergeblich sein sollte. Ein Zug fährt eben an. Er stößt seine Begleiter heftig zur Seite und springt auf die Plattform des letzten Wagens, betritt das Abteil und sucht sich einen Platz. Der Zug ist schon auf freier Strecke. Beim Aufspringen hat er gesehen, dass dies ein Schnellzug nach Rzeszow ist. Er streckt sich auf der Polsterbank aus, ist stolz auf sich und müde. Als ihn seine Verfolger wach rütteln, lässt er sich ohne Widerstand abführen. Sie zwingen ihn, starke Sedativa einzunehmen. Taumelnd steigt er in einen anderen Zug. Unterwegs gibt es Aufenthalt auf einem kleinen Bahnhof. Er sieht nur einen grauen Himmel, Krähen und die Rauchfahnen der Lokomotiven. Man führt ihn in die Bahnhofsrestauration, bestellt ihm eine Bouillon und Weißbrot. Aber er verweigert das Essen. Eine Militärpatrouille kommt herein, Routinekontrolle; vier schnauzbärtige Kerle in langen Mänteln, mit Pistolen, einem großen Hund und Gummiknüppeln. Damit knallen sie beim Gehen rhythmisch gegen ihre Stiefel. Alle Gäste müssen sich legitimieren. Nur von ihm verlangt man weder Papiere noch Fahrkarte. Eine geflüsterte Unterhaltung und ein gestempelter Schein genügen, die Patrouille macht kehrt. Er sieht neugierige und grinsende Gesichter, sieht Männer in gelben Filzhosen und bestickten Jacken, junge Frauen in schwarzen Kleidern. Und er wünscht sich, dass er sich selbst sehen könnte, inmitten der Häscher, die ihn nach Krakau bringen.

Am Abend schon ist man dort. Sie bringen ihn im geschlossenen Wagen zum Garnisonsspital. An der Auffahrt muss er aussteigen. Er geht schleppenden Schrittes. Die Laterne über dem Hauseingang schaukelt im scharfen Ostwind. Vor der schweren Tür bleibt er kurz stehen. Er starrt dem Lichtstrahl nach, der an der Schwelle zu sehen ist. Das Schreien und Stöhnen ist bis hier zu hören. Wenige Augenblicke lauscht er. Seine Hände verkrampfen sich wieder. In seinem Gesicht zuckt es. Sein Mund öffnet sich, aber es kommt kein Schrei mehr heraus. Da geht er schnell und ohne zu zögern über die Schwelle.

In "Mein elftes Schuljahr“ von Heinz Kruschel erleben wir die Herausforderungen und Selbstzweifel des jungen Detlev, der sich inmitten seiner adoleszenten Veränderungen wiederfindet. Die folgende Leseprobe gibt Einblicke in einen Tag aus Detlevs Leben, an dem ein schulischer Misserfolg und soziale Spannungen sein Selbstbild und seine Beziehungen beeinflussen.

Weder Fisch noch Fleisch. Jawohl. Heute habe ich meinen Vortrag gehalten. Nicht gut. Klebach sagte: „Sie hatten über vier Wochen Zeit. Hätten Sie diesen Vortrag aus dem Stegreif halten müssen, dann wäre er gut gewesen, so aber ..., eine Drei, Detlev.“ Weder Fisch noch Fleisch.

Vor der nächsten Stunde sagte Fleischer grinsend: „Die Eins des kleinen Mannes ist eben doch die Drei, siehst du das endlich ein, du Prediger?“ Ich stieß ihm wütend die Faust vor die Brust. Er schlug zurück, Firsow trennte uns.

