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Stockhausen: "Ich will Profi werden"

(lifePR) (München, )
Rad-Amateur Richard Stockhausen sorgte als Vierter bei den Deutschen Meisterschaften im Zeitfahren für einen Paukenschlag. Im Interview der Woche spricht er über den unerwarteten Erfolg, den Traum, Radprofi zu werden und erklärt, warum er ohne Profi-Status in seinem Dasein enorm eingeschränkt ist.

Das Gespräch führte Thomas Janz

Herr Stockhausen, nach dem vierten Platz beim Zeitfahren der Deutschen Meisterschaften drängt sich bei vielen folgende Frage auf: Wer ist eigentlich Richard Stockhausen?

Richard Stockhausen: Das ist einfach. Ich bin ein Physikstudent, der leidenschaftlich gerne Rad fährt und jetzt ist eben mal etwas dabei herausgekommen. Dass der Durchbruch irgendwann kommt, war abzusehen, denn ich habe jahrelang hart dafür gearbeitet.

Haben Sie sich speziell auf die Meisterschaft vorbereitet?

Stockhausen: Ja, das kann man so sagen. Ich habe auf den Start bei einigen Wettkämpfen verzichtet und bin rund 5.000 Kilometer auf der Zeitfahrmaschine gesessen. Auch ein Trainingslager habe ich zum richtigen Zeitpunkt gemacht.

Am Ende haben Ihnen 3,6 Sekunden zu einem Podiumsplatz gefehlt. War Ihnen das auf der Strecke bewusst?

Stockhausen: Nein, denn ich bin ja als Zweiter ins Rennen gegangen. Wenn ich später gestartet wäre, hätte ich vielleicht noch die letzten Kräfte mobilisieren und die Zeit herausfahren können. Eigentlich dachte ich unterwegs, ich fahre eine normale Zeit und komme ungefähr auf Platz zehn ins Ziel.

Im Ziel saßen Sie dann eine Ewigkeit auf dem Podium. Welche Gedanken gingen Ihnen durch den Kopf?

Stockhausen: Als ich im Ziel die Zeit und meine Durchschnittsgeschwindigkeit von knapp über 50 km/h gesehen habe, wusste ich, dass ich sehr weit vorne landen würde. Dennoch war es schon überraschend, dass viele Favoriten meine Zeit dann nicht knacken konnten. Dass irgendwann das Podium in meinem Kopf herumschwirrte, ist natürlich klar.

Wie groß war die Enttäuschung, dass es am Ende nicht ganz reichte?

Stockhausen: Es gab überhaupt keine Enttäuschung. Im Gegenteil: Ich war überwältigt, so weit vorne gelandet zu sein. Ich hätte nicht gedacht, dass das möglich ist!

Wann haben Sie realisiert, gestandene Profis wie Sebastian Lang, Stefan Schumacher, Christian Knees und Marcel Kittel geschlagen zu haben?

Stockhausen: Ich konnte das nicht richtig greifen und habe noch zweimal in der Ergebnisliste nachgesehen, ob ich wirklich so schnell gefahren bin. Ich war überglücklich, habe aber einige Zeit gebraucht, um den größten Erfolg meiner Karriere zu realisieren.

Wie geht man so ein Zeitfahren auf dem Rennrad taktisch an - Vollgas vom Start bis ins Ziel?

Stockhausen: Nein, ich habe mich an der Leistung in Watt orientiert. Da startet man relativ langsam und gerät schon fast in Panik, weil man schneller fahren will. Nach fünf bis zehn Kilometern habe ich gemerkt, dass es gut läuft. Es geht darum, die Leistung über 43,2 Kilometer konstant zu halten. Gegen Ende hatte ich schon ein wenig Angst, ich könnte das Tempo nicht durchhalten. Es ist mir nämlich schon öfter passiert, dass ich dann richtig eingebrochen bin. Das ist ziemlich ätzend. Es ist wichtig, in den Rhythmus zu kommen, diesen zu halten und dabei aktiv zu atmen.

Jan Ullrich hat einmal scherzhaft gesagt: "400 Watt kann ich immer treten". Welche Leistung haben Sie auf das Pedal gebracht?

Stockhausen: Ich habe über 51 Minuten hinweg zwischen 370 und 380 Watt getreten.

Ihr Teamchef Paulus Weckerle soll vor dem Wettkampf gesagt haben, dass Sie unter die ersten Fünf fahren können und ihre körperlichen Werte denen der Profis sehr ähnlich sind. Stimmt das?

Stockhausen: Ja, das hat er so gesagt und was die körperlichen Werte angeht, stimmt das auch.

Sind Sie mit einem besonderen Talent gesegnet oder sitzen Sie einfach nur viel auf dem Rad?

Stockhausen: Ich denke, beides spielt eine Rolle. Eine Portion Talent ist vorhanden, aber die muss ich, wie jeder andere auch, mit großer Disziplin verbinden. Die Ausgewogenheit zwischen Training und Regeneration spielt eine wichtige Rolle, auch wenn man sich bei jedem Wetter vor die Türe zwingen muss. Wenn ich im Winter auf meinen Trainingsrunden unterwegs bin, habe ich manchmal das Gefühl, ich bin der Einzige, den man auf dem Rad sieht - da begegnet mir so gut wie niemand. Bei Schneeregen gehe ich mit dem Mountainbike raus. So spule ich rund 22.000 Kilometer im Jahr ab.

Die Deutschen Meisterschaften liegen einige Zeit zurück. Inwiefern hat sich Ihr Leben seit dem unerwarteten Erfolg verändert?

