„Erbe“, „Vorerbe“, „Nacherbe“ und „Ersatzerbe“ – wichtig ist die genaue Bezeichnung!
Im diesem Fall hatte eine im Jahr 1991 verstorbene Frau eigenhändig ein Testament erstellt, in welchem Sie ihren ältesten Sohn – eines von vier Kindern – zu ihrem alleinigen Erben machte. Nur für den Fall, dass dieser älteste Sohn vor dem Tode der Mutter kinderlos versterbe, sollte der zweitälteste Sohn laut Testament als „Ersatzerbe“ die (alleinige) erbrechtliche Position des älteren Bruders einnehmen.
Hierzu kam es jedoch nicht. Der älteste Sohn wurde – wie im Testament gewünscht – beim Tode der Mutter im Jahr 1991 zum Alleinerben. Zur großen Verwirrung kam es allerdings, als dieser älteste Sohn im Jahr 2012 kinderlos verstarb.
Daraufhin nämlich wollte der zweitälteste Sohn als so genannter „Nacherbe“ seines Bruders – also als alleiniger Erbe dessen, was die Mutter dem ältesten Sohn vererbt hatte – anerkannt werden. Schließlich sei dies aus seiner Einsetzung als „Ersatzerbe“ im Testament zu interpretieren. Die Mutter hätte sich als rechtlicher Laie nur mit der Terminologie nicht richtig ausgekannt, eine solche Nacherbschaft sei aber von ihr gewollt gewesen.
Gericht hält sich am Wortlaut des Testaments fest
Dieser Argumentation des „Ersatzerben“ folgten die Richter des OLG Hamm nicht. Sie erkannten zwar an, dass die Mutter sich rechtlich nicht derart ausgekannt haben konnte, um die Begrifflichkeiten „Ersatzerbe“ und „Nacherbe“ formaljuristisch korrekt auseinanderzuhalten, allerdings sprächen der allgemeine Aufbau und die Umstände des Testaments nicht für eine von der Mutter gewollte Nacherbschaft des zweitältesten Sohnes.
Im Testament sei lediglich die Ersatzerbschaft ausdrücklich geregelt. Da dieser Fall jedoch nicht eingetreten war, entschieden die Richter, dass der jüngere Sohn keinen Anspruch als Nacherbe auf den restlichen Nachlass seiner Mutter habe.
Nur professionelle Hilfe bewahrt vor Unklarheiten!
Ob die Mutter im geschilderten Fall nun wollte, dass ihr zweitältester Sohn nach dem Tode des ersten Sohnes ihren Nachlass erhalten solle, wird wahrscheinlich auf ewig ungeklärt bleiben. Der Fall zeigt allerdings in aller Deutlichkeit, dass es bei der Testamentserstellung sprichwörtlich „auf Punkt und Komma“ ankommt, um den tatsächlichen letzten Willen auch für die Nachwelt verständlich zu erhalten.
Hinzu kommt, dass das deutsche Erbrecht eine für Laien unüberschaubare Palette an Gestaltungsmöglichkeiten bereitstellt, was tatsächlich mit dem Nachlass geschehen soll. In einem Testament müssen genau diese Elemente jedoch stets klar formuliert werden, da es ansonsten zu Missverständnissen wie im beschriebenen Fall kommen kann.
An dieser Stelle kommt der Fachanwalt für Erbrecht ins Spiel: Er kennt sich mit den Spielarten des Erbrechts aus und kann mit dem Erblasser dessen genauen Willen ermitteln. Daraufhin kann der Fachanwalt diesen Willen auch so zu Papier bringen, dass er auch noch nach Jahrzehnten – wie im beschriebenen Falle – unmissverständlich vor Gericht Bestand hat. Nur so können Streitigkeiten zwischen den Erben von vorneherein ausgeschlossen werden.
Andreas Jäger
Rechtsanwalt und Mediator,
Fachanwalt für Erbrecht,
Fachanwalt für Familienrecht
http://www.gks-rechtsanwaelte.de