Sacke ich denn ab? Das bedrückt mich. Ich will nicht absacken. Was stimmt nicht bei mir? Ich habe ein Gefühl wie in der siebenten Klasse nach Ostern, da hatte ich Vater eine Zigarre geklaut und sie auf dem Boden geraucht. Mir wurde schlecht, ich habe nur mit Mühe das Klo erreicht. So ein Gefühl hatte ich heute. Abends nahm ich mir ein Herz und erzählte alles zu Hause, natürlich erst, nachdem mein Bruder Dan im Bett lag. Dessen Meinung hätte ich nicht ertragen können. Mutter schüttelte den Kopf, sie erregt sich leicht, sie wollte fragen, aber Vater unterbrach sie beschwichtigend und sagte zu mir: „Niederlagen und Enttäuschungen gehören zum Leben eines jeden Menschen, man kann nicht vorankommen, ohne Niederlagen eingesteckt zu haben. Aber eine Niederlage muss anspornen, man muss einen neuen, besseren Anlauf nehmen, nur die schwachen Menschen resignieren. Wie man solche Niederlagen überwindet, darin zeigt es sich, ob man ein Kerl ist oder nicht ...“

Recht hat er. Ich habe mich schon darauf verlassen, Spitze zu sein und zu bleiben, ohne viel zu tun.

Heike hatte Kinokarten besorgt, wir sahen einen Monsterfilm mit vielen tapferen guten Rittern und vielen bösen feigen Rittern; das Marmeladenblut floss, aber ich war nicht bei der Sache, die Devisen hätte sich die DEFA sparen können. Ich spürte, dass ich auch Heike gegenüber ungerecht war, sie versuchte ihr Bestes, um mich abzulenken, aber ich reagierte schroff, ich wäre lieber allein gewesen. Heike tut verliebt, aber was soll das, ich bin nicht verliebt, ich weiß nicht einmal, wie das ist. Sie soll bloß nicht mit dem Knutschen anfangen wie Hanne aus der zehnten Klasse im August. Ist Heike etwa doch so? Sind Mädchen alle so? Oder bin ich nicht normal?

In "Eine leise Sehnsucht“ von Karin Sorkalla erleben wir die tiefe, bewegende Geschichte von Sophie, einer jungen Frau, die in der entscheidenden Phase ihres Lebens vor herausfordernden Entscheidungen und Erfahrungen steht. Die folgende Leseprobe führt uns in einen markanten Wendepunkt in ihrem Leben ein, als sie ihre erste Begegnung mit einem neuen Zuhause hat und unerwartet auf eine romantische Verbindung stößt, die ihr Leben für immer verändern wird.

Strohsackstopfen

Es war schon später Nachmittag, als Sophie oben an der Straßenbiegung ankam, wo es hinunter ins Tal ging und dann weiter die steile Straße hinauf in das letzte Dorf vor dem Berg mit der großen Silberpappel, die als Wahrzeichen vom weiten Elbtal aus gesehen werden konnte und die auf der höchsten Erhebung vor dem Erzgebirge stand.

Das Dorf auf halber Höhe lag schon dunkel im Sonnenschatten, es war ja Septembermond, die Tag- und Nachtgleiche, und sie hatte ein ungutes Gefühl, denn ihr erschien es wie eine Zwingburg aus dem Mittelalter. Das Tal davor, in das sie nun noch hinunter und drüben wieder heraufsteigen musste, hatte für sie nichts Liebliches an sich, obwohl es das schönste Tal unterhalb des Gebirges sein sollte.

Nur langsam und widerwillig ging sie nun weiter, es war schon Abend, als sie in dem Bauernhof ankam, der ihr Zuhause für das angeordnete „Landpflichtjahr“ werden sollte.

Man empfing sie freundlich, aber ohne viel Worte, denn alle saßen gerade im Gesindezimmer am großen Tisch beim Abendbrot. Die Bäuerin zeigte ihr ihren Platz zwischen den Knechten und meinte nur, sie solle nur zulangen, hungern müsse man hier nicht.

Nach dem Essen sagte die Bäuerin zu einem der jungen Knechte: „Erich, bitte, geh mit Sophie und hilf ihr beim Stopfen.“

Sophie erblasste, stopfen, was sollte sie denn nun und ausgerechnet mit diesem Mann, der sie die ganz Zeit lächelnd angesehen hatte, stopfen?

