Es geht um das sogenannte "allgemeine Emittentenrisiko", nämlich das Risiko, dass Emittenten grundsätzlich zahlungsunfähig werden können. Davon zu unterscheiden ist das besondere Emittentenrisiko, nämlich dass der konkrete Emittent wegen seiner persönlichen Verhältnisse insolvent werden kann.
Über das allgemeine Emittentenrisiko ist in der Praxis der Banken nicht immer aufgeklärt worden, frei nach dem Motto: "Jeder weiß doch, dass beim Erwerb einer Anleihe das eingesetzte Kapital verloren geht, wenn der Emittent dieser Anleihe ausfällt". Über eine derartige "Selbstverständlichkeit", so die allgemeine Auffassung, brauchte man den Anleger nicht aufklären.
Dem hat jetzt der BGH im Bereich der Zertifikate widersprochen.
Zertifikate sind in ihrer Komplexität mit einfachen Industrieobligationen nicht zu vergleichen. In beiden Fällen handelt es sich zwar um Inhaberschuldverschreibungen, aber das Emittentenrisiko ist bei Zertifikaten für den Anleger nicht ohne Weiteres ersichtlich. Das Zertifikat enthält zwei Risiken: das Marktrisiko und das Emittentenrisiko. Die Aufmerksamkeit des Anlegers ist meist allein auf das Marktrisiko gerichtet. Das Marktrisiko betrifft den Basiswert, an dessen Kurs die Rückzahlung des Zertifikates auf vielfältige Weise gekoppelt ist. Wird der Basiswert um eine bestimmte Größe unterschritten, verliert der Anleger teilweise sein Kapital. Dabei übersieht der Anleger oft, dass Zertifikate bloße Inhaberschuldverschreibungen sind, die sich gegen einen Emittenten richten, dessen Solvenz entscheidend für die spätere Rückzahlung ist. Ist dieser Emittent zahlungsunfähig, erhält der Anleger sein Kapital selbst dann nicht zurück, wenn sich sein Marktrisiko nicht realisiert hat, der Kurs des Basiswertes also in dem verabredeten "Korridor" geblieben ist.
Das liegt daran, dass bei einem Zertifikat im Unterschied zu Fonds kein vom sonstigen Vermögen des Emittenten getrenntes Sondervermögen gebildet wird. Aus einem solchen könnte der Anleger bei einer Insolvenz des Fonds separat befriedigt werden, bei einem Zertifikat entfällt diese Möglichkeit. Viele Anleger kennen diesen entscheidenden Unterschied nicht. Mit dem Erwerb des Zertifikates gehen sie eine Wette auf die weitere Entwicklung des Basiswertes ein und sind bei der Einlösung dieser Wette von der Solvenz ihres Wettpartners, des Emittenten des Zertifikates, abhängig.
Über diesen komplexen Sachverhalt ist, so jetzt der BGH, im Gegensatz zur Beratung über das allgemeine Emittentenrisiko beispielsweise bei Industrieobligationen, sorgfältig aufzuklären. Ist dies nicht geschehen, liegt ein Beratungsfehler vor, der die beratende Bank grundsätzlich zu Schadenersatz verpflichtet.
Da viele Berater in der Vergangenheit den Hinweis auf das allgemeine Emittentenrisiko für entbehrlich gehalten haben, ist hier ein Ansatz in den Fällen gegeben, in denen sich das allgemeine Emittentenrisiko durch Insolvenz des Emittenten (z.B. Lehman Brothers) realisiert hat. So könnten sie das angelegte Kapital doch noch zurück erhalten.
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Nikolaus Bömcke, MPA (Harvard)
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