Um mehr als ein getötetes Tier geht es in dem übrigens auch verfilmten Kinder- und Jugendbuch „Biberspur“ von Bernd Wolff. Um viel mehr.
Zu einen Zeitsprung in gefährliche Zeiten lädt Harald Wieczorek mit seinem Roman „Jakob, der stumme KriegerJakob“ ein, der während und nach dem Dreißigjährigen Krieg spielt. Und damit ist jetzt nicht das Corona-Virus gemeint …
Schließlich bringt dieser Newsletter noch einen Krimi. Und zwar einen Import aus Österreich – „Schwesterschwund. Kommissarin Stefanie Schönberger ermittelt im Waldviertel“ von Arnold Hiess.
Und damit sind wir wieder beim aktuellen Beitrag der Rubrik Fridays for Future angelangt. Jede Woche wird an dieser Stelle jeweils ein Buch vorgestellt, das im weitesten Sinne mit den Themen Klima, Umwelt und Frieden zu tun hat – also mit den ganz großen Themen der Erde und dieser Zeit. Und da hat die Literatur schon immer ein gewichtiges Wort mitzureden und heute erst recht. Heute erinnern wir uns an ein wichtiges Thema des untergegangenen kleineren deutschen Landes – Solidarität. Ein anderer poetischer Begriff, der damals hin und wieder dafür zu hören war, lautete „Die Zärtlichkeit der Völker“. Ganz in diesem Sinne handelt auch ein Kollektiv von DDR-Bürgern, die einen wichtigen Auftrag erfüllen sollen. Doch das passt nicht allen. Vor allem aber geht es um handfeste wirtschaftliche Interessen, um Krieg mit wirtschaftlichen Mitteln …
Erstmals 1982 erschien im Militärverlag der Deutschen Demokratischen Republik Berlin „Eilfracht via Chittagong“ von Wolfgang Held: Die „Sachsenburg“ ist mit eiliger Ladung auf dem Weg nach Chittagong. Als den Kapitän auf hoher See die Nachricht erreicht, dass er die Fahrt unterbrechen soll, ahnt er nichts von den Komplikationen, die diese Order nach sich zieht. Die in Conakry übernommene Solidaritätsfracht für die Befreiungsfront in Mocambique erweist sich als eine geschickt gestellte Falle. Das Schiff wird in einem von portugiesischen Kolonialtruppen kontrollierten Hafen festgehalten; Quarantäne und die Entführung zweier Besatzungsmitglieder und eines Passagiers liefern dafür den äußeren Vorwand. Der Termin für das rechtzeitige Eintreffen in Chittagong gerät von Tag zu Tag mehr in Gefahr. Wenn es den Seeleuten nicht gelingt, die Pläne des Gegners zu durchkreuzen, droht dem Außenhandel der DDR ein großer Verlust. In unserem Textausschnitt ist aber davon zunächst kaum etwas zu spüren. Stattdessen begegnen wir anfangs des vierten Kapitels dem Kapitän bei einer durchaus ungewöhnlichen Tätigkeit:
„Heinz Hageneier spielt auf seinem Cello.
Nur mit Turnhemd und -hose bekleidet, sitzt er mitten in der Messe auf einem Stuhl, den kräftigen Oberkörper leicht nach vorn über das zwischen seine gespreizten Knie gestellte Instrument gebeugt. Angeblich ein wertvolles Exemplar, hergestellt in der Werkstatt des Stradivari-Schülers Guarneri. Ein Gelegenheitskauf. Vor vier Jahren hat er fast sein gesamtes Erspartes dafür gegeben, obwohl er damals noch nicht einmal wusste, wie man den Streichbogen anfassen muss.
Seitdem ist kein Tag ohne Übung vergangen. In jedem Urlaub gibt er eine Menge Geld für Musikunterricht aus. Dennoch hört er immer wieder zum Teil sehr taktvolle, aber auch ganz unverblümte Anspielungen auf seine musikalische Talentlosigkeit. Er nimmt solche Urteile gelassen hin. Seine Freude am Musizieren bleibt ungetrübt. Er tut so, als bemerke er die neidvoll-gequälten Blicke gar nicht, mit denen zuweilen Experten das Instrument in seinen Händen betrachten.
Die leisen, weichen Klänge einer Sonate von Viotti umhüllen Heinz Hageneier auch in dieser Stunde mit jener Glückseligkeit, die sich allein Menschen offenbart, denen die wunderbare Fähigkeit eigen ist, ihre Phantasie in stillen Stunden wie Segel auszuspannen und so in Regionen zu enteilen, die einem nüchternen Realisten ewig verriegelt bleiben. Der Fünfundvierzigjährige braucht für sein Lieblingsstück keine Noten. Während er den Bogen sanft über die Saiten streicht, hält er die Augen geschlossen. Kurze, klobige Finger liebkosen das Cello erstaunlich behutsam. Seine Andächtigkeit wird in keiner Weise verletzt, wenn Klänge wie von berstendem, morschem Holz oder von kreischenden Eisenbahnbremsen die zarte Melodie sekundenlang strangulieren. Er spielt über solche Fehler hinweg, ohne eine Miene zu verziehen. Es ist, als gelängen diese Missklänge ebenso wenig an sein Ohr wie die rostigen Schreie der Möwen, die draußen vor den Fenstern das Schiff begleiten.