Erich erhob sich, kam auf Sophie zu und nahm sie einfach an der Hand und zog sie mit sich aus dem Zimmer hinaus und weiter in die Scheune.

Es war der Strohsack, auf dem sie nun eine sehr lange Zeit ihre Nächte verbringen würde. Und dass sie diese Nächte, gerade jetzt im Herbst, irgendwann nicht immer sehr allein darauf verbringen musste, war das Schönste daran.

Allerdings nur bis zu dem frühen Morgen, als Sophie während des Kühemelkens spontan das Plumpsklo aufsuchen und erbrechen musste. Nun ja, dachte sie, es sind die roten Bete, auf die sie in den letzten Tagen so erpicht gewesen war und die sie nicht vertrug. Es war die Bäuerin, die am Mittagstisch zu Erich sagte, es sei nun wohl Zeit, bei Sophies Eltern um ihre Hand anzuhalten. Beide wurden rot und Sophie musste schon wieder rennen, und als sie zurückkam, nahm Erich sie liebevoll in den Arm und sagte laut und deutlich: „Ich liebe dich, liebste Sophie, lass uns heiraten!“

Hand in Hand mit Erich lernte sie dieses bergige Land ringsum lieben, mit der Silberpappel oben auf der Höhe und dem lieblichen Gebergrund mit den Mühlen. Und selbst im Herbst, wenn das Dorf im Sonnenschatten lag, empfand sie es nicht mehr bedrohlich, sondern als etwas, zu dem sie gehörte.

Eigentlich wäre nun nicht mehr sehr viel zu sagen, aber inzwischen war Krieg und Erich musste an die Ostfront.

Von nun an stopfte Sophie ihren Strohsack allein, eine Weile später waren es dann zwei, auch wenn der zweite etwas kleiner war.

Im Septembermond 1943 kam der Brief: vermisst.

Sophie hatte keine Zeit zum Trauern. Die Arbeit auf dem Bauerngut war schwer, denn Knechte gab es keine mehr, es war ja Krieg.

Jahr um Jahr ging Sophie in die Scheune, stopfte ihre Strohsäcke und wartete.

Und dann war der Krieg vorbei. Und Sophie wartete weiter und weiter und stopfte ihre Strohsäcke Jahr für Jahr allein. Und von Jahr zu Jahr fiel es ihr schwerer.

Einmal wollten ihre Tochter und der Schwiegersohn ihr ein Bett mit Matratze kaufen. Sophie lehnte ab.

Es war ja der Strohsack, der ihr als einzige Erinnerung geblieben war …

In "Von 2023 nach 1650: Eine unglaubliche Reise der Schweriner Brüder“ von Gisela Pekrull werden wir in die ereignisreiche Zeitreise von Noah und Joshua eingeführt, die unverhofft aus der modernen Welt in die ungewisse Vergangenheit katapultiert werden. In der folgenden Leseprobe erleben die Brüder einen unerwarteten Zwischenfall, der ihre List und ihren Mut auf die Probe stellt, während sie sich in einem historisch fremden Umfeld zurechtfinden müssen.

Ein unerwarteter Zwischenfall

Endlich verlassen der Stadtwächter und der Büttel die Hütte. Alle atmen auf, wagen aber noch nicht zu sprechen, weil sie nicht wissen, ob die beiden Männer vor der Tür lauschen. Nach einer gefühlten Ewigkeit traut sich der Vater aus der Tür und sieht sich misstrauisch um. Die gefährlichen Männer betreten gerade die Brücke über den Stadtgraben. Die umstehenden Hütten sind alle geschlossen. Offensichtlich steckt ihren Bewohnern auch noch der Schreck über die unerwarteten Besucher in den Gliedern.

