Herr Ehlers, warum sollten Entscheider Jonglieren lernen?
Entscheider treffen Entscheidungen, die alle – ohne Ausnahme – vom Gehirn getroffen werden. Beim Jonglieren wird das Gehirn besser und intensiver mit Sauerstoff versorgt und kann leichter Entscheidungen treffen. Die unbewussten Effekte des Jonglierens sind enorm. So befindet sich die größte Ansammlung von Nervenzellen – nach dem Gehirn – im Bauchraum, und auch mit dem Bauch entscheiden wir vieles. Diese Nervenzellen sind mit dem Gehirn verbunden. Sie sind aber keine Leitung zwischen Gehirn und Bauch, sondern diese Nerven sind vegetativ und können nicht willentlich angesprochen werden. Man kann sie aber durch das Jonglieren aktivieren und so für eine bessere Durchblutung und Regeneration im gesamten Körper sorgen.
Wo gibt es Parallelen zwischen Veränderungsprozessen in Unternehmen und Ihren drei Bällen?
Veränderungsprozesse in Unternehmen sind der Normalfall. Organisationen benötigen in einem Umfeld permanenten Wandels vor allem eins: die Fähigkeit, sich zu verändern. Eine Firma ist nur dann wandlungsfähig, wenn es die Führung ist. Deswegen ist es enorm wichtig, wenn Führungskräfte sich bei Veränderungsprozessen zunächst auf sich selbst konzentrieren: über das Jonglieren. Denn Jonglieren erleichtert den Umgang mit Wandel, weil man dabei lernt, Ungewohntes zu tun: Man muss völlig neue Dinge ausprobieren und es braucht Ausdauer und Konzentration. Kurzum: Man lernt körperlich und damit auch geistig, Zutrauen zu Dingen zu gewinnen, die sich erst „blöd“ anfühlen. Das braucht es bei Veränderungsprozessen.
Was heißt das in der Praxis?
Das zeige ich an einem Beispiel: Der Vorstandsvorsitzende einer großen Versicherung lernte bei mir das Jonglieren, das auf Video aufgezeichnet wurde. Einen kurzen Ausschnitt – samt Schwitzen, Fluchen, Scheitern und am Ende dem Erfolg – zeigte der Chef seinen 450 Führungskräften mit dem Hinweis: „Was wir gemeinsam in den nächsten Monaten vorhaben, wird sich genau so anfühlen!“ Und am Anfang fühlt sich Change – wie auch Jonglieren – immer unsicher an.
Inwieweit haben sich Entscheider heute im Vergleich zu Ihren Anfängen vor 20 Jahren gewandelt?
Ich erlebe selbst bei meinen öffentlichen JonglierkursRekordversuchen, wie rasend schnell sich alles entwickelt. 2003 meldete dpa meinen ersten Weltrekord, bei dem 54 Berliner in 60 Minuten das Jonglieren gelernt haben. 2016 haben das 119 Münchner in zehn Minuten geschafft! Sowohl die Veränderungsdynamik als auch das tempo sind in den letzten 20 Jahren exponentiell gestiegen. Dass der erhöhte psychische und zeitliche Druck, in immer kürzeren Zeitabständen wichtige Entscheidungen zu treffen, zu mehr Belastungen führt, kann man an den aktuellen Gesundheitsund BurnoutStatistiken ablesen. Das Jonglieren ist eine Möglichkeit abzuschalten. Drei Minuten am tag oder 20 pro Woche reichen völlig aus, um für mehr Entlastung im Gehirn zu sorgen. Auch im Unternehmensalltag! Entscheider dürfen ruhig mehr spielen, lachen und spinnen. Nicht nur in der Werbebranche.
Quelle: w&v-Interview – w&v-plus 30-2018 – Seite 44 – Fokus: Entscheider Juli 2018
Das INTERVIEW führte Julia Gundelach
STEPHAN EHLERS
ist gelernter Bank und Werbekaufmann. Er gründete 1995 die Firma FQL. Die drei Buchstaben stehen für „Fröhlich Qualität liefern“, „Findet Querdenken lukrativ“ und „Forciert querfeldein lernen“. Seitdem hat Ehlers als trainer, Speaker, Ballzauberer und Moderator viele namhafte Firmen um Kreativität, Knowhow und Ergebnisse bereichert.
Stephan Ehlers verknüpft aktuelle Erkenntnisse der Gehirnforschung informativ und unterhaltsam mit konkreten Tipps für die Umsetzung. Er ist Mitglied der GSA German Speakers Association und gehört zu den Top100-Entertainern bei Speakers Excellence. Weiterhin ist er Mitglied der auf „Gehirn-Wissen“ spezialisierten Akademie für neurowissenschaftliches Bildungsmanagment (AFNB), Betreiber der Webseiten gehirn-wissen.de und gehirn-tipps.de sowie Autor mehrerer Bücher.
Informationen zu W&V
Die Erfolgsmarke W&V setzt sich zusammen aus dem auflagenstärksten Wochenmagazin der Kommunikationsfachpresse und einem der reichweitenstärksten Fachportale (IVW Print/IVW Online Quartal II/2017). Sie steht seit über 50 Jahren für Unabhängigkeit, Verlässlichkeit und Expertenwissen. Entscheider aus Marketing, Agenturen und Medien vertrauen auf W&V als starken Partner in Sachen Arbeit und Karriere.
W&V, das Magazin
blickt über die eigentliche Nachricht hinaus und geht in die Tiefe. Es sortiert und gewichtet, liefert Hintergrundinformationen, bringt Geschichten mit Bestand, ordnet ein und bezieht klar Stellung. W&V navigiert seine Leser sicher durch die entscheidenden Trends und Themen der Branche und bietet glasklare Orientierung.