Stockhausen: Eigentlich nicht. Mein Selbstvertrauen ist ein bisschen größer, weil ich jetzt weiß, dass ich das Potenzial habe, auf internationalem Niveau mitzufahren. Mein Team "Magnesium pur" hat den einen oder anderen Sponsor hinzugewonnen. Ich werde von Thomas Sobek vom Specialized Concept Store in Rosenheim persönlich unterstützt. Er stellt mir je ein Straßenrad und eine Zeitfahrmaschine zur Verfügung. Aber wenn Sie auf ein Angebot von einem Profi-Team anspielen, das ist bislang ausgeblieben.

Als Radprofi muss man sich vor allem im Peloton bewegen können. Hängt die Zurückhaltung der Profi-Teams eventuell mit dem Glauben zusammen, Sie wären ein ausgewiesener Spezialist im Zeitfahren?

Stockhausen: Das kann schon sein. Aber man muss auch berücksichtigen, dass ich bei vielen Amateur-Rennen entweder alleine unterwegs bin oder maximal zwei Teamkollegen bei mir habe. Da muss man sich schon behaupten.

Die drei Fahrer, die vor Ihnen ins Ziel kamen, fahren für HTC Highroad. Das Budget des US-amerikanischen Profi-Rennstalls beläuft sich auf etwa zehn Millionen Euro im Jahr. Wie steht es um die finanziellen Mittel Ihrer Mannschaft "Magnesium pur"?

Stockhausen: Das ist unser großes Problem. Im oberbayerischen Raum möchte kaum jemand in den Radsport investieren. Unser Budget liegt zwischen 6.000 und 7.000 Euro im Jahr. Davon ist bereits zu diesem Zeitpunkt nichts mehr übrig. Deshalb ist unsere Mannschaft auch nicht so gut besetzt. Bei vielen Rennen können wir gar nicht antreten, weil wir die Reisekosten nicht finanzieren können.

Der ehemalige Bayern-Spieler Owen Hargreaves hat sich via Youtube bei neuen Vereinen angeboten. Wäre das nicht auch für Sie ein Weg ins Profi-Geschäft?

Stockhausen: Ich würde sehr gerne in einem Profi-Team fahren und mich dort weiterentwickeln. Auch eine Rundfahrt oder ein Eintagesrennen im Ausland würde ich sehr gerne bestreiten.

Als Physik-Student aus behütetem Elternhaus stellt sich natürlich die Frage, ob Sie lieber als Rad-Profi oder als Doktor der Physik Karriere machen wollen. Immerhin reden wir über einen Sport, der in den letzten Jahren sehr in Verruf geraten ist.

Stockhausen: Ich bin der Meinung, dass man an meinem vierten Platz sehen konnte, was möglich ist, wenn man sauber ist – damit meine ich natürlich einen Verzicht auf leistungssteigernde Mittel. Man kann dann eben nur einige wenige Höhepunkte im Jahr ansteuern, anstatt im Wochen-Rhythmus Rennen zu gewinnen. Ich bin bereit, in Sachen Ernährung, Lebensstil und Training an mein Maximum zu gehen. In diesen Bereichen steckt sicher noch eine Menge Potenzial. Aber Doping kommt dabei nicht infrage. Ich weiß, dass ich immer sauber unterwegs war. Radfahren ist für mich eine Art Experiment: Ich will herausfinden, wie weit ich mit natürlichen Mitteln kommen kann.

Sie wollen also Rad-Profi werden?

Stockhausen: Ja. Wenn mir jemand die Möglichkeit bietet, steige ich sofort ein. Ich glaube, das Leben als Rad-Profi würde vieles erleichtern. Ich durfte beispielsweise bei den Deutschen Straßenmeisterschaften gar nicht an den Start gehen, weil ich keinen Profi-Status hatte. Bei vielen Rennen im Ausland gestaltet sich das ähnlich.

Sie sind jetzt 23 Jahre alt. Haben Sie sich zeitlich ein Limit gesetzt, in welchem Alter Sie einen eventuellen Profi-Vertrag unterschrieben haben müssen?

Stockhausen: Wenn, dann sollte es schon in den nächsten ein bis zwei Jahren mit einem Profi-Vertrag klappen.

Egal, ob als Profi oder nicht: Welche Ziele verfolgen Sie in der Saison 2012 – eventuell sogar den Deutschen Meistertitel im Zeitfahren?

Stockhausen: Das wäre natürlich krass. Schon das Podium wäre toll. Wenn es mit der Profi-Karriere nicht klappen sollte, möchte ich mein Team weiterentwickeln. Derzeit haben wir bei "Magnesium pur" drei gute Fahrer. Aber wie gesagt: Aufgrund unseren finanziellen Mittel ist es schwer, Fahrer anzuwerben.

Gibt es einen Fahrer im Profi-Peloton, der Ihr Vorbild ist?

Stockhausen: Nein, ein konkretes Vorbild habe ich nicht. Für mich sind all diejenigen Vorbilder, die Spitzensport ohne Doping betreiben.

Wo sehen Sie sich in fünf Jahren – im Trikot eines Profi-Teams oder als Doktorand?

Stockhausen: Das wird die Zukunft zeigen. Es ist beides möglich. Eines ist sicher: Ich werde auf alle Fälle weiterhin Rad fahren und alles aus mir herausholen.

TV-Tipp:

Eurosport präsentiert mit der Vuelta die dritte große Rundfahrt des Jahres in ausführlichen Live-Übertragungen: Vom 20. August an sind wir drei Wochen lang bei allen Etappen LIVE und exklusiv dabei - selbstverständlich auch im Live-Ticker auf eurosport.yahoo.de und im Eurosport Player.

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