Um über das Erbe eines Verstorbenen zu verfügen, brauchen Hinterbliebene eine Menge Geduld. Denn mit der Erteilung des Erbscheins – also der Bestätigung, dass man Erbe ist – lassen die Amtsgerichte häufig auf sich warten. Hat der Erbe jedoch eine postmortale Vollmacht, muss er nicht erst auf den Erbschein warten, sondern kann sofort Kosten, z.B. für die Beerdigung, aus dem Erbe begleichen. Die postmortale Vollmacht ist eine Vollmacht, die jemand zu Lebzeiten ausstellt und die über seinen Tod hinaus für seine Konten oder sein gesamtes Vermögen gilt.
Die postmortale Vollmacht kann Aktienvermögen retten
Wer Wertpapiere vererbt, sollte in jedem Fall seine Erben durch eine postmortale Vollmacht entlasten. Denn im Todesfall werden Erbschaftsteuer und Höhe der Pflichtteile nach dem Wert des Nachlasses am Todestag festgesetzt. Müssen die Erben dann erst noch auf den Erbschein warten – und die Börsenkurse fallen zu dieser Zeit – dann können sie die Wertpapiere nicht sofort abstoßen und damit das Vermögen retten. Vielmehr erhalten sie schließlich ein geringeres Erbe und müssen dennoch dafür Erbschaftsteuer und Pflichtteile nach dem nicht mehr existenten, höheren Wert des Erbfalles zahlen.
Ein Beispielfall macht deutlich: Verluste können in die Tausende gehen
Ein Verstorbener hinterlässt ein Wertpapierpaket in Höhe von € 100.000,00. Sein Patenkind soll dieses Vermögen erben. Bis zur Erteilung des Erbscheins vergehen sechs Wochen. Inzwischen ist der Börsenwert der Aktien auf € 70.000,00 gefallen. Trotzdem wird der Erbschaftssteueranspruch des Staates nach einem Wert von € 100.000,00 errechnet. Der Tote hinterlässt einen Sohn, mit dem er sich zerstritten hat. Diesem Sohn steht ein Pflichtteil in Höhe von ½ des Vermögenswertes am Todestag zu.
1. Nachlasswert 100.000,00 €
2. abzgl. Erbschaftsteuer 15.249,00 €
3. abzgl. Pflichtteilsanspruch Sohn 50.000,00 €
4. abzgl. Wertverfall zwischen Todestag und Erteilung des Erbscheins 30.000,00 €
Nettoerbe 4.571,00 €
Drastisches Ergebnis
Dem Erben verbleiben tatsächlich also nur € 4.571,00! Mit einer postmortalen Vollmacht hätte er die Wertpapiere sofort verkaufen können und hätte so € 30.000,00 gerettet.
Worauf muss unbedingt geachtet werden?
Wichtig: Auch wenn eine postmortale Vollmacht vorliegt, bedeutetet das nicht, dass der Bevollmächtigte dadurch zum Erben geworden ist! Auch Nicht-Erben können bevollmächtigt werden. Sie müssen sich den Erben gegenüber für ihre Handlungen nach dem Tod des Erblassers verantworten. Hier besteht ein Haftungsrisiko!
Wie erteilt man eine postmortale Vollmacht?
Aus Sicherheitsgründen ist eine schriftliche Form der postmortalen Vollmacht ratsam, da sie im Falle eines Prozesses ansonsten schwer zu beweisen ist. Ausnahmen sind dann möglich, wenn das Geschäft, für das die Vollmacht vorgesehen ist, eine bestimmte Form (wie z.B. bei Grundstücksgeschäften) vorsieht. In diesen Fällen muss die Vollmacht dieser vorgegebenen Form entsprechen.
Ist der Bevollmächtigte nicht zugleich Erbe, kann die Vollmacht jederzeit von den Erben widerrufen werden. Wer das verhindern will, sollte die Einsetzung als Erbe an die Bedingung knüpfen, dass die Vollmacht nicht widerrufen wird. Wer hier unsicher ist, sollte lieber anwaltliche Beratung in Anspruch nehmen.