Es zeigt Vorteile, die über die Stromversorgung aus erneuerbaren Quellen hinausgehen.
Das Projekt verfolge drei Ziele, teilte Andreas Lerg, Pressesprecher von ADRA Deutschland, mit. Zum einen lernten junge Menschen einen Beruf im Bereich der erneuerbaren Energien. Damit würden für viele Menschen, auch für Schutzsuchende aus umliegenden Ländern, neue Arbeitsplätze mit Einkommensmöglichkeiten geschaffen. Des Weiteren werde mit dem Projekt die Versorgung der Menschen mit Strom aus erneuerbaren Energien, primär aus Photovoltaik, ausgebaut.
Ausgangslage
Äthiopien zeichne sich durch eine bemerkenswerte Willkommenskultur und Offenheit gegenüber Flüchtlingen aus. Seit langem nehme das Land Menschen vor allen aus den umliegenden Ländern auf, die vor Konflikten und Not fliehen. Mit rund 800.000 Vertriebenen gehöre Äthiopien zu den größten Aufnahmeländern Afrikas. Kulturelle und sprachliche Ähnlichkeiten mit den Nachbarländern machten das Land zu einem beliebten Ziel für Asylsuchende. Trotz dieser Offenheit wäre die Situation für viele geflüchtete Menschen in Äthiopien schwierig. Die meisten von ihnen lebten in Flüchtlingslagern und hätten keine oder kaum finanziellen Mittel, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Vor allem junge Menschen fänden kaum Arbeitsmöglichkeiten, was die ohnehin hohe Arbeitslosigkeit weiter verschärfe. Neben den Schutzsuchenden seien auch viele Einheimische von Arbeitslosigkeit betroffen, teilte Andreas Lerg mit.
Rund 50 Prozent der äthiopischen Bevölkerung seien 18 Jahre oder jünger. Rund drei Millionen von ihnen suchten jedes Jahr Arbeit. Diese hohe Jugendarbeitslosigkeit stelle eine enorme Herausforderung für den Staat und die gesamte Gesellschaft dar. ADRA Deutschland setze sich deshalb dafür ein, sowohl jungen Arbeitssuchenden aus Äthiopien als auch Flüchtlingen im Land Chancen auf eine gute Ausbildung und eine nachhaltige Beschäftigung zu bieten. Durch die Unterstützung der offenen Aufnahmepolitik der äthiopischen Regierung und die Schaffung von Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten will ADRA Deutschland dazu beitragen, dass Menschen langfristig der Armut entkommen und ihren Platz in der Gesellschaft finden können.
Konzept
Das Ganze sei gekoppelt an den Ausbau erneuerbarer Energien mit Schwerpunkt auf Photovoltaik. Das Photovoltaik-Projekt ziele darauf ab, die Beschäftigungsperspektiven von Flüchtlingen und Einheimischen durch berufliche Bildung in den Bereichen Installation und Wartung von Photovoltaikanlagen zu verbessern. Ein weiterer Ausbildungszweig sei die Holz- und Metallverarbeitung. In diesen Berufsfeldern bestehe eine große Nachfrage nach gut ausgebildeten Fachkräften. Gerade im Bereich der Photovoltaik habe die äthiopische Regierung langfristige Investitionen beschlossen, um weite Teile des Landes zu elektrifizieren, wofür qualifizierte Fachkräfte benötigt würden. Nicht umsonst werbe das äthiopische Ministerium für Kultur und Tourismus mit dem Leitspruch „In Äthiopien scheint 13 Monate im Jahr die Sonne“.
ADRA Deutschland hat daher zunächst zwei Ausbildungszentren für Photovoltaik in den Flüchtlingslagern Aw-Barre und Shedder in der Somali-Region eingerichtet und ausgestattet, informierte Andreas Lerg. Ein weiteres Ausbildungszentrum wurde in der Hauptschule der Stadt Jigjiga eingerichtet. Die Ausbildungszentren seien mit Photovoltaikanlagen, Werkzeugen und Lehrmaterial ausgestattet. Die Teilnehmenden lernten in vierwöchigen Kurzkursen praktische Kenntnisse in der Installation, dem Betrieb und der Wartung von Photovoltaikanlagen. Am Ende der Ausbildung erhielten sie ein von der regionalen Bildungsbehörde anerkanntes Zertifikat. Damit diese Ausbildung ebenfalls nachhaltig sei, würden parallel zertifizierte Trainer ausgebildet, welche die Kurse auch nach dem Projektende weiterführen.
