Leichtere Einschaltung des Familiengerichts möglich
Während zur Einschaltung des Familiengerichts früher den Eltern ein Erziehungsversagen nachgewiesen werden musste, wird in Zukunft allein entscheidend sein, dass eine Gefährdung des Kindeswohls vorliegt. Hiermit wird zwar stärker als zuvor in die elterliche Sorge eingegriffen, was aber letztlich zu begrüßen ist, da das Wohl des Kindes an erster Stelle zu stehen hat. Verweigern die Eltern die Kooperation führte das nämlich bislang dazu, dass so lange nichts geschah, bis sich die Gefährdungslage deutlich zugespitzt hatte oder es womöglich schon zu spät war.
Konkreter Maßnahmenkatalog
Auch jetzt schon sind den Familiengerichten alle Maßnahmen möglich, die zur Abwendung der Gefahr für das Kindeswohl erforderlich sind. Leider hat sich aber gezeigt, dass die Familiengerichte hier oft nicht besonders kreativ sind und letztlich häufig nur das Nichthandeln oder die vollständige Entziehung der elterlichen Sorge kennen. Um den Gerichten ihren Handlungsspielraum – gerade auch unterhalb der Entziehung der elterlichen Sorge - deutlich zu machen, wurde nun ein Katalog geschaffen, der konkrete Maßnahmenvorschläge wie die Verpflichtung zur Erziehungsberatung oder zu einem Antigewalttraining beinhaltet. Hierdurch soll erreicht werden, dass Eltern häufiger zu „öffentlichen Hilfen“ verpflichtet werden, so dass eine Entziehung der elterlichen Sorge vielleicht nicht mehr erforderlich ist.
Überprüfungspflicht des Gerichts
Eine unserer Auffassung nach sehr wichtige Neuerung ist die neu eingeführte Pflicht des Gerichts, regelmäßig zu überprüfen, ob eine Gefährdung des Kindeswohls vorliegt. Diese Pflicht betrifft Fälle, in denen die Eltern des gefährdeten Kindes sich kooperativ gezeigt haben und das Gericht daher von Maßnahmen abgesehen hat. Bisher war es so, dass die Sache für das Gericht damit erledigt war, was in der Vergangenheit häufig zu Problemen geführt hat. Nun wird das Familiengericht dazu verpflichtet sein, regelmäßig zu überprüfen, ob sich an der familiären Situation tatsächlich etwas geändert hat.
Schnellere Gerichtsverfahren
Gerade wenn es um Gefährdung des Kindeswohls geht, ist Schnelligkeit und Flexibilität gefragt. Diese Eigenschaften gehören jedoch leider nicht gerade zu den Stärken der deutschen Justiz. Das neue Gesetz sieht daher vor, dass das Gericht binnen einen Monats einen ersten Erörterungstermin ansetzt und unverzüglich nach Verfahreneinleitung Eilmaßnahmen zu prüfen hat. Familiengerichtliche Verfahren sollen in Zukunft – notfalls auch auf Kosten anderer Verfahren – deutlich beschleunigt werden.
Fazit
Letztlich bedeutet das neue Gesetz nicht weniger als eine Neuausrichtung des Kindschaftsrechts. War das Recht der Eltern auf "Pflege und Erziehung der Kinder" bislang als „natürliches Recht“ nahezu unantastbar, so wird dies nun zu Gunsten eines staatlichen Wächteramtes über das Kindeswohl deutlich eingeschränkt. Hier scheint ein Mentalitätswandel, der in der öffentlichen Diskussion schon viel früher begonnen hat, nun Gesetz zu werden. Auch wenn das Gesetz inhaltlich zu begrüßen ist, stellt sich allerdings die Frage, wie die Flut – durchaus sehr sinnvoller Maßnahmen – in Zukunft personell bewältigt werden soll. Es bleibt zu hoffen, dass die Jugendämter und Familiengerichte in Zukunft nicht nur mit neuen gesetzlichen Kompetenzen und Aufgaben sondern, vor allem auch mit finanziellen Mitteln, diese zu bewältigen, bestückt werden.
Andreas Jäger
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht und Erbrecht
www.gks-rechtsanwaelte.de