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Buchrezension

(lifePR) (Ostfildern, )
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Jochen Gimmel/Thomas Jürgasch/ Andreas Kirchner
An den Grenzen der Muße

Verlag Mohr-Siebeck, 2021, 186 Seiten,
Gebundenes Buch: 19,00 Euro
Ebook/Kindle: 19,00 Euro
ISBN-10: 3161601432
ISBN-13: 978-3161601439

Muße ist ein schillernder Begriff, unscharf, schwer fassbar und doch nicht ohne Attraktivität. In sechs Essays nähern sich die drei Autoren auf etwa 180 Seiten der Muße und stellen diese zu anderen Begriffen in Relation. Dabei sind die vorliegenden Texte nicht als systematische Abhandlung oder als eine „geglättete Übereinkunft“ anzusehen, sondern wollen sich durch unterschiedliche Perspektiven und Fragestellungen zum Thema kontrastieren und ergänzen. Die Essaysammlung soll deshalb den Begriff nicht endgültig bestimmen, sondern will als „Bilderbuch der Muße“ verstanden werden, das zum Nachdenken anregen und Lust machen soll, praktisch Selbstversuche zum Themenkreis zu starten.

Zum Inhalt

Das erste Essay ist der theoretischen Reflexion und der konstellativen Begriffsarbeit gewidmet. Das zweite Essay zeigt unter Verwendung von antiken Quellen die Bezüge zum Spiel und darauf aufbauend zum Rausch auf. Im dritten Essay wird die Muße in Beziehung zur Mönchskrankheit der Akedia (Trägheit) gesetzt, die durchaus als Kehrseite der Muße verstanden werden kann. Auch Bezüge zur „Leisure-sickness“ heutiger Tage sind zu erkennen. Das vierte Essay versucht, die Muße als nachdenkenswertes Gegenmodell moderner Zeitnot und ökologischen Zukunftssorgen gegenüberzustellen. Der nächste Text thematisiert erneut die Mönche im frühen Christentum, um die Schwierigkeit der Verbindung von Arbeit und Muße aufzuzeigen. Zuletzt wird die Muße unter der Fragestellung des Herrschaftsanspruches beleuchtet.

Die Muße sei „gewissermaßen gespenstisch“ und doch als konkretes Glück anzusehen. Ihren Wert entfaltet sie nicht als abstraktes Konzept, sondern als Idee und Ideal mit Erfahrungsgehalt. Muße ist dabei von Müßiggang unbedingt zu unterscheiden, auch wenn dies regelmäßig zu Diskussionen führt. Sie ist als Paradox zu verstehen, da sie Ziel und Zweck aller Tätigkeit darstellt und doch wieder zu Neuem hin öffnet. Muße setzt eine Klarheit des Verstandes voraus und ist nicht als Weltflucht anzusehen, sondern als Versuch, die Welt zeitgemäß zu erfassen und zu gestalten.

Zum Punkt

„Erst in der Muße findet der Mensch zu sich uns wird zum Menschen“ (S. 50), da er sich nach Aristoteles in einem kontemplativen, reflexiven Akt auf sich selbst zurückbeugt und seine eigenen Strukturen und Grundprinzipien betrachtet (S. 69). Dieses aristotelische Modell entfaltete geistesgeschichtlich eine immense Wirkung und sollte unter anderem die christliche Theologie stark prägen. Die sich daraus ergebenen Kontemplationsvorstellungen mit ihren religiösen Vollzügen, wie dem Gebet, wurden im Mönchtum praktiziert und durch eine asketische Lebensgestaltung ergänzt.

Heute fehlt der Muße dieser transzendente Ansatz weitgehend und sie wird allzu oft als kreative Komponente in der Freizeitgestaltung angesehen. Nach Platon und Aristoteles ist der Muße jedoch idealerweise eine geistige Betrachtung, eine Kontemplation oder eine Theorie innewohnend. Gerade Christen in der modernen Welt sollten sich aufgerufen fühlen, diese Wirkungsgeschichte weiterzutragen und der Muße wieder einen gültigen Platz im modernen Leben zu geben. Die konkrete Praxis kann dabei durchaus kreativ besinnlich geschehen. Hierin liegt eine lebenspraktische Chance und Aufgabe. Der Sammelband ist diesbezüglich interessant, herausfordernd und regt Experten sowie Laien zum weiteren Nachdenken an.

Claudia Mohr

Die Rezension kann als Dokument heruntergeladen werden: https://www.apd.info/wp-content/uploads/2022/04/Rezension-An-den-Grenzen-der-Musse.pdf

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