Der 10000-Tonnen-Schnellfrachter „Sachsenburg“ hat Hoek van Holland vor anderthalb Stunden passiert und fährt nun auf Südwestkurs mit voller Maschinenkraft unter fast wolkenlosem Sommerhimmel in den Kanal ein. Schwacher Nordnordost treibt flache Wellenbuckel in die Meerenge zwischen Dover und Calais. Das schlanke Schiff liegt tief im Wasser. Randvolle Laderäume bergen Millionenwerte. Nachrichtentechnik und Elektronik. Verplombte Container. Einzelheiten sind den meisten Besatzungsmitgliedern gleichgültig. Eilfracht für Punahquan via Chittagong, allein das zählt. Eine weite, monatelange Reise, bedingt durch die Blockierung des Suezkanals, die zur zeitraubenden Route um das Kap der Guten Hoffnung zwingt.
Die Uhren zeigen 12.52 Uhr Greenwicher Zeit.
Während Kapitän Hageneier in der Messe noch ganz vom eigenen Cellospiel gefangen ist, hockt der Funkoffizier Ritter vor dem Empfangsgerät. Seine Miene verrät Besorgnis. Er notiert in fliegender Hast eine ganz und gar nicht erfreuliche Wettermeldung.“ Und damit zur ausführlicheren Vorstellung der anderen Angebote dieses Newsletters.
Erstmals 2000 veröffentlichte Klaus Möckel im Verlag Das Neue Berlin „Die Gespielinnen des Königs. Frankreichs berühmteste Mätressen“: „Nun war es wirklich geschehen, sie war die Hure des Thronfolgers. Die Höflinge würden es zwar nicht wagen, ihr das ins Gesicht zu sagen, aber denken würden sie es.“ So beginnt der Autor seine Erzählung über Diane de Poitiers, die Mätresse des späteren Königs Heinrich II., die noch heute als eine der schönsten Frauen in Frankreichs Geschichte gilt. Selbstbewusst und geschäftstüchtig, brachte sie es zu großem Reichtum und fast unbeschränkter Macht. Doch auch die anderen Damen in diesem Band, von denen die berühmteste Madame Pompadour ist, wussten ihre Fähigkeiten im Bett und am Hof zu nutzen. Von Glanz umgeben, meist intelligent und gerissen, umgarnten die Entragues, die Montespan, die Du Barry ihren Herrscher, um ihn dann am Gängelband zu führen. Freilich war ihr Weg gefährlich. Von so manchem Höfling angefeindet und von Hinterhältigkeit bedroht, durften sie nie die Gunst des Geliebten verlieren - das hätte den Untergang bedeutet. Dieses Buch ist ein Sittengemälde, das vier Jahrhunderte französischer Geschichte darbietet. Spannend bis ins Detail, abenteuerlich und voller Witz führt es dem Leser eine Welt vor Augen, die ihn mit ihren bis zum Mord reichenden Intrigen, mit ihrer List und Gewalt, aber auch mit ihrem Charme und ihrer Lebhaftigkeit von Anfang bis Ende in den Bann schlägt. Ein begeisterter Leser äußerte sich über diesen Titel in der in Cottbus erscheinenden Publikation „L, das Magazin für reife Menschen“ geradezu überschwänglich: „Als Liebhaber guter historischer Romane kann ich von diesem Buch … nur schwärmen. Klaus Möckel, Romanist, Lyriker und Krimiautor, nutzt alle diese ‚Qualifikationen' für prächtige Romane im Stenogramm“. Und Sie dürfen sich schon mal einen längeren Auszug aus der ersten literarisch-historischen Biographie freuen, die uns ebenso kenntnisreich wie vergnüglich mit der ersten von insgesamt zwölf Mätressen und deren gefährlich-schönen Leben bekanntmacht:
„I. Agnès Sorel: Auftritt einer schönen Dame
1
„Schamlos, dieses Weib! Dass sie es wagt, sich so vor dem Hof zu zeigen!“ Jean Juvénal des Ursins, Bischof von Laon und ein einflussreicher Staatsmann, kochte vor Empörung, „Ich bitte Euch, Majestät, wir dürfen das nicht länger dulden.“
Marie von Anjou, die fromme Königin, die sich meist dunkel kleidete und nach Ansicht einiger Höflinge ein Gesicht „wie ein Frettchen“ hatte, warf ihm einen resignierten Blick zu. Durch zahlreiche Geburten in langen Ehejahren war sie zudem dick geworden, was ihr Selbstvertrauen gewiss nicht stärkte. „Ihr habt ja recht, Monseigneur, Madame geht diesmal wirklich zu weit“, erwiderte sie leise. „Dabei war sie so züchtig im Denken, als sie zu uns kam, so bescheiden. Sie hat sich sehr verändert. Aber was soll ich dagegen tun? Meinem Gemahl scheint es zu gefallen.“
„Ich verstehe Euch nicht, Maman.“ Ihr Sohn Ludwig, der nicht weniger wütend war als der Geistliche, fasste seine Mutter ungestüm am Arm. „Begreift Ihr denn nicht, dass sie uns mit ihrem sittenlosen Auftreten provoziert und demütigt? Sie hat den König ganz unter ihren Einfluss gebracht. Widerlich, wie er um sie herumscharwenzelt.“
„Lasst mich los und sprecht nicht so respektlos von Eurem Vater. Was auch geschehen mag, er ist der Gebieter und wir müssen uns seinem Willen fügen.“ Marie wandte sich schnell einer ihrer Hofdamen zu, um die Unterhaltung nicht fortsetzen zu müssen.
