Probleme mit der Religionsfreiheit auch in Europa
Der Bericht gibt einen Überblick zur globalen Lage des Menschenrechts auf Religionsfreiheit und zeigt, in welchem Maß und auf welche Weise die religiöse Freiheit von Christen in vielen Ländern und Regionen missachtet oder eingeschränkt werde. Laut dem Ökumenischen Bericht sei die Situation von Christen im Nahen Osten nach wie vor besonders bedrängend. Aufgrund langfristiger Trends und der Auswirkungen der Terrorherrschaft des sogenannten Islamischen Staates drohe in einigen Ländern ein Ende der christlichen Präsenz. Auch in Teilen Afrikas, etwa im Norden Nigerias, würden Christen Opfer islamistischer Gewalttäter. Daneben stünden autoritär regierte Länder, wie China, Vietnam und Nachfolgestaaten der Sowjetunion, welche religiöse Aktivitäten der staatlichen Herrschaft unterstellten und sie deshalb engmaschig überwachten und einschränkten. In den zurückliegenden Jahren habe darüber hinaus die Unterdrückung bestimmter Religionen zur Förderung eines traditionellen religiös-kulturellen Erbes an Bedeutung gewonnen. Der Bericht nennt Myanmar und Indien als Beispiele für diesen „kulturalistischen“ Trend. Der Ökumenische Bericht richtet die Aufmerksamkeit aber auch auf Europa, wo religiöse Zeichen und Bekenntnisse zunehmend aus dem öffentlichen Bereich, etwa aus Schulen, verbannt würden.
Das Recht, den Glauben zu wechseln
Schwerpunktthema des von den Kirchen vorgelegten Berichts ist das Recht, den Glauben zu wechseln und einen neuen Glauben anzunehmen. Nach den internationalen Menschenrechtskonventionen handele es sich dabei um einen integralen Bestandteil der Religionsfreiheit. Der Ökumenische Bericht spricht von einer „Nagelprobe der Religionsfreiheit“. Bischöfin Bosse-Huber hob die Bedeutung, die diesem Thema beizumessen sei, hervor: „In manchen islamisch/islamistisch geprägten Ländern ist jeglicher Glaubenswechsel verboten. Wenn also jemand vom Muslim zum Christ wird, dann kann dies lebensgefährlich werden.“ So könnten sich etwa im Iran Menschen nur im Verborgenen zur Kirche bekennen und seien dennoch in höchstem Maße gefährdet.
Autor des inhaltlichen Schwerpunkts im Bericht ist Dr. Heiner Bielefeldt, Professor für Menschenrechte und Menschenrechtspolitik an der Universität Erlangen-Nürnberg und ehemaliger UN-Sonderberichterstatter für Religions- und Glaubensfreiheit. Er stellt fest, dass sich am Thema Konversion die Geister scheiden und schlussfolgert: „Nur wenn die Möglichkeit zum Glaubenswechsel rechtlich eröffnet ist, kann auch das Verbleiben innerhalb einer Religionsgemeinschaft als Ausdruck persönlicher Freiheit verstanden werden.“ Dazu gehöre, dass Menschen das Recht zugestanden werde, über ihre grundlegenden Überzeugungen nachzudenken, eventuell aufkommende Zweifel offen zu kommunizieren, sich mit anderen Überzeugungen aktiv auseinanderzusetzen und gegebenenfalls ihre Glaubensgemeinschaft zu verlassen und sich neu zu orientieren. Auch das Recht, andere Menschen zum Glaubenswechsel einzuladen, zähle zur Religionsfreiheit.
Ein Netzwerk von Information
„Durch unsere Partnerkirchen und -gemeinden sowie durch kirchliche Hilfswerke und unsere Missionswerke sind wir in vielen Ländern vor Ort vernetzt und dadurch gut informiert“, so Bischöfin Petra Bosse-Huber. Regelmäßig gebe es durch Berichte der kirchlichen Dienste und Werke gute Einblicke in die konkrete Situation von Menschen in Not, die der Öffentlichkeit weitergeben würden. Außerdem besuchten Vertreter der beiden großen Kirchen in Deutschland die Partner, um sich ein eigenes Bild zu machen und auch durch die „stille Diplomatie“ des Gesprächs, etwa mit Regierungsvertretern, den Christen in Bedrängnis zu helfen.
Keine konkreten Zahlen über verfolgte Christen
Erzbischof Ludwig Schick betonte, dass dem Ökumenischen Bericht die Auswertung einer Vielzahl wissenschaftlicher Veröffentlichungen zugrunde läge. Auf quantitative Einordnungen sei aus methodischen Gründen weitgehend verzichtet worden. „Für genaue Angaben über die Zahl der weltweit verfolgten Christen ist ein weitaus komplexeres wissenschaftliches Instrumentarium notwendig, als es bislang vorgelegt wurde.“ Der Bericht lege den Schwerpunkt auf die Erforschung der Ursachen von Bedrängnis und Verfolgung von Christen.
Es gebe zwar ein vielfaches Interesse daran, die Verfolgungssituationen auch zahlenmäßig einzuschätzen, wie es beispielsweise „Open Doors“ mit dem jährlichen „Weltverfolgungsindex“ tue. „Doch wir haben uns dagegen entschieden, vermeintlich konkrete Zahlen zu repräsentieren“, so Schick. Als Gründe nannte er: Je intensiver Verfolgungssituationen untersucht würden, desto deutlicher wären die Schwierigkeiten einer zahlenmäßigen Erfassung. Quantitative Aussagen setzten ein weitaus komplexeres Instrumentarium voraus, als bislang von unterschiedlichen Organisationen oder Instituten vorgelegt werden konnte. Zudem seien Verfolgungssituationen häufig nicht nur beziehungsweise nicht eindeutig religiös begründet. Es gebe neben religiösen auch sich überlappende ethnische, wirtschaftliche, soziale und politische Spannungsfelder. Außerdem solle der Eindruck vermieden werden, als seien individuelles Leid und persönliche Unrechtserfahrungen messbar, kategorisierbar und damit auch in Vergleich oder gar in Konkurrenz zu den Erfahrungen anderer zu setzen.
Gebetstage für verfolgte Christen
Die Veröffentlichung des Ökumenischen Berichts ist Teil der Bemühungen der beiden großen Kirchen in Deutschland auf die Situation bedrängter Christen aufmerksam zu machen und die Betroffenen zu unterstützen. Zum jährlichen Gebetstag für bedrängte und verfolgte Christen laden die evangelische Kirche am zweiten Sonntag der Passionszeit (Reminiszere) am 25. Februar 2018 sowie die römisch-katholische Kirche am 26. Dezember 2017 (Stephanustag) ein.
Der „Ökumenische Bericht zur Religionsfreiheit von Christen weltweit“ ist unter www.ekd.de/ekd_de/ds_doc/oekumenischer_bericht_religionsfreiheit2017.pdf als PDF-Datei abrufbar.