Tatsächlich ist fraglich, wie ein vernünftiger Handel mit Zertifikaten stattfinden soll, deren Funktionsweise und Risiken ein durchschnittlicher Privatanleger unmöglich durchdringen kann. Dies vor allem dann, wenn der Berater, der eigentlich vor den Risiken des Produkts warnen sollte, gleichzeitig aus eigenem Gebühreninteresse den Verkauf der Anlage anstrebt.
Für gesetzliche Vertriebseinschränkungen von Kapitalanlagen gibt es in Deutschland verschiedene Beispiele. So wurde in der Vergangenheit etwa der Vertrieb von Single-Hedgefonds stark reglementiert oder der Abschluss von Termingeschäften an die Voraussetzung einer Börsentermingeschäftsfähigkeit geknüpft. Da diese Regelungen den Finanzdienstleistungssektor teilweise erheblich einschränken, muss immer auch danach gefragt werden, welche Verbesserung sie tatsächlich bewirken.
Die Erfahrung zeigt: Auch wenn Index- oder Discountzertifikate noch relativ einfach zu verstehen sind, erkennen viele Anleger die damit verbundenen Risiken überhaupt nicht oder nur unzureichend. Das stellt auch Rechtsanwalt Dr. Louis Rönsberg von der auf Kapitalmarktrecht spezialisierten Kanzlei Rössner Rechtsanwälte immer wieder fest:
"Bei uns häufen sich schon länger die Fälle, in denen meist älteren Bankkunden Zertifikate als absolut sichere Anlage verkauft wurden, obwohl die Produkte letztlich ein Totalverlustrisiko bargen. Gerade diesen älteren Anlegern fehlt oft vollkommen das Verständnis für die Funktionsweise von Derivaten. Sie sind schon damit überfordert den Unterschied zwischen Garantie- und Bonuszertifikaten zu erkennen und vertrauen schließlich der beschönigenden Darstellung ihres Beraters."
Bankaufsichtsrechtlich darf schon heute ein Zertifikat, welches so komplex ist, dass es ein Privatanleger nicht verstehen kann, nicht an einen Privatanleger herangetragen werden. Für diese Kundengruppe würde ein Verbot komplexerer Zertifikate gleichwohl nur wenig bewirken. Vor dem Hintergrund, dass die meisten Fehlberatungen gerade im Bereich der einfacheren Zertifikate stattfinden, scheint die aktuelle Diskussion über ein Verbot schlicht an der Sache vorbei zu gehen. So hält auch Dr. Rönsberg ein generelles oder teilweises Verbot von Zertifikaten für eine überflüssige Einschränkung der Marktfreiheit. Er fordert vielmehr Maßnahmen für eine noch höhere Transparenz in der Beratung:
"Es sollte sichergestellt werden, dass dem Kunden nach fachkundiger Bewertung nur ein zu ihm passendes Zertifikat empfohlen sowie dass überdies die mit dem jeweiligen Produkt verbundenen Risiken ungeschönt verdeutlicht und ihm das Eigeninteresse des Beraters mitgeteilt wird. Nur so kann der Kunde erkennen worauf er sich einlässt und wie verlässlich die Beratung ist. Gerade für einen Privatkunden ist der Wert einer guten Dienstleistung im Vorfeld seiner Anlageentscheidung nicht zu unterschätzen. Die Neuregelungen zur Beratungsdokumentation sind hier ein Schritt in die richtige Richtung. Aber auch eine Vereinheitlichung von Produktbezeichnungen und Risikoklassen wäre eine hilfreiche Maßnahme, die anstelle eines Verbots diskutiert werden sollte."
Es bleibt abzuwarten, wie sich die ab dem Jahresbeginn 2010 geltenden Neuregelungen zur Anlageberatung bewähren und ob nicht noch weitere Maßnahmen ergriffen werden müssen, um eine ordnungsgemäße Anlageberatung sicher zu stellen. Ein Verbot besonders komplexer Zertifikate scheint jedoch nicht die am dringendsten gebotene Maßnahme.
Die Kanzlei Rössner Rechtsanwälte ist Mitglied im internationalen Anwaltsnetzwerk Eurojuris Deutschland e.V.