So fand im Oktober 2009 eine Konferenz des Frankfurter Institute for Islamic Banking (IFIBAF) mit rund 160 Teilnehmern statt. In Reaktion darauf teilt die BAFIN im November 2009 durch den Präsidenten Herrn Sanio mit, sie sehe keine Hindernisse für die Einführung islamkonformer Finanzprodukte. Am 19.01.2010 kündigt die Türkische Bank Kuveyt Türk für März 2010 die Eröffnung einer ersten Niederlassung in Mannheim an. Am 29.01.2010 wird der wirtschaftspolitische Sprecher der baden-württembergischen CDU-Landtagsfraktion, Reinhard Löffler, damit zitiert, dass die hohen ethischen Standards islamkonformer Kapitalanlagen dazu beigetragen hätten, dass das islamische Wirtschaftssystem die Finanzkrise weitgehend unbeschadet überstanden hätte.
In der Tat lesen sich die Kriterien, für die Shari'a konforme Kapitalanlage für westlichen Bankers merkwürdig. "Zinsverbot". "Verbot der bloßen isolierten Spekulation. Kritik an der Entkoppelung der Finanzwirtschaft von der Realwirtschaft". "Koppelung der Gewinnerzielung an real übernommenes wirtschaftliches Risiko"... Das ließt sich wie aus dem Forderungskatalog eines Bankkritikers.
Tatsächlich ist die Sache wie häufig komplexer. Findige Banker aus der islamischen Welt haben nämlich eine Produktvielfalt kreiert, die sich hinter der bunten Palette westlicher Finanzprodukte nicht zu verstecken braucht. Murabaha, Mudaraba und Musharaka klingen nicht nur ähnlich schön exotisch wie Super-Outright-Sales-Strategie, FIRST-Swap oder Tier1-Anleihe. Vielfach finden auch die Interessenlagen der Beteiligten ihr Pendant in der westlichen Finanzwelt. Eine Übersicht findet sich beispielsweise bei Meder/Beesch jurisPB-BKR 5/2009 Anm. 4.
Hier fängt das Problem auch bereits an. Selbstverständlich laufen auch islamkonforme Kapitalanlagen für den Anleger teilweise falsch. Das kann, muss aber nicht so fundamental sein, dass sich ein Anlageprodukt als nicht mit den Regeln des Dachverbands Accounting and Auditing Organization for Islamic Financial Institutions (AAOIFI) vereinbar und in diesem Sinne als nicht islamkonform erweist. Eine islamkonforme Kapitalanlage kann auch sehr viel banaler, nämlich aufgrund betrügerischer Machenschaften des Emittenten, mit dem Verlust des eingesetzten Kapitals enden.
In diesem Fall steht der geschädigte Anleger, der in ein islamkonformes Produkt investiert hat, vor demselben - oder eher einem noch größeren - Problem wie der Anleger, der sein Geld mit typischen westlichen Finanzprodukten verloren hat. Er muss vor Gericht versuchen, sein verlorenes Geld zurückzuholen. Die im Rechtssystem der Shari'a traditionelle Schlichtungskultur wird ihm spätestens bei der Auseinandersetzung mit Betrügern aus dem Finanzsektor nicht weiterhelfen. Er muss also ebenfalls die jeweiligen nationalstaatlichen Gerichte bemühen. Wenn man aus der Praxis weis, wie mühsam es oftmals ist, einem nicht mit der Materie vertrauten Gericht die Einzelheiten und die wirtschaftliche Bedeutung bereits eines westlichen komplexen Finanzinstruments nahe zu bringen, kann man ermessen, wie ungleich schwerer es ist, ein in islamischer Rechtstradition stehendes Finanzprodukt einem deutschen Gericht nahe zu bringen.
Dabei gelten im Ansatz dieselben rechtlichen Regeln. Wird einem Anleger ein Finanzprodukt unter Hinweis auf dessen individuellen Verhältnisse empfohlen, so ist das eine Beratung und damit eine gesonderte Dienstleistung. Will ein Anleger in ein islamkonformes Produkt investieren und stellt sich später heraus, dass das Produkt doch nicht islamkonform ist, so wurde das Anlageziel verfehlt und das Produkt hätte bereits nicht empfohlen werden dürfen.
Dass islamkonforme Anlageprodukte auch im Bereich des Anlegerschutzes ein brisantes Thema sind , zeigt ein Urteil des OLG Düsseldorf vom 13.02.2009 (Az. I-17 U 181/07). Dort hatte das Gericht eine Klage gegen eine türkische Aktiengesellschaft abgewiesen, die über einen Vermittler im Umfeld einer Moschee in Deutschland Beteiligungen angeboten hatte. Hier waren von dem Vermittler falsche Angeben hinsichtlich der Rückzahlung und der Verzinsung gemacht worden. Das OLG Düsseldorf vertrat die Auffassung, der Vermittler habe nicht auf die eingeschränkte Handelbarkeit solcher Beteiligungen hinweisen müssen. Auch sei nicht ersichtlich, dass der Verantwortlichen der Gesellschaft alleine aufgrund der schneeballartigen Beteiligungen klar gewesen sei, dass Anleger unter falschen Versprechungen geworben würden. Mit beiden Aussagen setzte sich das OLG Düsseldorf explizit in Widerspruch zu einer Entscheidung des OLG Stuttgart vom 28.04.2008 (Az. 5 U 6/08). Eine solch divergierende Rechtsprechung verlangt eigentlich nach einer höchstrichterlichen Klärung.
Ungeachtet der Frage, ob im jeweiligen Einzelfall ausreichend Indizien bestanden, um von einem bewusst betrügerischen Anlagesystem zu sprechen, sind an dem Urteil des OLG Düsseldorf einige der Argumente problematisch. So heißt es da, "...der Senat erachte es als möglich, dass ein religiös orientierter Anleger sich auch dann für das Investment entschieden hätte, wenn ihm die Fehlerhaftigkeit der Angaben bekannt gewesen wären." Normalerweise besteht eine Vermutung dafür, dass ein Anleger, wenn er richtig beraten worden wäre, eine falsch Kapitalanlage nicht erworben hätte. Das OLG Düsseldorf sah das alleine deshalb anders, weil die Ausgestaltung des Kapitalanlageprodukts religiös motiviert war. Inhaltlich überzeugt das nicht. Nach einer Fehlberatung bei dem Erwerb eines Solarfonds käme niemand auf den Gedanken, dem Anleger sei die Rendite egal gewesen, da es ihm um Umweltschutz gegangen sei. Diese Argumentation des OLG Düsseldorf zeigt aber zugleich deutlich, dass sich bei religiös motivierten Ausgestaltungen von Kapitalanlagen für den Anlegerschutz zahlreiche neue Detailfragen stellen. Diese sind aus Sicht einer kapitalmarktrechtlich spezialisierten Kanzlei wie Rössner Rechtsanwälte allerdings in einer konsequenten Weiterentwicklung der Rechtsprechung, nicht losgelöst von allen bereits entwickelten Rechtsprechungsgrundsätzen zu klären .
Die Kanzlei Rössner Rechtsanwälte (www.roessner.de) ist Mitglied im Eurojuris Deutschland e.V.