Bei der eigens für die Exkursionsteilnehmer ausgerichteten Konferenz mit maßgeblichen isländischen Akteuren wie Enex, Exorka, Isor, Glitnir Bank und Reykjavik Energy Invest wurden die Stärken der nordischen Akteure deutlich. Island bündelt seine vorhandenen Kräfte, um in Zukunft in der Geothermie weltweit eine führende Position zu übernehmen. In der Tat verfügt der Inselstaat bereits in Island selbst über eine eindrucksvolle Bilanz. Sechs Kraftwerke produzieren insgesamt 450 MW elektrische Energie.
20% des Stroms wird durch Geothermie bereitgestellt – ca. 1,7 TWh jährlich. Geothermie sichert über 90% der Wärmeversorgung des Landes.
Sechs weitere Kraftwerke mit einer Gesamtleistung von mehreren hundert Megawatt sind bereits in Planung.
Die Impulsreise der international besetzten Exkursionsgruppe fiel in eine bewegte Zeit. Anfang Oktober wurde die Fusion der erst vor neun Monaten gegründeten Geysir Green Energy mit Reykjavik Energy Invest, dem Investmentarm des regionalen Energieversorgers Reykjavik Energy, bekannt gegeben. Der Zusammenschluss und damit die Verflechtung der internationalen Aktivitäten eines öffentlichen Energieversorgers mit einem privatwirtschaftlich geführten Unternehmen schlug hohe Wellen und erzwang letztlich gar einen Machtwechsel in Reykjaviks Stadtparlament. Von den verursachten Turbulenzen lassen sich die Isländer jedoch nicht vom Weg abbringen. Die im März gegründete Reykjavik Energy Invest (REI) will laut Ásgeir Margeirsson, einem der beiden CEOs, Weltmarktführer in der Geothermie werden. Das Unternehmen habe seinen Ausführungen nach bereits heute einen Unternehmenswert von rund 745 Millionen Euro und decke die gesamte Wertschöpfungskette ab – von der Exploration bis hin zur Kraftwerkstechnologie. So verfügt REI über Mehrheitsbeteiligungen an Iceland Drilling, Hekla Energy, Enex, Enex China sowie über weitere Beteiligungen an Hitaveita Sudurnesja, Exorka, der kanadischen Western Geo Power und der philippinischen Ölgesellschaft PNOC. Weltweit will man in den nächsten 4 Jahren bis zu 4.000 MW installiert sehen – geschätztes Investitionsvolumen 5-8 Milliarden US$. Insbesondere Nordamerika wird als Markt mit großem Potenzial gesehen. Aber auch der deutsche Markt wird als viel versprechend eingestuft. Rund 460 Millionen Euro Eigenkapital wurden von den Hauptgesellschaftern Reykjavik Energy, FL Group, Atorka sowie der Glitnir Bank investiert. 2009 will REI an die Börse gehen.
Das Selbstbewusstsein kommt nicht von ungefähr, blickt man doch auf mehr als 50 Jahre Erfahrung erfolgreiche Nutzung der Geothermie zurück.
Innerhalb der letzten 20 Jahre nahm der Ausbau der Geothermie rasant zu – neue Kraftwerke wurden gebaut, bestehende enorm ausgebaut. Das Svartsengi Kraftwerk produziert bereits seit Ende der 70er Jahre Strom. Fünf weitere Kraftwerke sind inzwischen dazugekommen, die mit hoch entwickelter Technologie Energie produzieren. Über die größte Kapazität verfügt momentan noch das Nesjavellir Kraftwerk, wo 200 Grad heißer Dampf vier 30 MW Turbinen antreibt. 120 MW Strom und 380 MW Wärme werden so vor allem für die Hauptstadt Reykjavik produziert. Nach der Stromproduktion wird das heiße Wasser über eine 27 km lange Fernwärmeleitung in Richtung Reykjavik transportiert. Der Wärmeverlust auf der ganzen Strecke beträgt dank der optimierten Isolierung weniger als zwei Grad. Die Fernwärmeleitungen verlaufen oberirdisch, sind auf Rollen gelagert und sehr flexibel gebaut.
Somit ist die Leitung einerseits erdbebensicher, andererseits wird der Ausdehnung des Materials durch die Wärme Rechnung getragen.
Wenn das warme Wasser die Fernwärmeleitung verlässt, wird es kaskadenartig genutzt: Geothermische Energie heizt Gewächshäuser, versorgt Schwimmbäder mit warmem Wasser, übernimmt über 90% des Warmwasser- und Heizbedarfs der Gebäude der 300.000 Einwohner zählenden Insel. Nach der Nutzung als Brauchwasser wird das immer noch 20°C warme Wasser genutzt, um die Straßen und Gehwege eisfrei zu halten. Die Heizkosten in Island betragen ein Fünftel dessen, was für Heizöl bezahlt werden müsste.
Die durch die Wasserkraft und Geothermie möglichen niedrigen Energiekosten stoßen auch bei ausländischen Unternehmen auf reges Interesse. Die energieintensive Aluminiumindustrie ist bereits vor Ort.
Google und Microsoft denken darüber nach, ihre energieintensiven Serverfarmen mit hohem Kühlbedarf in Island anzusiedeln.
Die Erfolgsgeschichte der Geothermie soll aber auch weiter bzw. tiefer gehen. Mit dem Iceland Deep Drilling Project (IDDP) könnte tatsächlich ein neues Kapitel in der Geothermiegeschichte aufgeschlagen werden. Das Konsortium aus dem nationalen Energiedienst ISOR sowie den großen Energieversorgern des Landes will neue Bohrtechnologien erforschen und die wirtschaftliche Machbarkeit der Energiegewinnung aus überkritischen Fluiden untersuchen. Dazu werden in hydrothermalen Hochtemperaturfeldern Tiefbohrungen bis in eine Tiefe von über 5.000 m niedergebracht, in denen Temperaturen von 400-600 Grad erwartet werden. Somit könnte die Umwandlung in Strom mit einem wesentlich höheren Wirkungsgrad ermöglicht werden. IDDP ist ein sehr ambitioniertes Projekt, aber die Isländer schrecken so schnell vor nichts zurück, schließlich glaubt man an die gemeinsamen Stärken und kann an erzielte Erfolge anknüpfen.
Auch Deutschland verfügt über ein enormes geothermisches Potenzial, dessen Erschließung einen wichtigen Beitrag zu einer nachhaltigen Energieversorgung basierend auf erneuerbaren Energien leisten könnte.
Wenngleich sich die deutschen geothermischen Ressourcen von denen in Island unterscheiden, gibt es doch einen reichen Erfahrungsschatz und Potenzial, das vorhandene Know-how nach Europa zu transferieren. "Die Reise hat einen beeindruckenden Einblick ermöglicht, wie vorhandenes geothermisches Potenzial erfolgreich genutzt werden kann", fasst Teilnehmer Dr. Michael Kraml zusammen. Alexander Richter von der Glitnir Bank erklärt: "Wir sind bereit, unsere Expertise für eine weitere Entwicklung der Geothermie in Deutschland bereitzustellen, um gemeinsam den Anteil an erneuerbaren Energien zu erhöhen und die Klimaziele zu erreichen."
EnEd GmbH ist ein internationales Bildungszentrum für Erneuerbare Energien und Energieeffizienz. EnEd setzt sich dafür ein, die internationalen Wachstumsmärkte nachhaltiger Energieversorgung und effizienter Energienutzung zu stärken.