Laut Mehari sei im Gegensatz zu anderen Regionen im Südsudan die Lage in den Bezirken Nasir und Ulang relativ stabil. Nur sporadisch komme es in diesem Gebiet zu kämpferischen Auseinandersetzungen und ethnischen Konflikten. Das Zusammenleben mit den Gastkommunen verlaufe dagegen friedlich. Derzeit ist Regenzeit und die Menschen könnten ihre Felder bestellen.
Die Vertriebenen müssen neu anfangen
Alle Binnenvertriebenen müssten ganz von vorne beginnen, denn durch den Bürgerkrieg seien ihre Dörfer zerstört worden und sie hätten ihr gesamtes Hab und Gut verloren. Ihnen fehle eigenes Land, Geräte und Vieh, um sich selbst versorgen zu können. Auch reichten ihre landwirtschaftlichen Kenntnisse, die auf traditionellen Methoden beruhten, nicht aus, um eine höhere Produktivität zu erzielen. Das wäre aber erforderlich, um Überschüsse zu erwirtschaften damit sie Rücklagen und Vorräte bilden zu könnten. Wiederholt komme es zu Ernteverlusten durch saisonal bedingte Überflutungen und Schädlingsbefall. Ein weiteres Problem sei die Tiersterblichkeit, die aufgrund von Krankheiten und fehlenden präventiven Impfungen recht hoch ist.
Die Menschen sollten sich selbst langfristig helfen können
Alle Maßnahmen von ADRA seien darauf ausgerichtet, dass sich die Menschen langfristig selbst helfen könnten, betonte der Länderkoordinator. Nachhaltigkeit sei für das Hilfswerk ein wichtiges Anliegen. Deshalb würden Gerätschaften für Landwirtschaft und Fischerei an die Menschen verteilt, damit sie ihre Lebensgrundlage wieder aktiv mitgestalten könnten. Um das bestehende Potential voll auszuschöpfen, erhielten sie Schulungen in nachhaltigen landwirtschaftlichen Techniken einschließlich Fischerei. Neben der Landwirtschaft und Fischerei sei die Viehhaltung für die Menschen bedeutsam. Abgesehen vom Besitz des Viehs, diene die Milch der Ernährung, während Dung ein wesentlicher Bestandteil der organischen Landwirtschaft wäre. Den Menschen würden tiermedizinische Kenntnisse vermittelt und es würden tiermedizinische Dorfhelfer ausgebildet, die in Zusammenarbeit mit von ADRA gestellten veterinärmedizinischen Fachkräften Tiere behandelten.
Zudem gebe es Workshops zur Führung von Kleinstunternehmen, um zu lernen eigene Erzeugnisse zu vermarkten und Rücklagen bilden zu können, so Dawit Mehari. Zu diesem Zweck würden auf Dorfebene „Spar- und Kleinkreditgruppen“ geschult, die ähnlich einer Bank Geld ansparten und für Investitionen verleihen könnten. Ein weiterer wichtiger Bestandteil des Projekts sei der Aufbau von Saatgutbanken. So werde sichergestellt, dass ausreichend Saatgut der wichtigsten und resistenten Kulturarten und einheimischen Getreidesorten erhalten blieben. Diese stünden dann den Bauern für die nächste Aussaat zur Verfügung und würden nicht im Fall von Hungersnöten verzehrt.
Bisher 10.000 Haushalte erreicht
Mit den Hilfsmaßnahmen habe ADRA seit Beginn des Projekts im November 2015 insgesamt 10.000 Haushalte erreicht und in der Land- und Viehwirtschaft, Fischerei und Einkommensförderung unterstützt, informierte Mehari. Die Menschen hätten Überschüsse an Getreide und Gemüse sowie aus dem Fischfang erwirtschaftet und einen beträchtlichen Teil auf den lokalen Märkten verkauft. Teilweise würden die Fische getrocknet und sogar über die Landesgrenze hinaus verkauft. Von dem Verkaufserlös hätten die Menschen Rücklagen gebildet, auf die sie in schweren Zeiten zurückgreifen oder in ihre Produktion reinvestieren könnten. Außerdem wäre die Tiersterblichkeit erheblich zurückgegangen und die Rinder produzierten deutlich mehr Milch als vorher. Die Milch diene den Menschen als Lebensmittel und trage zu einem zusätzlichen Einkommen bei.
Laut dem ADRA-Länderkoordinator soll das Projekt durch weitere Komponenten ergänzt werden, wie zum Beispiel durch die Einrichtung von dörflichen Tierapotheken und solarbetriebenen Bewässerungssystemen sowie Schulungen zu verbesserten Fischtrocknungsmethoden. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung fördert die ADRA-Arbeit im Bundesstaat Upper Nile finanziell.
„Wir essen wieder drei Mahlzeiten am Tag“
Welche Auswirkungen die ADRA-Hilfe bereits jetzt schon habe, schilderte Dawit Mehari an zwei Beispielen: Marry Yor Deng sei 2014 aus ihrem Heimatdorf vertrieben worden. Jetzt führe sie ein kleines Restaurant und einen Laden in Mandeng Payam. Sie sagte: „Bevor ADRA kam, wusste ich nicht, wie man ein Geschäft führt, wie man die Produkte vermarktet und Rücklagen bildet. Ich hatte kaum Einkommen und wenig zum Essen. Dank ADRA konnte ich an Schulungen teilnehmen, die mir dabei geholfen haben, mein Geschäft erfolgreich aufzubauen und zu führen. Jetzt können meine Kinder und ich drei Mahlzeiten am Tag essen und ich kann meine Familie gut versorgen.“
Choat Nyang Riek gehöre zur Fischergruppe in Makak Payam. Hierhin sei er im Januar 2016 geflohen. Von ADRA habe er eine Ausrüstung zum Fischen erhalten und Basiskenntnisse für Kleinstunternehmen vermittelt bekommen. Er erzählt: „Ich gehe jetzt nicht nur fischen, sondern ich habe gelernt, wie ich die Fische vermarkten und profitabel von der Fischerei leben kann. Ich kann meine Familie wieder versorgen und die Schulgebühren für meine Kinder bezahlen. Wir essen wieder drei Mahlzeiten am Tag und müssen nicht mehr hungern.“