„Eilt, aber passt auf, dass Euch keiner aus den anderen Hütten sieht, vor allem keiner von den Habersacks. Schleicht Euch zur Brücke und mischt Euch unter das Volk, das aus den Stadttoren strömt. Gebt vor, als wärt Ihr Teil einer der Familien, die zum Richtplatz drängen. Redet nicht übermäßig, Eure Zunge klingt zu fein für uns schlichte Leute. Wir werden Euch in einigem Abstand folgen. Es darf nicht bekannt werden, dass wir uns gesehen haben. Gott mit Euch!“

Die Jungen eilen hinaus, sehen sich neugierig um und entdecken mehrere solche kleinen Holzhäuser mit einem Dach aus Stroh. Die Hütten haben nur kleine Öffnungen statt Fenstern und werden durch roh aus Brettern gezimmerten Türen verschlossen. Schornsteine gibt es nicht, aber sie haben ja schon gesehen, dass der Rauch durch ein Loch im Dach entweicht. „Meine Sachen riechen nach Rauch. Erst jetzt merke ich, wie es in der Hütte gestunken hat“, sagt Joshua leise zu seinem Bruder.

Noah lacht: „Mama hätte schnell alle Fenster aufgerissen, damit frische Luft reinkommt. Doch es gibt ja nur ganz kleine Öffnungen als Fenster.“ Ernsthaft fügt er hinzu: „Wir haben gesehen, wie arm die Menschen sind. Alle leben in einem einzigen kleinen dunklen Raum, sitzen und schlafen auf Stroh und kochen auf offenem Feuer. Und trotzdem haben sie uns geholfen.“

Beinahe vergessen die Jungen über alldem, wovor der Mann sie gewarnt hat. Sie sehen vor sich die Brücke über den Stadtgraben, links und rechts die hohe Stadtmauer und am Ende der Brücke den hohen Wehrturm. Was sie von der Stadt im Hintergrund erblicken, ist ihnen völlig fremd.

Die beiden kommen unerkannt bis zur Brücke. Joshua denkt daran, wie sie zähneklappernd aus dem Fluss gestiegen sind. „Das waren gute Menschen. Wir konnten uns so schön aufwärmen. Die wollene Decke schützt uns vor der Kälte und meine Sachen sind fast trocken“, frohlockt Joshua.

„Sei leise“, flüstert Noah.

Ein nicht enden wollender Strom von Menschen, Karren und Reitern bewegt sich von der Brücke entlang der Felder Richtung Nordwesten. Sie drängen sich dazwischen, und fühlen sich in der großen Menschenmenge ziemlich sicher. Sie fallen mit der Decke, die ihre schwarzen Locken, die Kleidung aus dem 21. Jahrhundert und die bunten Schulranzen bedecken, nicht auf. Viele sind ähnlich wie die Familie, die sie in ihrer Hütte versteckt hatte, gekleidet. Oft sind die Sachen schmutzig, mit großen Flicken versehen oder gar zerrissen. Die Gesichter sind hinter großen Hüten verborgen. Andere wiederum schützen sich vor der Kälte ebenfalls mit einer umgehängten Decke. Einige sehr vornehm gekleidete Herren oder Damen reiten auf Pferden.

Die beiden Jungen sehen sich erstaunt um und sprechen leise miteinander: „Das müsste doch die Wismarsche oder Lübecker Straße sein. Wir waren hier oft mit Mama unterwegs oder sind mit der Straßenbahn vom Marienplatz aus gefahren.“ „Jetzt ist es noch ein ungepflasterter Weg voller Pferdeäpfel und Kuhfladen, zwischen Feldern und vereinzelten kleinen Hütten.“ „Das Kino, die Bibliothek und der Bahnhof sind auch weg.“ „Nirgends ein Geschäft oder eine Gaststätte!“ Abwechselnd flüstern sie sich verwundert ihre Eindrücke zu.