Die Dame, um die es in diesem Gespräch ging, schien von der Aufregung um sie herum nichts zu spüren. Sie war sich ihrer Schönheit bewusst und es gewohnt, im Mittelpunkt zu stehen. Spätestens seit der König sie zu seiner „Maitresse“, seiner offiziellen Geliebten, erwählt hatte. Ein solch offenes Bekenntnis wäre seinen Vorgängern nie in den Sinn gekommen. Natürlich hatten sich die Herrscher Frankreichs, um sich zu amüsieren oder um sich von ihren meist tristen, weil der Staatsräson geschuldeten Ehen abzulenken, schon immer die Frauen und Mädchen ins Bett geholt, die ihnen gefielen. Illegitime Nachkommen waren auch bisher nicht selten gewesen, und die eine oder andere Konkubine hatte es durchaus zu Reichtum gebracht. Aber vom König vor der Öffentlichkeit als Mätresse anerkannt und der Gemahlin nahezu gleichgestellt zu sein, das war neu und etwas Besonderes. Sie, Agnès Sorel, Tochter eines verarmten Provinzadligen und einer Frau aus nicht weniger bescheidenen Verhältnissen! Gut, sie hatte eine sorgfältige Erziehung genossen, war klüger und gebildeter als die meisten Höflinge ringsum, doch was bedeutete das schon, in dieser Zeit, diesem durch Kriege zerrissenen 15. Jahrhundert, in dem nach wie vor die Abstammung zählte. Nichts hatte darauf hingedeutet, dass gerade ihr ein solcher Aufstieg beschieden war.
Neider allerdings gab es genug, und Agnès brauchte nicht erst in den mit Goldranken verzierten venezianischen Spiegel zu schauen, um zu wissen, was das Getuschel hinter ihrem Rücken, die feindseligen Blicke des Prinzen und des Bischofs von Laon besagten. Vielleicht hatte sie diesmal auch ein bisschen viel gewagt. Eng geschnittene Kleider mit extrem langen Schleppen, mit Brokatbesatz, feinen Spitzen und Zobelbordüren, das mochte noch angehen, selbst wenn sie die Gewänder von Gräfinnen und Herzoginnen an Pracht übertrafen. Aber es war ein Unterschied, ob man ein Dekolleté wählte, das bei aller Großzügigkeit den halben Busen bedeckt ließ, ob man ein Busentüchlein vorlegte oder ob man, wie sie heute, die Vollkommenheit der ganzen Brust zeigte.
Doch der König war sichtlich entzückt, also hatte sie das Richtige getan. Vor dem Hof hielt er sich zurück, die Etikette duldete keine Gefühle oder gar intime Berührungen in der Öffentlichkeit. Dennoch, wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er bestimmt ihre runden und trotz zweier Geburten noch vollen Brüste vor aller Augen mit den Händen umfasst. Agnès lächelte in sich hinein. Sie konnte sich lebhaft vorstellen, was geschehen würde, wenn er erst mit ihr allein im Schlafgemach war. Für Augenblicke spürte sie seine Finger auf ihrer nackten Haut und seinen Kopf, der sich tief in ihren Busen wühlte. Sie würde ihn aufs Lager ziehen, der Unterrock bis zum Nabel hochgerutscht, das perlenbesetzte Kleid aus Lyoner Seide längst abgestreift auf dem Fußboden. Oder er würde sie packen, auf die Bettstatt werfen und verwöhnen, denn wenn er auch kein schöner Mann war, so doch ein leidenschaftlicher Liebhaber, das gestand sie sich ein.
Ihre Tagträume wurden jäh unterbrochen. Wie um die passende Antwort zu geben, neigte Karl VII. sich ihr zu und flüsterte: „Ihr überrascht uns stets von Neuem, Madame, ich kann es gar nicht erwarten, diese wunderbaren Kleinode ganz für mich zu haben.“
„Ein wenig Geduld, Majestät, der Abend, den wir im Kreis der uns so teuren Freunde - das „teuer“ betonte sie - verbringen dürfen, hat ja gerade erst begonnen.“
Der König lächelte amüsiert. Auch das schätzte er an seiner Geliebten: ihre geistreiche und ironische Art.
