Der Entwurf des Katechismus gliedert sich in sechs Abschnitte: 1. Grundlagen des orthodoxen Glaubens, 2. Grundlagen der kanonischen Ordnung und liturgisches Leben der orthodoxen Kirche, 3. Grundlagen der orthodoxen Morallehre, 4. Grundlagen des Sozialkonzepts der russisch-orthodoxen Kirche, 5. Grundlagen der Lehre der russisch-orthodoxen Kirche über Würde, Freiheit und Menschenrechte, 6. Grundlagen der Haltung der russisch-orthodoxen Kirche zur nichtorthodoxen Christenheit. Die Abschnitte 4, 5 und 6 beruhten wortgleich auf kirchlichen Dokumenten, die bereits bei früheren Gelegenheiten vom Bischofskonzil des Moskauer Patriarchats angenommen worden seien und sollten daher nicht neuerlich diskutiert werden. Beobachter schließen daraus, dass man in Moskau Vorgänge wie beim orthodoxen Konzil auf Kreta im Vorjahr vermeiden wolle, wo die Frage des Verhältnisses zur nichtorthodoxen Christenheit zu dramatischen Auseinander-setzungen geführt habe.
Beginn der Arbeiten 2008
Das Bischofskonzil des Moskauer Patriarchats hatte im Jahr 2008 den Startschuss für die Erarbeitung eines modernen orthodoxen Katechismus gegeben. Im Jahr darauf wurde die Biblisch-Theologische Kommission mit der Erarbeitung eines Entwurfs beauftragt. Die Kommission lud Fachleute aus unterschiedlichen theologischen Bereichen zur Mitarbeit ein. Im Januar 2016 waren die Arbeiten abgeschlossen, bei der Plenartagung der Kommission am 29. Januar 2016 wurde der Entwurf einstimmig angenommen. Das Bischofskonzil entschied bei seinem Treffen vom 2. bis 3. Februar 2016, den Entwurf an die ständigen Mitglieder des Heiligen Synods zu übermitteln, an den Ersthierarchen der russischen Auslandskirche, an die Leiter der synodalen Einrichtungen, an die Theologischen Akademien und an „jene Diözesanbischöfe, die bei der Revision des Textes mitwirken wollen“. Die Biblisch-Theologische Kommission habe die aus diesem Empfängerkreis kommenden Abänderungsvorschläge in den jetzt veröffentlichten Entwurf eingearbeitet.
Ein erster moderner Versuch, die orthodoxe Lehre zusammenzufassen
Stefano Caprio vom Päpstlichen Orientalischen Institut, der 1989 einer der ersten römisch-katholischen Priester war, die in der damaligen Sowjetunion seelsorglich und theologisch tätig wurden, wies in einem Kommentar für die katholische Nachrichtenagentur „AsiaNews“ auf die Bedeutung des Katechismus-Projekts hin. Es stelle den ersten modernen Versuch dar, die orthodoxe Lehre für alle Gläubigen, vor allem die Priester, zusammenzufassen. Ansätze für einen solchen Dialog mit der Kultur ließen sich bis zum Landeskonzil von 1917 zurückverfolgen, seien dann aber durch die kommunistische Kirchenverfolgung unterbrochen worden. Freilich hätten Glaubensmärtyrer diese Ansätze im Untergrund weiterverfolgt, bis hin zu P. Aleksander Men, der im September 1990 ermordet wurde. P. Men sei ein großer Katechet und Prediger gewesen. Es wäre ihm gelungen, eine lebendige und wirksame Begegnung von Glaube und Kultur zu vermitteln, deren Früchte heute bis in die offiziellen Texte des Patriarchats hineinwirkten. Mit dem neuen Katechismus gehe es der orthodoxen Kirche darum, die katechetische Weisheit der Kirchenväter aufzugreifen, aber auch die „besten Früchte der spezifischen russischen Tradition“ zu integrieren.
Bereits zwei einflussreiche Katechismus-Texte
In der Geschichte habe es in der russischen Kirche zwei einflussreiche Katechismus-Texte gegeben, erinnert Caprio. Im 17. Jahrhundert habe der Metropolit von Kiew, Petr (Mogila), in der Auseinandersetzung mit der Scholastik der lateinischen Kirche und mit den protestantischen Tendenzen der Zeit das „Orthodoxe Bekenntnis“ verfasst. Der Metropolit sei der erste gewesen, der den Begriff der „katholischen“ Kirche im Credo (dem gemeinsamen Glaubensbekenntnis aller christlichen Kirchen) mit dem russischen Ausdruck „sobornaja“ (konziliar, universal) wiedergegeben habe. Mit dieser Formel und anderen Vorschlägen habe der große Kiewer Metropolit die russische Tradition als „Ort des Dialogs und der Synthese“ hervorheben wollen, was ihm auch positive Reaktionen aus Rom eingetragen hätte. Ein weiterer, noch heute vielfach genutzter Text, sei der Katechismus von 1823, den der damalige Moskauer Metropolit, Filaret (Drozdow), verfasste. In der Auseinandersetzung zwischen „Slawophilen“ und „Westlern“ sei der jahrzehntelang tätige Metropolit im Dialog mit den großen Namen beider Seiten – von Puschkin bis Turgenjew – gewesen.
Im Mittelpunkt das Sozialkonzept der Russisch-Orthodoxen Kirche
Im neuen Katechismus werde zweifellos das Sozialkonzept der Russisch-Orthodoxen Kirche im Mittelpunkt stehen, sagte Caprio. Der heutige Patriarch Kyrill I. – damals noch Metropolit Kyrill (Gundjajew) – habe im Jubiläumsjahr 2000 die Ausarbeitung der „Soziallehre“ der Russisch-Orthodoxen Kirche veranlasst. Dieses Dokument habe sich zur ideellen Plattform für die sozialen Veränderungen der letzten Jahre in Russland entwickelt. Der Katechismus entspreche jetzt nach Einschätzung des römischen Experten den Erfordernissen des kulturellen und spirituellen Wachstums des russischen Christentums. Das Moskauer Patriarchat lege heute großen Wert auf die Katechese (Unterweisung), die in früheren Zeiten auch von Priestern skeptisch betrachtet worden sei: als Nachgeben der aszetisch-spirituellen Reinheit der Orthodoxie gegenüber römisch-katholischer und protestantischer Rationalität.