Noah dreht sich kurz um, da trifft sein Blick den des Jungen, der ihnen beim ersten Versuch, ins Warme zu kommen, die Tür sofort wieder zugeschlagen hat. Er versucht, sich weiter vorn in der Menge zu verstecken, doch da schreit der Junge schon: „Da sind die beiden schwarzen Teufel. Sie werden uns alle holen.“

Sofort entsteht unter den Menschen, die sich bisher munter plaudernd hinter- und nebeneinander auf dem schmutzigen Weg vorwärtsbewegt haben, große Unruhe. Ängstlich weichen die Leute vor den beiden zurück, denn keiner will vom Teufel berührt werden. Viele murmeln leise Gebete oder bekreuzigen sich. Noah zieht seinen kleinen Bruder in schnellem Lauf an den aufgeschreckten Menschen vorbei weiter nach vorn. Zurück können sie nicht und die abgeernteten Felder seitlich bieten erst recht keinen Sichtschutz. „Vielleicht gibt es bald einige Bäume und Sträucher, hinter denen wir uns verstecken können“, denkt Noah. Diese kleine Unaufmerksamkeit reicht aus, dass er vor sich einen großen Mann übersieht und mit ihm zusammenstößt. Der Große schimpft schrecklich und versucht, Noah zu packen. Der Junge erschrickt, wendet instinktiv einen Karategriff an und streckt den kräftigen Mann nieder.

Nun ist erst recht alles in Aufruhr. „Das ist des Teufels Werk, Hexenkunst! Ergreift ihn!“, schreien alle durcheinander. Während einige sich um den wie tot auf dem Weg liegenden Mann kümmern und andere ihn nur erstaunt anstarren, ist Joshua heimlich auf einen Ochsenkarren geklettert, hat sich hinter einem großen Fass versteckt. Noah tut es ihm gleich.

Die Menge tobt nun erst recht, weil die Jungen verschwunden sind. „Ich hab's mit eigenen Augen gesehen, wie sie durch die Lüfte sausten“, ruft einer. „Der Teufel hat sie sicherlich wieder zu sich geholt“, meint ein anderer.

Niemand entdeckt die beiden auf dem Karren, nicht einmal der Bauer, der neben dem Karren einhergeht, und so nähern sie sich unbehelligt dem Richtplatz. „Ich hab furchtbare Angst, dass man uns entdeckt“, jammert Joshua leise. „Ich glaube nicht, dass sie Kinder wirklich auf dem Scheiterhaufen verbrennen“, versucht ihn sein Bruder zu beruhigen.

Hinter ihnen sehen sie einen vornehm gekleideten Reiter, der in heftigem Galopp auf den Wagen zureitet, ohne sich um die vielen Leute und Karren zu kümmern. Die Menschen springen schnell zur Seite, Zugtiere werden unruhig, und der Bauer weicht rasch mit seinem Ochsenkarren auf das Feld aus. Dabei übersieht er einen großen Stein, beinahe schon ein Felsen. Ein heftiger Ruck lässt das Fahrzeug erzittern, die Deichsel mit dem Ochsen löst sich und das Gefährt saust ungebremst den Hang zum Richtplatz hinunter, in die dort dichtgedrängte Menge hinein. Der Bauer läuft wild gestikulierend seinem Wagen nach, erreicht ihn aber nicht mehr. Ein Mann versucht, den Wagen aufzuhalten, wird jedoch von dem immer schneller rollenden Gefährt zur Seite gedrückt und setzt sich mitten in einen Kuhfladen. Lautes Gelächter der Umstehenden ist der Lohn für sein Pech.

Die Jungen haben keine Freude an dieser Komik. Schon als der Karren in Bewegung geriet, spürten sie, wie die Fässer hinter ihnen ins Rutschen kamen. Das Geräusch von knirschendem Holz und das Klappern der Fässer wird immer lauter. Joshua, der weiter hinten sitzt, spürt, wie ein Fass gegen seine Beine stößt. Er versucht, es mit den Füßen wegzudrücken, aber es ist zu schwer.

„Noah, hilf mir!“, ruft er voller Panik.

Jetzt haben wir doch endlich Sommer. Sommerzeit ist auch Urlaubszeit. Und Ferienzeit. Was waren das noch für Zeiten, als es lange Große Ferien gab, in denen so oder so allerhand passiert ist.