Denn gewiss, Freunde waren an diesem Abend, den man wie üblich mit einem ausgiebigen Mahl, mit Tanz, Musik und Kartenspiel verbringen würde, durchaus zugegen, doch in sehr begrenzter Zahl. Jacques Coeur zum Beispiel gehörte dazu, vom kleinen Beamten und Lebensmittelhändler zum „Argentier en titre“, zum Königlichen Schatzmeister aufgestiegen, ein reicher, recht gut aussehender Mann, kürzlich erst von Karl geadelt, auch weil er die Feldzüge gegen die Engländer finanzierte, die noch immer große Teile des Landes besetzt hielten. Oder der Graf von Richemont, ein kluger Ratgeber und Stratege, der an allen Schlachten der letzten Jahrzehnte beteiligt gewesen war. Auch Pierre de Brézé war zu Gast, der Seneschall, der bereits an der Seite Jeanne d'Arcs gekämpft hatte. Aber konnte man den Grafen von Orléans dazurechnen, der, obwohl viele Jahre ein Gefangener der Engländer, heimlich mit deren Verbündetem, dem Herzog von Burgund, sympathisierte? Den dicken Herzog von Trémoille oder den stolzen Herrn von Alençon, beide wenig zuverlässig, hatten sie doch im Jahr 1440 gemeinsam mit Karls Sohn Ludwig wegen der unumgänglichen Heeresreform einen Aufstand gegen ihn gewagt? Er hatte sie besiegt und ihnen verziehen, aber er sagte sich, dass sie es sofort erneut versuchen würden, wenn er die geringste Schwäche zeigte. Ludwig, sein Sohn, allen voran.“
Erstmals 1979 erschien im Kinderbuchverlag Berlin „Biberspur“ von Bernd Wolff: Joochen schleppt schwer an seiner Last. Die Tragegurte des Rucksackes schneiden tief in die schmalen Jungenschultern. Langsam und verbissen geht er zur Schule. Die Klasse steht schon bereit. Höhnische Gesichter erwarten ihn. „Eh, Büffel heute mit Rucksack!“, rufen sie ihm zu. „Neuster Modelook: Modell Rucksackbulle!“ Doch die Neugier ist stärker als die Lust, ihn zu verspotten. Aber Joochen gibt sein Geheimnis nicht preis. Erst in der Biologiestunde beim Lehrer Schäper geht er nach vorn und schüttet den schweren Rucksack schweigend aus. Auf den Lehrertisch fällt etwas Dunkles, Pelziges. Die Klasse ist starr vor Aufregung. „Ein Biber, ein toter Biber!“ Da ist keiner, der unbeteiligt gewesen wäre. „Auf den hat wer mit Schrot geschossen“, sagt Joochen leise. Fünf Jahre nach seinem ersten Erscheinen, 1984, wurde „Biberspur“ von der DEFA unter der Regie von Walter Beck mit Erik Schmidt als Joochen sowie Peter Sodann als Lehrer Schaper und Jana Mattukat, Manfred Heine, Jörg Kleinau, Christiane Jentsch, Gunnar Helm, Tilo Braune, Gerry Wolf, Klaus Bamberg und anderen verfilmt. Und so beginnt das Buch, wobei beim Lesen einem einige Sätze bekannt vorkommen dürften:
„1. Kapitel
Der Rucksack war kein Prachtstück: uralt und abgeschabt, faltig wie ein Wurzelweib. Der Drillich verwaschen, ausgeblichen von Regen und Wind, an manchen Stellen fädig durchgescheuert von spitzigen Gegenständen, die man in die Taschen gewürgt hatte. Riemenzeug runzlig und schrunzlig.
Und wenn man hineinroch, so schlug einem ein Gemisch von Gerüchen entgegen: Tabakskram, geronnener Leberschweiß, Wurstbrot, gefettete Lederstiefel, Skiwachs, bitterblanke Axtschneide, harziger Axtkuhfußstiel - kaum dass man das eine und das andere auseinander halten konnte.
Die ausknöpfbare Gummieinlage war gefleckt wie eine Landkarte, von wolkigen Linien, Wasserrändern und Schorfkrusten überzogen.
Aber die Tragegurte lagen breit und bequem auf den schmalen Jungenschultern und drückten nicht trotz der Last.
Die Last aber, die den Rucksack rund und ohne eine Delle nach unten zog, war erheblich. Eine weiche, anschmiegsame Last, und der Junge ging weit nach vorn gebeugt mit lang herausgestrecktem, dünnem Hals, keuchte. Blieb hin und wieder stehen, lüftete mit den Händen das Gewicht auf dem dunkelfleckigen Rücken. Strich sich den Schweiß von der Stirn, die nassverklebten Haare beiseite.
Überhaupt ging er merkwürdig gehemmt, fast misstrauisch, tapsend und unsicher im wässrigen Schnee, rutschte, fing sich ab. Blickte immer wieder kontrollierend auf die große runde Uhr am Handgelenk. Man merkte ihm an, dass er aufgeregt war.
Blieb stehen, horchte auf das Spechtgelächter fern vom Wald, das warme Taubengegurr im Verschlag bei Ließmüllers, die tappenden Hundeschritte hinter dem Tor, den hohen Milanschrei unter raschen, zerrissenen Wolken. Sonst war noch nichts zu hören.
Noch nicht.
Hin und wieder zog er durch die Nase hoch.
Er war lang, der Junge, lang und unbeholfen und schlaksig und reichlich dünn, mit großen roten Händen und großen Füßen - nichts schien zueinander zu passen. Aber wie er so ging, machte er den Eindruck, dass er sich schon noch zurechtwachsen würde, wenn er auch jetzt mitleiderregend aussah unter dem gewaltigen Rucksack, der ihn zu Boden drückte.
In der rotgefrorenen Hand schlenkerte ein Beutel, ein lächerlicher blaugepunkteter Faltbeutel mit eintrocknenden Schmutzspritzern. Die Umrisse der Gegenstände, die ihn ausbeulten, sahen aus wie die von Büchern. Federtasche und Stullenbüchse vielleicht.
Je näher er dem Schloss kam, desto finsterer zogen sich seine schmalen Brauen zusammen, desto öfter blickte er sich um, desto langsamer und unsicherer ging er. Schaute wieder und wieder auf die Uhr.
Aber die Last wurde schwerer und schwerer.
