Bei zu weitgehendem Wettbewerbsverbot ist der „überschießende“ Teil des Wettbewerbsverbots unverbindlich. Wenn der Arbeitnehmer den verbindlichen Teil beachtet, hat er Anspruch auf Zahlung der Karenzentschädigung.
Einführung in die Problematik des Wettbewerbsverbots:
Nach § 74 Abs. 1 HGB kann der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer ein Wettbewerbsverbot für die Zeit nach Vertragsende vereinbaren. Dies muss schriftlich geschehen und der Arbeitnehmer muss ein Originalexemplar ausgehändigt bekommen. Außerdem ist ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nach § 74 Abs. 2 HGB nur wirksam, wenn der Arbeitgeber sich verpflichtet, für die Dauer des Wettbewerbs-verbots eine Entschädigung zu zahlen, die mindestens die Hälfte der bislang vom Arbeitnehmer bezogenen Vergütung beträgt. Diese Entschädigung wird auch Ka-renzentschädigung genannt.
Inhaltlich ist ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nach § 74a Abs. 1 Satz 1 HGB „insoweit unverbindlich, als es nicht dem Schutz eines berechtigten geschäftlichen Interesses des Arbeitgebers dient“. Durch die Formulierung „insoweit“ wird ein Wettbewerbsverbot, welches unangemessen weit gefasst ist, nicht komplett unwirksam sondern zerfällt in zwei Teile, nämlich einen verbindlichen Teil (soweit die berechtigten geschäftlichen Interessen des Arbeitgebers reichen) und einen unverbindlichen Teil (soweit es den Arbeitnehmer übermäßig einschränkt).
Das Gesetz regelt nicht ausdrücklich, ob und nach welchen Regeln ein Anspruch auf Karenzentschädigung bei einem teilweise verbindlichen und teilweise unverbindlichen Wettbewerbsverbot besteht. Das Bundesarbeitsgericht hat nun im Urteil vom 21.04.2010 (Az. 10 AZR 288/09) entschieden, dass der Anspruch des Arbeitnehmers auf die Zahlung der Karenzentschädigung nicht voraussetzt, dass er das Wettbewerbsverbot insgesamt beachtet; es genügt die Einhaltung des verbindlichen Teils.
Der konkrete Fall:
Der Arbeitgeber war ein Unternehmen, das Fenster und Türen herstellt. Es vertreibt seine Produkte ausschließlich an den Fachhandel. Der Arbeitnehmer war als Marketingleiter tätig. Nach dem vereinbarten Wettbewerbsverbot war er verpflichtet, während der Dauer von zwei Jahren nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses nicht für ein Unternehmen tätig zu sein, welches mit dem Unternehmen in Wettbewerb steht. Hierzu war in der Wettbewerbsvereinbarung geregelt, dass als Kon-kurrenzunternehmen jedes Unternehmen gelten soll, welches mit dem Vertrieb von Fenstern und Türen befasst ist. Der Kläger arbeitete nach seinem Ausscheiden als selbständiger Handelsvertreter für einen Fachhändler und vertrieb Fenster und Türen an Endverbraucher. Er verlangte von seinem vorigen Arbeitgeber die Zahlung der Karenzentschädigung. Dieser weigerte sich, da der Arbeitnehmer gegen das vereinbarte Wettbewerbsverbot verstoßen habe, welches ihm ausdrückliche eine Tätigkeit für jedes Unternehmen verbiete, welches Fenster und Türen vertreibe.
Die ersten beiden Instanzen wiesen die Klage auf Zahlung der vereinbarten Karenzentschädigung ab. Beim BAG hatte der Arbeitnehmer jedoch Erfolg.
Das BAG entschied, dass das Wettbewerbsverbot insoweit nicht dem Schutz eines berechtigten geschäftlichen Interesses des Arbeitgebers diente, als es auch beinhaltete, Fenster und Türen nicht direkt an den Endverbraucher zu vertreiben. Denn der Arbeitgeber lieferte nicht an Endverbraucher sondern ausschließlich an den Fachhandel. Das vereinbarte Wettbewerbsverbot war daher verbindlich, soweit Vertrieb an den Fachhandel betroffen ist, und unverbindlich, soweit Vertrieb an Endverbraucher betroffen ist.
Da der klagende Arbeitnehmer hier das Wettbewerbsverbot in seinem verbindlichen Teil beachtet hat (er verkaufte nicht an den Fachhandel und machte damit seinem alten Arbeitgeber keine Konkurrenz), hat er den Anspruch auf die vereinbarte Karenzentschädigung. Der alte Arbeitgeber wurde zur Zahlung verurteilt.
RA Christian Lichy
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Kanzlei Dölle, Bingel & Kollegen (Freiburg)
Die Kanzlei ist Mitglied im internationalen Anwaltsnetzwerk Eurojuris Deutschland e.V.