Der adventistische Fachbeirat „Sexueller Gewalt begegnen“ führe etwa 40 laufende Akten, sagte dessen Leiter, der Jurist Oliver Gall, im September 2022 in einem Interview in der damaligen Ausgabe von Adventisten heute. „Hinter jedem Aktenzeichen steht ein Mensch, der Missbrauch erdulden musste.“ Er geht unter Einbeziehung der allgemein anerkannten Dunkelziffer (etwa das 10–15-fache der bekannt gewordenen Fälle) davon aus, dass „eine von 30 Personen, die unsere Gottesdienste besuchen, Opfer von sexueller Gewalt ist.“ In vielen Fällen seien auch Täter und/oder Angehörige Teil der Kirchengemeinde.
Nicht wegsehen
Wer einen Verdacht habe, dass sexueller Missbrauch in einer adventistischen Kirchengemeinde vorgefallen sei, solle „nicht wegsehen, keine unbegründete Ehrfurcht vor Ämtern oder Personen haben, sondern sich Hilfe holen und Notizen über die Beobachtungen anfertigen.“ Damit könne man sich an den Fachbeirat wenden (per E-Mail unter missbrauch@adventisten.de oder unter der gebührenfreien Telefonnummer 0800 5015007).
Fachbeirat „Sexueller Gewalt begegnen“ der Adventisten
In Deutschland hat die Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten seit Dezember 2009 Richtlinien und einen „Verhaltenskodex“ für alle ehren- und hauptamtlichen Mitarbeiter/-innen beschlossen. Im Juni 2010 wurde durch die Freikirche der unabhängige Fachbeirat „Sexueller Gewalt begegnen“ berufen, der sich einerseits um die Erstellung von Materialien kümmert und andererseits in konkreten Fällen angesprochen wird, diese entsprechend seiner ihm übertragenen Kompetenz aufzuarbeiten. Weitere Infos unter http://sexueller-gewalt-begegnen.de/. Die gebührenfreie Nummer des Hilfstelefons, bei dem sich Betroffene oder solche, die eine betroffene Person kennen, melden können, lautet: 0800 5015 007; E-Mail: missbrauch@adventisten.de
Filmclips
Damit mehr Menschen in den adventistischen Kirchengemeinden über das Thema und den Fachbeirat informiert werden, wurde ein Filmporträt über Arbeit des Fachbeirates gedreht, das unter folgendem Link zu sehen ist: https://youtu.be/l_10cc-DRrk
Buchveröffentlichung zum Thema
Als weitere Informationsquelle dient das Buch Sexueller Gewalt begegnen – Sind unsere Gemeinden ein sicherer Ort für Kinder und Jugendliche?, das 2022 im Advent-Verlag, Lüneburg, erschienen ist. Autor Oliver Gall beschreibt darin seine vielfältigen und mitunter beklemmenden und kräftezehrenden Erfahrungen aus der Fallbearbeitung von sexuellen Gewalttaten gegenüber Kindern und Jugendlichen im kirchlichen Kontext. Auch über dieses Buch wurde ein Filmclip gedreht: https://youtu.be/nFV_Ys6fV8g
Handreichung für Haupt- und Ehrenamtliche
Der Fachbeirat hat vor einigen Jahren eine Handreichung für Haupt- und Ehrenamtliche in der Kinder- und Jugendarbeit mit dem Titel Sexueller Gewalt begegnen herausgegeben. Sie ist in deutscher, englischer und russischer Sprache erhältlich. Das Heft beginnt nach einer Einführung in das Thema samt Begriffserklärung sowie Elementen, Formen und Folgen sexueller Gewalt. Kurz beschrieben wird die Vorgehensweise von Tätern, gefolgt von einem Bericht einer Betroffenen. Sieben mögliche Szenen sexueller Gewalt verdeutlichen die Thematik. Ein weiteres Kapitel befasst sich mit juristischen Aspekten des sexuellen Missbrauchs an Kindern. Anschließend gibt es Hinweise für das Verhalten in adventistischen Gemeinden und Gruppen gegenüber Betroffenen sowie möglichen Tätern und Täterinnen. Die Broschüre schließt mit weiterführenden Hinweisen und Adressen sowie dem erwähnten „Verhaltenskodex zur Prävention sexueller Gewalt“ für Ehren- und Hauptamtliche in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen.
Arbeitshilfe für die Erarbeitung von Schutzkonzepten für adventistische Kirchengemeinden
Ein wesentlicher Aspekt der Prävention sexueller Gewalt sei ein Schutzkonzept, so Ruben Grieco (Leiter der adventistischen Jugendarbeit) und Jochen Härdter (Leiter des Religionspädagogischen Instituts der Freikirche - RPI) in einem Artikel in der Kirchenzeitschrift Adventisten heute, Ausgabe September 2022. Bei einem solchen Konzept gehe es darum, wie Kinder und Jugendliche wirksam vor sexueller Gewalt geschützt und wie ihnen sichere Orte geboten werden könnten. Ein Schutzkonzept sei die Antwort auf die Frage: „Was muss geschehen, damit nichts geschieht?“ Deshalb seit es erforderlich, sich mit relevanten Themen des Kinder- und Jugendschutzes auseinanderzusetzen und sie zu reflektieren. Dazu gehören z. B. diese Fragen: Welche Strategien verfolgen Täter, um sexuellen Missbrauch zu verüben? Welche Gegebenheiten könnte ein Täter in unserer Kirchengemeinde oder Gruppe ausnutzen? An wen kann ich mich im Falle eines Verdachts wenden? Wie gehe ich wertschätzend, respektvoll und achtsam mit Mädchen und Jungen in meiner Gruppe um?
Die Arbeitshilfe Schützen & begleiten sei ein praktischer Leitfaden, um ein Schutzkonzept passgenau für die eigene Gruppe oder Gemeinde auszuarbeiten. Darin werden konkrete Schritte beschrieben, wie ein Schutzkonzept entwickelt werden kann. Schützen & begleiten wurde gemeinsam von dem adventistischen Jugendverband (Adventjugend), dem RPI und dem Fachbeirat „Sexueller Gewalt begegnen“ erarbeitet. Die 60 Seiten umfassende Broschüre kann unter schutzkonzept-adventisten.de kostenfrei heruntergeladen werden. Auf dieser Website gibt es weitere Dokumente und unterstützende Informationen zur Erstellung eines Schutzkonzeptes.
Die Septemberausgabe 2022 von Adventisten heute gibt es als kostenfreies pdf zum Download unter https://advent-verlag.de/zeitschriften/adventisten-heute/aheu-september-22-sexueller-gewalt-begegnen
Das Buch Sexueller Gewalt begegnen ist beim Advent-Verlag, Lüneburg, erhältlich: https://advent-verlag.de/ratgeber/lebensfragen-lebensstil/sexueller-gewalt-begegnen