Hart klopfte die Schlagader am Hals, der Atem keuchte und pfiff. Dazu machte sich ein Wind auf, der ihm den feuchten Rücken durchschauerte.
Trotzig beschleunigte der Junge den Schritt. Er dachte unausgesetzt an die Begegnung, zu der es notwendig kommen musste, wenn er den Pfad hintenrum durch die Gärten verließ, und zu der es dann auch kam, als er den Schlosshof betrat. Da war es genau zwei Minuten vor dem Läuten.
„Eh! Seht mal den Büffel! Der kommt mit Rucksack zur Schule.“
Sofort waren sie bei ihm, umkreisten, umringten ihn. Schlimmer als Kuhbremsen im Sommer.
„Was hast du da drin?“
„Neuester Modelook: Modell Rucksackbulle!“ Da johlten sie alle wie toll.
Vorsichtig schob er sich mit dem Rücken gegen die Wand, ertastete einen der Ringe, an die man früher die Pferde angebunden hatte. Daran hielt er sich fest.
Er hatte es nicht anders erwartet, aber es war dennoch gemein, wie sie alle über ihn herfielen, und er konnte sich nicht wehren. Es war niederträchtig.
Unstet schaute er umher. Knurrte: „Geht euch gar nichts an!“
Die anderen umstanden ihn, neugierig, abwartend, mit offenen, auf eine Sensation erpichten Gesichtern. Natürlich auch Knut Wiedermann dazwischen, Tatti, der falsche Hund. Wie er einen frech und höhnisch anstarrte.
„Wir haben ein Recht darauf zu erfahren, was du hier anschleppst!“
„Einen Schietdreck habt ihr!“
Seine Abwehr reizte sie zum Angriff.
„Da hat er einen Büffelknochen drin!“
„Joochen, woolen wir uns einen Knoochen koochen?“
„Joochen, der Knoochen hat schon etwas geroochen, er liegt schon ein paar Woochen, der alte Böffelknoochen!“
Alte Sprüche, oft gehört. Fällt ihnen nichts anderes ein?
Er nahm die großen, rotgefrorenen Hände vor die Brust. musste dazu den blaubepunkteten Beutel zwischen die Beine in den Schlamm stellen. „Lasst mich in Frieden, ja!“
Noch eine Minute.
Immer mehr sammelten sich um ihn. Gesichter, die zu weißlichen Flecken verschwammen, höhnische Gesichter unter bunten Pudelmützen, Gesichter voll Lärm und Gelächter.
Wiedermann rempelte ihn jetzt an. „He, Toro, he!“ Unsichtbar zwischen den Händen schwenkte er die Capa des Stierkämpfers.
Joochen zog durch die Nase hoch, spie vor die Füße.
„Mach dich fremd, du!“
Er schluckte. Auf seinen Wangen bildeten sich rote, hektische Flecken. Er machte sich nichts vor, er wusste, wie es weiterging. Gleich würden sie über ihn herfallen, ihn in den Dreck zerren, ihm den Rucksack abreißen, triumphierend öffnen...
Hätte er nicht langsamer gehen können, noch langsamer, draußen warten, bis es klingelte, in Kauf nehmen, wenn er zu spät käme?
Ja, wenn sie gleich die erste Stunde bei Schaper hätten...
Was hat er sich auch mit diesem Dings abzubuckeln! Da schrillte das Läuten.
Die Menge um ihn verlief sich allmählich, zögernd, widerwillig, weil ihnen da was durch die Lappen ging. Wiedermann hackte noch einmal mit der Schuhspitze aus. Sie traf den Blaupunktbeutel. Große Aufsichtsschüler trieben jetzt die Klassen zusammen.
„He, du Bergsteiger, komm!“
Joochen nahm den Faltbeutel auf, strich mit den Fingern den Schlamm ab, versuchte angestrengt, ihn im Gras der Rabatte sauber zu wischen. Er musste erst mit seiner Aufregung fertig werden. Im Grunde war er sehr erleichtert, dass es noch glimpflich ausgegangen war.“
Als Eigenproduktion der EDITION digital veröffentlichte Harald Wieczorek im vergangenen Jahr seinen abenteuerlichen Roman aus der Zeit der Dreißigjährigen Krieges und danach „Jakob, der stumme Krieger – und zwar sowohl als gedruckte Ausgabe wie auch als E-Book: Jakob, ein Findelkind, wurde in einem Kloster aufgezogen, in jungen Jahren von Räubern, nachdem sie das Kloster überfallen hatten, mitgenommen. Fortan musste er mit den Räubern leben, bis diese gefangengenommen und aufgehängt wurden. Der Gutsherr ließ ihn am Leben mit der Verpflichtung, für ihn zu arbeiten. Jakob verliebte sich verbotenerweise in eine Magd, wurde hart bestraft und tötete in Notwehr den Gutsherrn. Um den Verfolgern zu entgehen, schloss sich Jakob als Söldner Tillys Heer an. In der letzten Schlacht, Ende des Krieges, verlor er durch einen Schwerthieb auf den Kopf seine Stimme. Nach dem Krieg fand Jakob Arbeit auf einem Bauernhof und freundete sich mit Max an, dem zwölfjährigen Sohn des Bauern. Als Max von Gauklern entführt wurde, machte sich Jakob, nachdem er die Ernte eingebracht hatte, auf die Verfolgung der Gaukler …
