Ein Ja zur Freiheit
In dem fünfseitigen „Brief an die Jugend“ wird betont, dass Deutschland ein Land ist, „in dem der Einzelne die Möglichkeit hat, sich in Freiheit und Menschenwürde zu entfalten“. Dass in Deutschland Frieden, Freiheit, Demokratie und Menschenwürde zum Allgemeingut gehören, „können wir als Segen Gottes betrachten“. Vor dem Hintergrund eines religiösen Extremismus, der sich an vielen Orten zu verstärken drohe, seien Christen aufgerufen, diese Werte „mit aller Kraft zu verteidigen“. Sie stünden im Einklang mit dem Menschenbild, das in der Heiligen Schrift und in der Tradition der orthodoxen Kirche zum Ausdruck käme. Der Mensch, erschaffen „nach dem Bilde Gottes“, habe die Fähigkeit, sich frei zu entscheiden.
Kein Freibrief für sexuelle Freizügigkeit
Doch Freiheit bedeute auch Verantwortung und betreffe alle Lebensbereiche. Wenn in dem Dokument von „Liebe“ die Rede ist, sei damit mehr gemeint, als „Schmetterlinge im Bauch“. Liebe bedeute die bedingungslose Zuwendung zu einer Person. Es gehe dabei nicht um einen „Freibrief für sexuelle Freizügigkeit“, sondern um Verantwortung zur eigenen Sexualität und der des Partners beziehungsweise der Partnerin. Die Liebe sollte durch „eine kirchliche Ehe gekrönt“ werden, damit dadurch eine christliche Familie entstehe. Dabei solle auch das neu entstehende Leben geschützt werden, denn der Embryo sei „ab der Zeit der Empfängnis“ ein menschliches Wesen.
Abtreibung kommt für orthodoxe Christen nicht in Betracht
In dem Brief bekennen sich die Bischöfe zur Zivilehe, da somit Mann und Frau zivilrechtlich abgesichert seien. Doch hätten christliche Eheleute auch den Wunsch, ihre Gemeinschaft „als ein Geschenk Gottes anzunehmen“, was in einem Traugottesdienst mit dem Versprechen „lebenslanger Treue“ deutlich werde. Dabei segne die orthodoxe Kirche auch den Kinderwunsch und betrachte das Kind als Geschenk Gottes. „Doch auch ohne Kinder ist eine Ehe heilig und vollkommen.“ Es gelte aber zu bedenken, dass Abtreibung „für den orthodoxen Christen weder in der Familienplanung noch anderweitig in Betracht kommen kann und darf“. Die Ehe zwischen Orthodoxen und anderen Christen habe ihre Herausforderungen. Der gemeinsame Empfang der heiligen Kommunion sei nicht möglich, da keine vollständige Einheit im Glauben bestehe. Noch komplizierter wäre es bei einer Ehe mit einem nicht christlichen Partner. Hier bilde die Zivilehe „einen gangbaren Weg“.
Homosexuelle mit Respekt behandeln
Da nach orthodoxem Verständnis das „Mysterium der Ehe“ eine Verbindung zwischen Mann und Frau voraussetze, „ist die Eheschließung von homosexuellen Paaren in unserer Kirche nicht möglich“. Offene Fragen in Bezug auf homosexuelle Menschen gehörten in den Bereich der Seelsorge und der taktvollen Begleitung durch die Kirche. Es wird in dem Brief betont, dass alle Menschen nach dem Bild Gottes erschaffen seien. Deshalb werden auch die orthodoxen Kirchengemeinden dazu aufgefordert, „allen Menschen Liebe und Respekt entgegenzubringen“.
Die Bischofskonferenz weist darauf hin, dass durch die ständigen Veränderungen in der Gesellschaft auch die traditionelle Familie heute „vor radikalen Herausforderungen“ stehe. Die Bischöfe sehen ihre Aufgabe darin, orthodoxe Gläubige „mit geistlichem Rat zu begleiten und nicht Vorschriften mechanisch zu formulieren“.
Die Bischöfe beschäftigten sich bei ihrer Herbstvollversammlung auch mit der Situation des orthodoxen Religionsunterrichts. Sie verabschiedeten dazu ein weiteres Hirtenwort, und zwar „An das orthodoxe Kirchenvolk in Deutschland“. Darin wird die Notwendigkeit eines solchen Unterrichtes für alle orthodoxen Kinder unabhängig von ihrer Nationalität und Diözesanzugehörigkeit betont, denn dieser „leistet einen wichtigen Beitrag zum Zusammenwachsen der orthodoxen Christinnen und Christen in der Bundesrepublik. Hier begegnen sich unsere Kinder und nehmen sich gegenseitig als Geschwister im gemeinsamen orthodoxen Glauben wahr.“ Vorgestellt wurde in Frankfurt ein Modell der Ausbildung von orthodoxen Religionslehrern, das von der Ausbildungseinrichtung für Orthodoxe Theologie der Universität München vorgelegt wurde und ihre Billigung erhielt.
Orthodoxe Bischofskonferenz
Die Orthodoxe Bischofskonferenz in Deutschland (OBKD) wurde eingerichtet zur Förderung gemeinsamer pastoraler Aufgaben, zu gegenseitiger Beratung, zur Koordinierung der kirchlichen Arbeit, zum gemeinsamen Erlass von Entscheidungen sowie zur Kontaktpflege zu anderen Bischofskonferenzen. Zu ihr gehören die jeweiligen für Deutschland zuständigen Bischöfe folgender Autokephaler Orthodoxer Kirchen: Ökumenisches Patriarchat von Konstantinopel, Griechisch-Orthodoxe Kirche von Antiochien sowie Russische, Serbische, Rumänische, Bulgarische und Georgische Orthodoxe Kirche.
Oberstes Gremium der OBKD ist die Vollversammlung aller Bischöfe, die regelmäßig im Frühjahr und Herbst zusammentritt. Den Vorsitz der OBKD hat immer der Vertreter des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel (derzeit Metropolit Augoustinos von Deutschland, Exarch von Zentraleuropa), Generalsekretär ist Ipodiakon Nikolaj Thon (Russische Orthodoxe Kirche). In Deutschland gibt es über 1,5 Millionen orthodoxe Christen, die damit die drittgrößte christliche Konfession in der Bundesrepublik bilden.
„Ein Brief der Bischöfe der orthodoxen Kirche in Deutschland an die Jugend über Liebe – Sexualität – Ehe“ steht im Internet als PDF-Datei unter http://www.obkd.de/Texte/Brief%20OBKD%20an%20die%20Jugend.pdf zur Verfügung. Das „Hirtenwort der Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland zum Religionsunterricht. An das orthodoxe Kirchenvolk in Deutschland“ ist unter http://www.obkd.de/Texte/OBKD%20Hirtenbrief%20zum%20ORU.pdf zu finden.