Neben den Photovoltaikkursen bieten die Ausbildungszentren auch Kurzkurse in der Holz- und Metallverarbeitung an. Damit würden arbeitslosen Jugendlichen neue Fähigkeiten vermitteln, die vor allem in der wachsenden Baubranche im Land gefragt seien. Damit hätten die jungen Menschen einen guten Einstieg in den Arbeitsmarkt.
Ein weiteres Element sei die Unterstützung bei der Gründung kleiner Gewerbe. Nach der Ausbildung biete das Projekt Kleinkredite, betriebswirtschaftliche Schulungen sowie finanzielle Zuschüsse für den Kauf von Werkzeugen oder Baumaterialien an. So könnten die Absolventen der Ausbildungszentren Kleinstunternehmen starten und sich mit anderen regionalen Unternehmen vernetzen. Unternehmen, die Berufsanfänger in den ersten Monaten nach ihrer Ausbildung beschäftigen und weiterbilden, bekämen dafür eine Unterstützung.
Damit sei dieses Konzept in mehrfacher Hinsicht nachhaltig, denn junge Menschen würden aus der Arbeitslosigkeit geholt, bekämen eine berufliche Perspektive und die Chance, selbst wirtschaftlich auf eigenen Beinen zu stehen, auch nachdem sie das Projekt in den Ausbildungszentren absolviert haben. Damit sei das Projekt sozial und wirtschaftlich nachhaltig. Nachhaltig sei das Projekt aber auch deshalb, weil Äthiopien beim Ausbau der Stromversorgung des Landes unterstützt werde, betonte Andreas Lerg. Derzeit liege die Elektrifizierung bei 38 Prozent und Äthiopien wolle mit seiner Energiepolitik bis 2030 auf mindestens 65 Prozent kommen. ADRA möchte mit dem Photovoltaik-Projekt dabei helfen, so viel wie möglich von den dann noch fehlenden 35 Prozent abzudecken.
Herausforderungen
Bisrat Abera, Green Energy TVET Coordinator von ADRA Äthiopien, berichtet als Projektkoordinator im Land vor Ort von den Herausforderungen, denen sich das Team bei der anfänglichen Umsetzung des Projekts stellen musste. „Es gab im Bereich der Ausbildung von Photovoltaik-Technikern, keine Standards, kein Kurrikulum, kein Ausbildungsmaterial und auch keine qualifizierten Trainer. Daher haben wir zu Beginn des Projektes erst einmal diesen Mangel aufgearbeitet.“ So habe das ADRA-Team in Äthiopien in der ersten Phase zusammen mit den zuständigen Ministerien an einheitlichen Ausbildungsstandards gearbeitet, Schulungsunterlagen erstellt und die bereits erwähnten Kurzkurse konzipiert. Diese ersten Ausbildungsgänge dauern 370 Stunden und schaffen eine Basisqualifikation. In Zukunft sollen dann auch universitäre Studiengänge in diesem Bereich etabliert werden, die dann mit den Abschlüssen Bachelor of Science (BSc) und Master of Science (MSc) absolviert werden können. Ziel sei, dass das Projekt im Bereich Bildung dann in dieser Form langsam „ausgeschlichen“ wird, indem der Staat diese Ausbildungswege übernimmt und selbst weiter betreibt.
In der zweiten Phase werde über die ausgebildeten Photovoltaik-Techniker die Photovoltaik selbst im Land etabliert. „Photovoltaik spielt dabei längst nicht nur für Beleuchtung oder Haushaltsstrom eine Rolle“, erklärt Bisrat Abera und ergänzt: „Damit können in der Landwirtschaft beispielsweise Wasserpumpen oder auch Brutkästen für die Geflügelzucht betrieben werden, um nur zwei Beispiele zu nennen.“ Der Photovoltaikstrom spiele also auch in der betrieblichen und wirtschaftlichen Nutzung eine wichtige Rolle.