Viele Szenen in diesem Buch sind hart und brutal. Sie spiegeln die damalige Zeit während und nach dem Dreißigjährigen. Manchmal ist es schon harter Tobak, aber gerade dadurch treten menschliche Eigenschaften und Verhaltensweise wie Liebe, Freundschaft, Treue, Glaube, Hoffnung besonders deutlich hervor. Zur Einstimmung und zum besseren Verständnis, was harter Tobak bedeutet, hier zwei Textausschnitte, die an zwei unterschiedlichen Schauplätzen spielen – im Kloster und auf einer Burg:
„Im Essenssaal standen die Mönche mit gesenktem Kopf, gefalteten Händen und dankten für ihr Abendmahl. Als die Torglocke laut läutete, hoben sie ihre Köpfe und blickten fragend auf den Abt. „Sucht wohl ein Wanderer Schutz vor dem Unwetter. Lassen wir ihn ein!“ Er nickte seinen Brüdern zu und ging, von ihnen gefolgt, aus dem Saal. Staunend stand der alte Abt vor dem offenen Tor und blickte in die dunkle Regennacht. Niemand war da und bat um Einlass. Er wollte gerade nach draußen gehen, als unter ihm das Baby schrie. Erschrocken hob er das kleine Lumpenbündel auf und hielt einen schreienden Jungen im Arm. Mit dem Baby trat er nach draußen, aber keine Menschenseele war zu sehen. Der alte Abt drehte sich wieder um und blickte in die ratlosen Gesichter seiner Brüder. „Was für einen Heiligen haben wir heute?“, fragte er. „Den Hl. Jakob“, kam die Antwort. Der Abt blickte auf das Baby. „Bruder Benedikt, geh ins Dorf, wir brauchen eine Amme. Also, mit Gottes Segen, sei hier willkommen, kleiner Jakob!
[*]BURG BEILSTEIN
Nach einer fürchterlichen Gewitternacht war der Himmel über Burg Beilstein wieder strahlend blau. Die Sonne war schon aufgegangen, stand aber noch im Osten. Die Knechte arbeiteten bei den Stallungen. Einige fuhren mit Ochsenkarren durch das Burgtor in Richtung der Felder. Ein großer Junge saß am Brunnenrand, mit zwei glatt geschnitzten Stöcken in der Hand. Ein kleinerer, der jüngere Bruder des Jungen, lehnte im Eingang der Burg und beobachtete seinen älteren Bruder. Die junge Magd kam aus dem Stall. Sie sah krank und schwach aus. Sie ging zu einem Karren mit Strohballen, nahm einen herunter und schleppte ihn Richtung Stall. Vor dem Stall ließ sie den Ballen zu Boden gleiten und setzte sich erschöpft darauf. Aus der Burg trat der alte Beilstein, sah sich um, ging zu seinem Sohn am Brunnenrand. „Na, Konrad, wo ist dein Bruder, der kleine Feigling?“ Er deutete auf die beiden Stöcke. „Drückt sich wohl vor dem Kampf.“ Er lachte laut dröhnend. Da fiel sein Blick auf die Magd. Er klopfte seinem älteren Sohn auf den Kopf. „Schlag ihn grün und blau, den kleinen Bastard!“ Festen Schrittes ging er auf die Magd zu, die weinend auf dem Strohballen saß. Alfred Beilstein, der Herr der Burg, schritt gemächlich auf sie zu. In der Hand einen dünnen Weidenstecken. Vor ihr blieb er stehen. „Wie ich sehe, ist das Balg verschwunden. Weggeworfen, was?“ Er lachte schallend. „Dein Glück. Hast wenigstens dein Leben gerettet.“ Er hob den Stecken. „Und jetzt wieder an die Arbeit.“ Mit einem wuchtigen Hieb schlug er ihr auf das rote Muttermal am Hals. Über den Schmerzensschrei lachend ging er in Richtung Burg. Nachdem sein Vater verschwunden war, kam der kleinere Junge aus seinem Versteck, lief über den Hof in Richtung Magd. „He Wolf, was ist los? Wir wollten kämpfen!“, rief ihm sein größerer Bruder Konrad nach. Dabei schlug er laut beide Stöcke aneinander. Unbeirrt lief Wolf weiter zur Magd.
„Tut’s arg weh?“ Der kleine Wolf von Beilstein half der Magd auf und nahm den Strohballen. „Nein, es geht.“ Sie strich dem Jungen über den Kopf. Wolf deutete auf eine kleine Flöte, die die Magd um den Hals trug. „Ich habe gesehen, wie du sie geschnitzt hast. Kannst du auch darauf spielen?“ Sie nahm die Flöte und fing an zu spielen. „Soll ich es dir beibringen?“, fragte sie ihn. „He, kleiner Bruder, Zeit zum Kämpfen.“ Auf dem Hof stand Konrad mit den beiden Stöcken in den Händen. Wolf zuckte mit den Achseln und lief los. Schwitzend und zum Teil aus kleinen Wunden blutend, prügelten die beiden Buben mit glatten Holzstangen aufeinander ein. Verzweifelt versuchte sich der Kleinere, der sechsjährige Wolf, gegen die brutalen Hiebe seines zwei Jahre älteren Bruders zu wehren.
