"Die Entscheidung für oder gegen ein Immobilieninvestment sollte der Anleger nicht nur von den derzeit historisch niedrigen Bauzinsen abhängig machen", rät Prof. Dr. Rolf Tilmes, Mitglied des Vorstandes des Financial Planning Standards Board Deutschland e.V. (FPSB Deutschland) und wissenschaftlicher Leiter des PFI Private Finance Institute der EBS Business School.
Tatsächlich muss der potenzielle Immobilienkäufer ein ganzes Bündel an Faktoren berücksichtigen: die wirtschaftliche und demografische Entwicklung am Wohnort, die persönliche Lebenssituation und -planung, die absehbare Entwicklung der Bauzinsen sowie die Renditeaussichten am Kapitalmarkt.
Am Ende entscheidet das Nettovermögen
In der Musterrechnung des PFI werden die beiden Alternativen Mieten oder Kaufen einer Immobilie gegenübergestellt. Ein Ehepaar mit zwei kleinen Kindern steht vor der Entscheidung, ein Haus für 437.000 Euro (inklusive Nebenerwerbskosten) zu kaufen oder ein entsprechendes Objekt für 2.300 Euro Warmmiete zu beziehen. Die Familie besitzt ein Anfangsvermögen von 100.00 Euro, ihr jährliches Haushaltsbruttoeinkommen beträgt 2012 100.000 Euro mit einer jährlichen Steigerung von zwei Prozent, ihre Lebenshaltungskosten betragen monatlich 2.750 Euro.
Zur Finanzierung des Hauskaufs nehmen sie ein Annuitätendarlehen in Höhe von 340.000 Euro zu einem Zinssatz von vier Prozent mit Zinsbindung bis zum Ende der Laufzeit im Jahr 2031 auf. Zusätzlich fallen beim Eigenheim pro Jahr 4.200 Euro Betriebs- und 5.500 Euro Nebenkosten an, die wie die Mietzahlung entsprechend der angenommenen Inflationsrate jährlich um zwei Prozent steigen. Bei beiden Szenarien wird unterstellt, dass die Familie Liquiditätsüberschüsse konsequent in Wertpapiere mit einer jährlichen Kurssteigerung von fünf Prozent und einer Dividendenrendite von zwei Prozent anlegt. Zudem wird keine Wertsteigerung der Immobilie angenommen.
Zwei Parameter sind für den Vergleich entscheidend: Die Wertsteigerung der Immobilie im Fall des Kaufs und die Frage, was der Kunde bei der Entscheidung für das Mietobjekt mit dem Geld macht, das er spart, weil er eine niedrigere monatliche Belastung als beim Kauf hat.
Bezieht man die voraussehbaren Änderungen der Lebenssituation der Familie in die Vergleichsrechnung, wie den Auszug der Kinder mit jeweils 18 Jahren sowie den späteren Umzug in eine kleinere Wohnung und den damit verbundenen sinkenden Lebenshaltungskosten mit ein, wird der Vorsprung der Nettovermögensposition im Mietfall immer größer - auch wenn man im Eigenheim später mietfrei wohnt. Führt man den Vermögensvergleich unter den gegebenen Annahmen bis zum Zeitpunkt des statistischen Lebensendes des alleinverdienenden Vaters im Jahre 2049 fort, beträgt der Vermögensvorteil im Mietfall rund 690.000 Euro.
Kauf nur bei hoher Wertsteigerung der Immobilie und geringer Rendite am Kapitalmarkt vorteilhaft
"Die zentralen Stellschrauben beim Vorteilhaftigkeitsvergleich sind die unterstellte Wertsteigerung der Immobilie und die Opportunitätsrendite der Wertpapieranlage", erläutert Tilmes. Erst ab einer jährlichen Wertsteigerung der Immobilie von drei Prozent würde der Käufer unter der Annahme einer jährlichen Kurssteigerung von fünf Prozent und einer Dividendenrendite von zwei Prozent mit rund 115.000 Euro am Ende vorne liegen.
"Aber solche hohen Wertsteigerungen bei Immobilien sind die Ausnahme und bis auf wenige Standortausnahmen nicht erzielbar. Die unterstellte Opportunitätsrendite gilt zwar nicht für risikoscheue Anleger, macht aber in der Modellrechnung Sinn, da Immobilien in der Regel langfristig erworben werden und somit von einer offensiven Anlagestrategie ausgegangen werden kann", sagt Tilmes. Bei der Berechnung verschiedener Konstellationen dieser zwei Parameter durch das PFI zeigt sich, dass ein Immobilienkauf nur bei einer sehr positiven Wertentwicklung der Immobilie und geringen Kurs-steigerungen der Wertpapiere vorteilhaft ist.
Bei der rein finanzmathematischen Betrachtungsweise wird unterstellt, dass der Mieter die Differenz zwischen den laufenden Mietzahlungen und den Tilgungszahlungen, die er beim Immobilienkauf leisten müsste, konsequent anlegt. "Hierbei ist das tatsächliche Sparverhalten entscheidend. Empirische Untersuchungen zeigen aber, dass Eigenheimbesitzer deutlich disziplinierter sparen und damit ein wesentlich höheres Vermögen ansammeln als vergleichbare Mieterhaushalte, die tendenziell freie Liquidität eher konsumieren", so Tilmes.
Professionelle Finanzplaner helfen bei der Entscheidung
Eine Immobilie zu kaufen oder zu bauen ist für viele Privatkunden die größte Investition ihres Lebens. Neben den finanziellen Fragen spielen natürlich auch die emotionalen Aspekte eine wichtige Rolle. Trotzdem sollte man bei der Entscheidung über den "Traum des eigenen Heims" Faktoren wie die Finanzierung, die persönliche Lebensplanung, das Wertsteigerungspotenzial der Immobilie sowie die Opportunitätsrenditen auf dem Kapitalmarkt berücksichtigen. Professionelle Finanzplaner wie die vom Financial Planning Standards Board Deutschland e.V. zertifizierten Finanzplaner als CERTIFIED FINANCIAL PLANNER (CFP®) erstellen nicht nur ein schlüssiges Finanzierungskonzept. Im Rahmen einer ganzheitlichen Finanzplanung analysieren sie das Immobilieninvestment vor dem Hintergrund der gesamten individuellen Vermögensstruktur des Kunden und seinen individuellen Bedürfnissen. "Eine Immobilie sollte auf Dauer ins Portfolio und in die persönliche Lebensplanung passen. Falsch gekauft oder finanziert bedeutet für viele Familien weniger Potenzial, weiteres Vermögen für den Ruhestand in ausreichender Höhe anzusparen", weiß Tilmes.