Insofern ist der Sommer auch eine gute Gelegenheit, an die Schulzeit, an die vielen Mitschülerinnen und Mitschüler zurückzudenken, die man über die Jahre getroffen und mehr oder weniger gut gefunden hat.

Anlass für solcherart Schulerinnerungen könnte auch die Lektüre von „Mein elftes Schuljahr“ von Heinz Kruschel“ sein, das erstmals vor immerhin schon 53 Jahren veröffentlicht worden war. Das ist lange her. Trotzdem wird einem einiges bekannt vorkommen. Viel Spaß beim Lesen und Erinnern.

Unbedingt ansehen sollte man sich aber auch zwei so unterschiedliche Bücher wie „Letzte Wanderung“ von Albrecht Franke und „Schwerwiegendes, Gewichtiges, Unwichtiges, Ernst und Spaß, für jeden was“ von Rudi Czerwenka. So unterschiedlich sie auch sein mögen, in beiden Büchern geht es um Biografien, um Lebensgeschichten. Und das ist immer eine spannende Lektüre, wie auch die Texte von Karin Sorkalla in ihrem vielgelobten Buch „Eine leise Sehnsucht“ beweisen. Manche Rezensentinnen und Rezensenten schreiben sogar, dass es ihnen geholfen habe, trübe Stimmungen zu überwinden und wieder Lebensmut zu schöpfen. Dazu kommen die Verbindung zur Natur und das enge Verhältnis der Autorin zu einem ganz besonderen Schriftsteller: „Es ist diese Mischung aus Schwermut und Lebensfreude, die das Buch so besonders macht. Sorkallas Liebe zu Rilke wird in vielen Geschichten sichtbar und fügt eine poetische Schicht hinzu, die die Geschichten noch berührender macht“, heißt es in einer ausführlichen, lobenden Amazon-Rezension.

Bleiben Sie ansonsten weiter vor allem schön gesund und munter und der Welt der Bücher gewogen. Das Newsletter-Paket mit den fünf Sonderangeboten für die nächste Woche ist schon verpackt und zum Absenden vorbereitet.

Erinnern Sie sich vielleicht noch? Ab 1. Januar 1979 wurde im DDR-Fernsehen eine siebenteilige Abenteuerserie ausgestrahlt, die schnell viele Fans fand und inzwischen längt Kultstatus hat. Es folgte ein ebenso erfolgreicher zweiteiliger Kinofilm und ein Kinderbuch, das in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts eine Auflage von mehr als 100.000 Exemplare erreichte. Die Rede ist von „Spuk unterm Riesenrad“ von C. U. Wiesner. Erinnern Sie vielleicht noch?

Jetzt können Sie es nochmal in aller Ruhe nachlesen. EDITION digital konnte für das E-Book auf die Originalfassung des DDR-Kinderbuchverlages von 1984 zurückgreifen. Viel Vergnügen – in der nächsten Woche.

EDITION digital Pekrul & Sohn GbR

EDITION digital war vor 29 Jahren ursprünglich als Verlag für elektronische Publikationen gegründet worden. Der Verlag gibt Krimis, historische Romane, Fantasy, Zeitzeugenberichte und Sachbücher (NVA-, DDR-Geschichte) sowie Kinderbücher als barrierefreie E-Book heraus, einige auch als Hörbuch. Ein weiterer Schwerpunkt sind Grafiken und Beschreibungen von historischen Handwerks- und Berufszeichen sowie Belletristik und Sachbücher über Mecklenburg-Vorpommern. Bücher ehemaliger DDR-Autoren werden als E-Book neu aufgelegt. Insgesamt umfasst das Verlagsangebot, das unter www.edition-digital.de nachzulesen ist, mehr als 1.300 Titel. Die Printsparte des Verlages war Ende vergangenen Jahres von Ralf Jordan vom Geschichtlichen Büchertisch als Imprint übernommen worden.

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