Jede dritte deutsche Stadt mit mehr als 100.000 Einwohnern plant, in den kommenden drei Jahren Privatisierungen durchzuführen, während kleinere Städte deutlich zurückhaltender sind. Insgesamt bewerten die Kommunen bisherige Privatisierungen überwiegend positiv. Immerhin jede zehnte Stadt plant allerdings Rekommunalisierungen, will also frühere Privatisierungen wieder rückgängig machen. Das sind Ergebnisse einer Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young, die auf einer repräsentativen Befragung von 300 deutschen Städten beruht .
Insgesamt hat jede sechste der befragten Kommunen (16 Prozent) vor, in den kommenden drei Jahren Privatisierungen durchzuführen, also beispielsweise kommunales Vermögen oder kommunale Unternehmen an Private zu verkaufen oder auch Aufgaben, die vorher von staatlichen Einrichtungen erfüllt wurden, auf private Unternehmen zu übertragen. Besonders aktiv sind Großstädte mit mehr als 100.000 Einwohnern – von ihnen will fast jede dritte (31 Prozent) in naher Zukunft Privatisierungen vornehmen. „Privatisierungen sind vor allem für große Kommunen ein wichtiges Thema“, kommentiert Michael Janetschek, Partner bei der Ernst & Young Real Estate GmbH. „Großstädte haben ein größeres Portfolio an Vermögensgegenständen, die sich verkaufen lassen, und die hinsichtlich ihrer Größe für Investoren auch interessant sind. Kleinere Kommunen kommen seltener mit Investoren ins Geschäft, weil sie nur selten wirklich attraktive Vermögensgegenstände anzubieten haben“, so Janetschek.
Kommunale Immobilien sollen verkauft werden 41 Prozent der Kommunen, die derzeit Privatisierungen planen, haben vor, Immobilien oder Wohnungsbaugesellschaften zu veräußern. Neben dem Immobilienbereich spielt nur noch die Abwasserentsorgung eine wichtige Rolle – 16 Prozent der Kommunen mit Privatisierungsabsichten geben an, in diesem Bereich aktiv werden zu wollen. „Der Verkauf von kommunalen Wohnungen und sonstigen Immobilien bleibt das dominierende Thema“, so Janetschek. Zum einen sei die Nachfrage von Investorenseite anhaltend hoch. Zum anderen scheinen immer mehr Kommunen der Ansicht zu sein, dass Immobilien, insbesondere Wohnimmobilien, nicht (mehr) zum engeren Kreis der Aufgaben gehören, um die sich eine Kommune vor dem Hintergrund der kommunalen Daseinsvorsorge zu kümmern hat. Der Gesetzgeber plant zudem, mit dem Jahressteuergesetz 2008 die Ausschüttungen aus ehemals gemeinnützigen Wohnungsunternehmen steuerlich zu begünstigen, was die Nachfrage bei Wohnimmobilien noch steigern würde.
Zukünftig stärkere Zusammenarbeit zwischen Kommunen und privaten Anbietern Zukünftig werden neue kommunale Investitionen – beispielsweise der Neubau von Schul- oder Verwaltungsgebäuden, Straßen oder auch Sportanlagen – vermehrt in enger Zusammenarbeit mit privaten Investoren und Nutzung privaten Kapitals und Fachwissens erfolgen. So haben bereits 17 Prozent der Kommunen Projekte in der Form einer „Öffentlich Privaten Partnerschaft“ (ÖPP bzw. PPP ) durchgeführt. Für die kommenden drei Jahre planen 16 Prozent solche Projekte.
„Private Investoren sind im öffentlichen Bereich weiter auf dem Vormarsch“, so Janetschek. ÖPP-Projekte stellten sich zumeist als besonders effizient und damit kostengünstig heraus. „Die anhaltende Finanznot vieler Kommunen und der enorme Investitionsstau veranlassen die Kommunen, vermehrt privates Kapital und Know-how bei neuen Investitionen zu beteiligen“, so Janetschek.
So wird der Anteil der Kommunen mit ÖPP-Erfahrung voraussichtlich von derzeit 17 Prozent auf 40 Prozent im Jahr 2013 steigen. „Bei ÖPP-Projekten werden wir in den kommenden Jahren einen Boom erleben – immer mehr neue Investitionen werden in enger Kooperation mit privaten Anbietern durchgeführt“, erwartet Janetschek. Bei Privatisierungen sei mit einer geringeren Dynamik zu rechnen. So werde der Anteil der Kommunen mit Privatisierungserfahrung von derzeit 31 Prozent auf voraussichtlich 41 Prozent im Jahr 2013 steigen.
Zufriedenheit mit privaten Investoren Grundsätzlich bewertet die Mehrheit der Städte – 73 Prozent – das wachsende Engagement privater Anbieter in Bereichen, die bislang der Öffentlichen Hand vorbehalten waren, überwiegend positiv. Etwa ein Viertel der Befragten sehen die wachsende Bedeutung Privater eher negativ. Zudem sind die Kommunen, die in der Vergangenheit Privatisierungen durchgeführt haben, zu einem großen Teil zufrieden mit den Ergebnissen. 87 Prozent der Kommunen bewerten sie positiv, davon 21 Prozent sogar sehr positiv. Nur drei Prozent bezeichnen sie als sehr negativ.
Finanzielle Erfordernisse sind das Hauptmotiv für die stärkere Zusammenarbeit mit privaten Investoren – ob im Rahmen einer Privatisierung und eines ÖPP-Projekts: 53 Prozent der Kommunen, die Privatisierungen bzw. ÖPP-Projekte durchgeführt haben oder solche planen, geben als wichtigen Grund „finanzielle Erfordernisse“ an. 41 Prozent versprechen sich Effizienzsteigerungen. Politische Vorgaben bzw. die Entlastung der Verwaltung bezeichnen 28 Prozent als wichtiges Motiv.
Jede zehnte Kommune will Privatisierungen rückgängig machen Zehn Prozent der Kommunen, die in der Vergangenheit Privatisierungen durchgeführt haben, wollen die an private Anbieter übertragenen Aufgaben wieder von der öffentlichen Hand ausführen lassen. Allerdings planen nicht nur Kommunen, die mit den Ergebnissen der Privatisierungen unzufrieden sind, eine Rekommunalisierung – in dieser Gruppe liegt der Anteil derer, die Aufgaben in die öffentliche Hand zurückführen möchten, bei 20 Prozent –, sondern auch Kommunen, die mit den Ergebnissen der Privatisierung zufrieden sind. Von ihnen planen immerhin neun Prozent eine Rekommunalisierung. „Ein direkter Zusammenhang zwischen vermeintlich misslungenen Privatisierungen und Rekommunalisierungen lässt sich nicht belegen“, folgert Janetschek.
Ein Grund für eine Rekommunalisierung kann der Wunsch der Stadt sein, politischen Einfluss wiederzugewinnen. Zudem sind die Kommunen aufgrund des Wirtschaftlichkeitsgebots verpflichtet zu prüfen, ob eine Neuausschreibung oder die Durchführung in Eigenregie die wirtschaftlichere Alternative ist, wenn Verträge mit privaten Anbietern auslaufen. „Es kann sich für eine Stadt und die Bürger durchaus rechnen, wieder selbst als Anbieter bestimmter Leistungen aufzutreten. Private Anbieter sind nicht in jedem Fall wirtschaftlicher als kommunale Betriebe“, kommentiert Janetschek.