Damit unterstütze ADRA Deutschland das Land und die Politik auch dabei, eine „Green Energy Strategy“ zu entwickeln und umzusetzen. In der Vergangenheit wurde die Stromversorgung in entlegenen Regionen meist mit Dieselgeneratoren realisiert. Diese verbrauchen nicht nur viel teuren Kraftstoff und belasten die Umwelt mit Abgasen. Zudem seien sie wartungs- und damit kostenintensiv. Photovoltaikanlagen sind, so Lerg, sehr günstig in der Anschaffung und im Betrieb, da nur wenig Wartungsaufwand entstehe und die Technik sehr einfach in Betrieb genommen und gehalten werden könne. Die Primärenergie liefere die reichlich vorhandene Sonne kostenlos und Umweltbelastungen entstünden keine.
Doch auch hier galt es zu Beginn Herausforderungen zu meistern, wie Bisrat Abera berichtet: „In Sachen Photovoltaik haben bislang Unternehmen, die hier vor allem schnelle Geschäfte und Umsatz machen wollten, minderwertige Komponenten und Systeme aus unsicheren Quellen in das Land verkauft. Systeme, die dann eben nie richtig funktioniert haben oder schnell defekt waren und ausgefallen sind.“ Die Folge war, dass Photovoltaik bei vielen Äthiopiern den Ruf hatte, unzuverlässig und nutzlos zu sein. „Aufgrund dieser negativen Erfahrungen der Menschen im Land mussten und müssen wir viel Aufklärungsarbeit leisten, Vorurteile abbauen und das Vertrauen in die Photovoltaik zurückgewinnen.“ erklärt Bisrat Abera.
Perspektiven
Das erste Projekt, das im Jahr 2018 angelaufen ist und vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit unterstützt wurde, lief bis Juli 2022, teilt Andreas Lerg mit. Die Phase 2 startete bereits im November 2021 und lief bis August 2023. Das direkt daran angeknüpfte dritte Projekt lief parallel im Oktober 2022 an und wird bis mindestens Dezember 2025 betrieben. So bildet ADRA mittlerweile in vier Berufsschulen in den äthiopischen Provinzen Afar, Dire Dawa, Arba Minch und Gurage-Wolkite 480 Jugendliche zu Photovoltaiktechnikerinnen und -technikern aus. Die Berufsschulen werden unter anderem mit Laborzubehör, Messgeräten und Werkzeug ausgestattet. Parallel werden 16 Berufsschullehrkräfte fortgebildet. Von der neuen Ausbildung in Photovoltaiktechnik profitierten demnach Photovoltaik-Firmen im Land, die bisher einen Fachkräftemangel verzeichnen. Genauso profitierten Institutionen wie Gesundheitseinrichtungen oder Schulen mit Photovoltaikanlagen zur Stromversorgung, die auf eine bessere Wartung und Reparatur zählen können.
Insgesamt profitierten rund 3.000 Menschen von diesem Projekt. Die jungen Frauen und Männer hätten ein Einkommen und könnten zum Lebensunterhalt ihrer Familien beitragen. Die Berufsschullehrkräfte bekämen praktische Werkzeuge an die Hand, wie sie die jungen Auszubildenden erfolgreich unterrichten können. Und das Land werde mit kostengünstiger, nachhaltiger und umweltschonender Technik weiter elektrifiziert.
Weitere Informationen zum Projekt und den verschiedenen Phasen:
Oktober 2022 bis Dezember 2025: https://adra.de/projekte/fuer-ein-grueneres-aethiopien/
November 2021 bis August 2023: https://adra.de/projekte/bessere-arbeitsmoeglichkeiten-fuer-aethiopien/
Oktober 2018 bis Juli 2022: https://adra.de/projekte/neue-ausbildung-fuer-jugendliche-in-aethiopien/
ADRA Deutschland
ADRA Deutschland e. V. mit Sitz in Weiterstadt bei Darmstadt wurde 1987 gegründet und hat rund 50 Angestellte. Es ist Teil des weltweiten ADRA-Netzwerks, das 1956 gegründet und von der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten getragen wird, aus 108 eigenständigen nationalen Büros besteht und weltweit Projekte der Entwicklungszusammenarbeit sowie der humanitären Hilfe in Katastrophenfällen durchführt. ADRA steht für Adventist Development and Relief Agency. ADRA Deutschland ist unter anderem Gründungsmitglied des Verbands Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe (VENRO), der „Aktion Deutschland Hilft“ und „Gemeinsam für Afrika“. Informationen: www.adra.de. Spenden sind online unter www.adra.de/spenden möglich.