Im offenen Burgfenster stand der Burgherr, Vater der Buben, Alfred von Beilstein und brüllte in den Hof: „Schlag ihn auf die Arme und Hände, Konrad! Dann verliert er die Deckung und den Stock!“ Lachend machte der ältere Bruder, was ihm der Vater geheißen. „Wolf ist kleiner und schwächer. Konrad wird ihn verletzen!“ Ängstlich stand die Burgherrin hinter ihrem Mann und beobachtete die Szene. „Na und? Nur durch Schmerzen lernt dieser Schwächling!“ Besorgt blickte die Mutter auf den sich tapfer wehrenden Wolf. „Er ist auch dein Sohn!“ Der Burgherr drehte sich, packte seine Frau an den schmächtigen Schultern und schüttelte sie. „Da habe ich meine Zweifel! Wäre ich sicher, würde ich euch im Graben ertränken!“ In diesem Moment hallte ein lauter Schmerzensschrei nach oben. Der Burgherr ließ seine Frau los und blickte nach unten. Auf der Wiese kniete Konrad, beide Hände vors Gesicht haltend. Wolf hatte ihn mit einem verzweifelten Abwehrhieb getroffen und ihm die Nase gebrochen. Der Burgherr drehte sich um und sah in das lächelnde Gesicht seiner Frau. Wütend holte er aus und schlug mit aller Kraft zu. Durch die Wucht des Schlages flog sie nach hinten in den Raum und knallte mit dem Kopf gegen den schweren Eichentisch. Es knackte laut, als ihr Genick brach.“
Ebenfalls als Eigenproduktion der EDITION digital erscheint in Kürze das inzwischen dritte Buch des österreichischen Autors Arnold Hiess, der Kriminalroman „Schwesterschwund. Kommissarin Stefanie Schönberger ermittelt im Waldviertel“ – und zwar ebenfalls sowohl als gedruckte Ausgabe wie auch als E-Book: Wie aus heiterem Himmel wird eines Tages die Schwester der jungen, taufrischen Wiener Kommissarin Stefanie Schönberger entführt. Schon wenig später begibt sich Stefanie in ihr altes Zuhause, um den Entführer ihrer geliebten Schwester ausfindig zu machen. Doch der Geiselnehmer verlangt weder Lösegeld, noch will er sonstige Kostbarkeiten für die Aushändigung seines Opfers. Nein, der Kidnapper beginnt ein Katz-und-Maus Spiel, das die Polizei und Stefanie, die gemeinsam mit ihrer Schwester im oberen Waldviertel aufgewachsen ist, beinahe in die Hilflosigkeit treibt. Doch niemand kennt die genauen Hintergründe – ihre Schwester hatte zuvor nie jemandem etwas in den Weg gelegt. Die taffe, aber innerlich auch sehr aufgewühlte Kommissarin klebt dem Entführer an den Fersen und ermittelt quer durch das obere Waldviertel. Doch wer verbirgt sich hinter diesem ominösen Kidnapper schließlich? Wo versteckt er sich? Und welches Motiv hat er eigentlich? Wird Stefanie ihren ersten Fall lösen? Wird sie ihr geliebtes Schwesterchen aus den Fängen des Entführers befreien? Oder muss am Ende das Mädchen sogar sterben? Arnold Hiess erzählt in seinem dritten Buch einen Kriminalroman, den er in seiner Heimat, dem niederösterreichischen Waldviertel, angesiedelt hat und der auch viel Wissenswertes zu dieser Region in sich birgt. Die realen Schauplätze können hautnah erlebt werden und Polizeiarbeit mit all ihren Facetten wurde auf diesen Seiten spannend umgesetzt. Sind Sie bereit? Die Jagd nach dem Schwesterentführer beginnt in diesem Moment …
In unserem Textausschnitt sind wir allerdings schon eine ganze Portion weiter. Und Stefanie landet offenbar einen Treffer:
„Stille. Stefanie war für einen kurzen Augenblick eingedöst. Sie schüttelte den Kopf; ihre Augen waren schwer. Sie hatte mittlerweile stundenlang im Auto gesessen, darauf gewartet, dass jemand vorbeikam – doch nichts war passiert. Es war kühl geworden und leichter Nebel hing in der Luft. Die Scheiben des Audis waren minimal beschlagen. Sie rieb sich die Hände und blickte auf ihre schwarze Armbanduhr. 02:23 Uhr.
Vermutlich wird auch heute Nacht hier niemand vorbeikommen, dachte sie, und seufzte tief.
