Konkret werde das Budget für humanitäre Hilfe um rund eine Milliarde Euro und damit auf die Hälfte zusammengestrichen, so ADRA Deutschland in einer Pressemitteilung.
Der Etat des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) sinke um 937 Millionen Euro. Es folge das Außenministerium mit einem Minus von insgesamt 836 Millionen Euro. Die Kürzung bei den Mitteln für humanitäre Hilfsmaßnahmen im Ausland betrügen insgesamt 1,189 Milliarden Euro. Mit diesen drastischen Kürzungen nehme die Bundesregierung die massive Verschärfung von Notlagen und menschlichem Leid in Kauf. Dabei wäre gerade in diesen Zeiten internationale Solidarität von einem relevanten Akteur wie Deutschland wichtiger denn je, kritisiert ADRA Deutschland e. V.
In den Bereichen Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe seien seit 2022 die öffentlichen Mittel ohnehin bereits um rund 20 Prozent gekürzt worden, ungeachtet der weltweit zunehmenden Krisenherde und der wachsenden Zahl der Menschen, die auf Unterstützung dringend angewiesen seien. Um auf die drohenden Konsequenzen aufmerksam zu machen, demonstrierten Vertreter zahlreicher Hilfsorganisationen, darunter auch von ADRA Deutschland, am 17. Juli vor dem Kanzleramt in Berlin.
Kürzungen der falsche Weg
Das Zusammenstreichen der Haushaltsmittel für humanitäre Hilfe und dieEntwicklungsarbeit sei der falsche Kurs und hat umfassende, negative Folgen. ADRA Deutschland e.V. und viele andere Organisationen beispielsweise aus dem Bündnis „Aktion Deutschland Hilft“ leisten in zahlreichen Krisenregionen der Welt aus Verantwortungsbewusstsein und globaler Solidarität unverzichtbare und lebenswichtige Hilfe. Beispiele dafür seien die akute Katastrophenhilfe über die Bekämpfung von Hunger und Armut bis hin zur Menschenrechtsarbeit.
So zeige der Klimawandel eine große Wirkung auf die Krisen in der Welt. Er zerstöre Lebensgrundlagen und Ressourcen und zwinge Menschen, ihr Zuhause zu verlassen und in anderen Regionen ihre Existenz zu sichern. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) geht von bis zu 200 Millionen Klimaflüchtlingen aus. Daher sei auf Klimamigration zu reagieren, aber auch Anpassungen an den Klimawandel seien zu unterstützen, um Schäden und Verluste zu verringern. Dies sei eine „Verantwortung der Staaten, die viel Emissionen verursacht haben. Ob es Trockenheit und Dürre in den Ländern südlich der Sahara sind oder steigende Meeresspiegel beispielsweise in Bangladesch oder Vietnam“, so ADRA Deutschland.
Christian Molke: Nachfolgende Generationen zahlen die Folgekosten
„Die drastischen Kürzungen, die der Bundeshaushalt 2025 vorsieht, sind der falsche Weg“, mahnt Christian Molke, Vorstandsvorsitzender von ADRA Deutschland e.V. Dort, wo Armut und Not zunehmen und sich die Lebensbedingungen verschlechtern, weil es keine ausreichende Unterstützung für Grundbedürfnisse wie Ernährung, Gesundheit, Bildung und Sicherheit gibt, verlieren Menschen ihr Zuhause und fliehen. Molke warnt: „Die Entwicklungszusammenarbeit hat auch den Zweck, den Menschen in den betroffenen Regionen dabei zu helfen, sich an den Klimawandel und die sich verändernden Bedingungen anzupassen. Genau diese Arbeit wird durch die Kürzungen gefährdet. Bleibt es bei diesem Sparkurs, müssen die nachfolgende Generationen die sprichwörtliche Zeche zahlen. Überall auf der Welt, wo Hilfe durch die Sparpolitik leidet oder gar eingestellt wird, werden Lebensräume schwinden, Konflikte um Ressourcen zunehmen und Klimakatastrophen vermehrt und stärker auftreten. Davon sind wir bereits jetzt global betroffen und wenn Kürzungen zu Untätigkeit zwingen, wird es schlimmer. Schlussendlich wird die Zahl derer steigen, die ihre Heimat verlassen, um anderenorts ein besseres Leben zu suchen oder überleben zu können. Das wiederum bedeutet, dass die zukünftigen immensen Folgekosten dieser heutigen Sparpolitik von künftigen Generationen zu schultern sind“, so Christian Molke.
Konkrete Auswirkungen der geplanten Kürzungen
VENRO, der Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe deutscher Nichtregierungsorganisationen e.V., in dem ADRA Deutschland e.V. Gründungsmitglied ist, hat in einer aktuellen Umfrage unter den knapp 150 Mitgliedsorganisationen abgefragt, wie die Auswirkungen dieser Kürzungen eingeschätzt werden. Nachstehend die Ergebnisse im zusammenfassenden Überblick:
Betroffene Bereiche:
- Armutsbekämpfung
- Humanitäre Hilfe auch in „vergessenen Krisen“
- Menschenrechtsarbeit, zum Beispiel in Lateinamerika
- Seit 2022 wurden öffentliche Gelder bereits um rund 20 Prozent gekürzt.
- Geplante weitere Kürzung von 1,6 Milliarden Euro bis 2025.
- Gesamtkürzung um mehr als 25 Prozent innerhalb einer Legislaturperiode.
- Mindestens 40 Länder betroffen.
- Länder mit „vergessenen Krisen“: Angola, Burundi, Burkina Faso, Demokratische Republik Kongo.
- Lateinamerika: Nicaragua, Venezuela, El Salvador.
- Schwierigkeit, Spenden zu sammeln aufgrund mangelnder Medienaufmerksamkeit.
- Gefahr für Projekte zur Armutsbekämpfung, Infrastrukturaufbau und Advocacy-Arbeit.
- In Ländern mit autoritären Regimen ist die Arbeit besonders gefährdet (z.B. Nicaragua).
- Entwicklungshilfefonds (BMZ): 13.385 Mio. Euro (2021) auf 9.878 Mio. Euro (2025, Vorgabe des BMF).
- Humanitäre Hilfe: 2.565 Mio. Euro (2021) auf 1.800 Mio. Euro (2025, Schätzung).
- Zwei Militärputsche 2022.
- Über 50 % der Bevölkerung unter 18 Jahren.
- Millionen Menschen auf der Flucht.
- Partnerorganisationen können Bildungs- und Arbeitsprojekte nicht mehr finanzieren.
- Stärkung der finanziellen Unterstützung für humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit.
- Beibehaltung des Vorjahresniveaus der humanitären Hilfe im Etat des Auswärtigen Amtes (2,7 Mrd. Euro).
- Anhebung des BMZ-Etats um mindestens eine Milliarde Euro auf 12,2 Mrd. Euro.
Obwohl viele Hilfsorganisationen seit Monaten auf die negativen Folgen hinweisen, ist die Mehrheit der Deutschen (56 Prozent) der Meinung, dass die Bundesregierung die Entwicklungshilfe für andere Länder (weiter) kürzen sollte, um das Geld im Bundeshaushalt anderweitig zu verteilen. Das ergab eine Umfrage des Markt- und Sozialforschungsinstituts INSA-Consulere (Erfurt) im Auftrag der Evangelischen Nachrichtenagentur IDEA, wie IDEA berichtete. Jeder Fünfte (21 Prozent) ist nicht dieser Meinung. Zehn Prozent antworteten mit „Ist mir egal“, elf Prozent mit „Weiß nicht“, zwei Prozent machten keine Angabe. Westdeutsche teilen diese Ansicht häufiger als Ostdeutsche (57 Prozent gegenüber 52 Prozent). Jüngere Menschen vertreten diese Meinung deutlich seltener (18- bis 29-Jährige: 38 Prozent; 30- bis 39-Jährige: 46 Prozent) als Befragte mittleren Alters (40- bis 49-Jährige: 59 Prozent; 50-bis 59-Jährige: 64 Prozent) und ältere Menschen (60- bis 69-Jährige: 65 Prozent; über 70-Jährige: 60 Prozent). Unter den Angehörigen der christlichen Konfessionen sprechen sich die landeskirchlichen Protestanten am häufigsten für eine Kürzung der Entwicklungshilfe aus (61 Prozent), gefolgt von den Katholiken (55 Prozent) und den Freikirchlern (46 Prozent). Bei den Muslimen teilen 44 Prozent diese Ansicht, bei den Konfessionslosen sind es 61 Prozent. Unter den Anhängern der politischen Parteien wollen die Sympathisanten der AfD mit 76 Prozent am häufigsten die Entwicklungshilfemittel anderweitig verwendet sehen, gefolgt von den Wählern des Bündnisses Sahra Wagenknecht (66 Prozent), der CDU/CSU (61 Prozent), der FDP (53 Prozent), der SPD (45 Prozent), der Grünen (41 Prozent) und der Linken (37 Prozent). Für die Erhebung wurden 1.250 Erwachsene im Zeitraum vom 12. bis 15. Juli befragt.
Über ADRA Deutschland
ADRA Deutschland e. V. mit Sitz in Weiterstadt bei Darmstadt wurde 1987 gegründet und hat rund 50 Angestellte. Es ist Teil des weltweiten ADRA-Netzwerks, das 1956 gegründet und von der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten getragen wird, aus 108 eigenständigen nationalen Büros besteht und weltweit Projekte der Entwicklungszusammenarbeit sowie der humanitären Hilfe in Katastrophenfällen durchführt. ADRA steht für Adventist Development and Relief Agency. ADRA Deutschland ist unter anderem Gründungsmitglied des Verbands Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe (VENRO), der „Aktion Deutschland Hilft“ und „Gemeinsam für Afrika“. Informationen: www.adra.de Spenden sind online unter adra.de/spenden möglich.