Doch plötzlich bemerkte sie die Umrisse eines Mannes. Sie riss die Augen auf und duckte sich wieder in den Sitz. Der Typ kam ihr sofort verdächtig vor. Er schlenderte seelenruhig an geparkten Autos vorbei und versteckte sich dann in den Schatten. Er vergrub die Hände in den Hosentaschen – anscheinend wartete er auf jemanden. Und nur wenige Minuten später näherten sich ihm aus zwei unterschiedlichen Richtungen zwei Personen – ein Mann und eine junge Frau. Sie sprachen miteinander. Und der verdächtige Typ zog ein kleines Päckchen aus der Jackentasche. Der andere Mann nahm das Päckchen und reichte ihm einige Geldscheine. Drogen? Sie sprachen weiterhin miteinander, lachten. Und schlagartig zeigte der verdächtige Kerl mit dem Zeigefinger auf die junge Frau. Der zweite Mann begutachtete die Frau von oben bis unten, fummelte an ihrem Hintern und an den Brüsten herum, reichte dem verdächtigen Kerl wieder einige Geldscheine und schlang einen Arm um die Frau. Sie kicherte. Verkaufte der Kerl sogar Frauen? Stefanie genügte das Gesehene – der Typ hatte Dreck am Stecken. Sie nahm silberne Handschellen vom Beifahrersitz, öffnete ganz leise die Autotür, stieg aus dem Wagen, schloss die Tür genauso geräuscharm wieder, wie sie sie aufgemacht hatte, und pirschte sich an die drei Personen heran. Sie lauschte. „Pass aber auf die Kleine auf. Sie ist mein bestes Pferd im Stall und bumst wie eine Rakete. Du wirst viel Freude haben – sie ist ihr Geld wert. Sie geht aber in der Früh nach Hause …“ Stefanie hatte sich hinter einem geparkten Wagen versteckt, öffnete den Druckverschluss, zog die Browning heraus, und richtete sich auf. „POLIZEI! KEINE BEWEGUNG!“ Die schwarzhaarige Frau, die einen sehr kurzen Rock trug und asiatisch aussah, rannte sofort schreiend davon; der zweite Mann, der dunkle Kleidung trug, folgte ihr. Stefanie war das jedoch völlig egal, denn sie zielte genau auf den Verdächtigen, der langsam die Arme hob.
Sie ging auf ihn zu. „Kleines … Wir werden uns doch sicher einig … Du musst mich nicht verhaften“, quasselte er mit ruhiger Stimme. „Ich könnte dir aber auch eine Kugel ins Bein jagen …
UMDREHEN!“, entgegnete Stefanie. Der Mann drehte sich um. „Verschränke die Arme auf dem Rücken!“ Und er verschränkte die Arme auf dem Rücken, während er mit den Zähnen knirschte. Sie legte ihm nun die Handschellen an, die sich mit klickenden Geräuschen schlossen, packte ihn am Arm, zerrte ihn zu ihrem Auto, setzte ihn hinein, stieg in ihren schwarzen Wagen, startete ihn, schaltete die Lichter ein und fuhr zum Polizeigebäude. Es herrschte Totenstille …
Knapp drei Stunden später ging Stefanie im Verhörzimmer des Polizeigebäudes auf und ab. Das Klicken ihrer Absätze hallte durch den Raum, in dem nur ein kleiner Tisch und zwei Stühle standen. An der Wand hing ein Christus am Kreuz; an der Decke hingen einige Neonröhren, die Licht spendeten. Stefanies langes, schwarzes Haar glänzte im Licht. Sie blickte kurz auf ein großes Polizeiwappen an der Wand und schaute dann dem Verdächtigen, der am Tisch saß, direkt in die Augen. Der junge Mann hatte rabenschwarze Haare, die an den Seiten abrasiert waren, ein längliches Gesicht, olivgrüne Augen, die relativ groß waren, schmale Lippen und ein markantes Kinn. Er war sportlich gebaut und trug ein schwarzes T-Shirt, eine braune Lederjacke und blaue Jeans. Er wirkte allerdings sehr ruhig. Süßbacher und Stieglmair standen im Nebenraum und beobachteten alles durch eine große Glasscheibe, durch die aber nur die beiden durchsehen konnten.
„Was treibt man so mitten in der Nacht auf einem Parkplatz? Ketamin? Drogen? Außerdem verkaufst du Frauen, oder?“, fragte Stefanie mit ernster Stimme. Der junge Mann schmunzelte und zuckte mit den Schultern. „Ich weiß leider nicht, wovon Sie hier sprechen. Ich habe mich bloß mit Freunden getroffen …“ Stefanie lachte auf, stützte sich mit den Händen auf dem Tisch ab und sah ihm genau in die großen, olivgrünen Augen. „Willst du mich für blöd verkaufen? Ich habe alles gesehen …“ Der junge Mann zuckte erneut mit den Schultern. „Ich kann Ihnen leider nicht helfen. Ich habe mich bloß mit zwei Freunden getroffen.“ Stefanie ging wieder auf und ab, und legte dann ein Foto ihrer Schwester auf den Tisch. „Kennst du vielleicht diese Frau?“ Er musterte das Foto und schüttelte den Kopf. „Nein, die habe ich noch nie gesehen.“ Stefanie schmunzelte verhalten.
„Du könntest uns doch die Namen deiner Freunde verraten … Vielleicht erzählen die uns, dass du Drogen, Ketamin und Frauen verkaufst, Arschloch.“ Der junge Mann wirkte nun unruhiger.“
Und wir sind gespannt, ob es Stefanie am Ende gelingt ihre Schwester zu finden, noch lebend zu finden. Und vielleicht können Sie nach der Lektüre dieses Buches mal kurz aufschreiben, wie Ihnen dieser erste Ausflug des jungen österreichischen Autors in das Krimigenre gefallen hat und Ihre Kurz-Rezension an die EDITION digital schicken. Vielleicht ermittelt Kommissarin Stefanie Schönberger weiter? Also, schreiben Sie uns? Im Moment hat man ja ohnehin mehr Zeit für Sachen, die man vielleicht immer gerne machen wollte, aber wozu man nicht kam.
Viel Vergnügen beim Lesen und vielleicht auch beim Schreiben, einen schönen Frühling, aber vor allem weiter eine gut, gesunde und Corona-freie Zeit und bis demnächst. Und bleiben Sie schön gesund und munter! Das Lesen geht weiter!