Als Selbsthilfegruppe begonnen
Wie in anderen Städten der damaligen DDR kümmerten sich die örtlichen Gemeinden der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten, Adventgemeinden genannt, um suchtkranke Menschen. In der Adventgemeinde Schwedt entwickelte sich in den 1970er Jahren eine entsprechende Selbsthilfegruppe. Im Jahr 1995 konnte Pastor Fritz Schuppan mit Hilfe der Stadt Schwedt und in der Trägerschaft des Advent-Wohlfahrtswerkes (AWW), der Sozialorganisation der Freikirche, die „Schutzhütte Schwedt“ eröffnen.
Die Hilfe für die alkoholkranken Menschen habe dadurch eine neue Qualität erhalten, berichtet der jetzige Geschäftsführer der Schutzhütte, Andreas Noack, in der Mai-Ausgabe der deutschen Kirchenzeitschrift „Adventisten heute“. Lebensmittel für Bedürftige mussten nicht mehr „privat“ gesammelt werden. Die Schutzhütte wurde eine Ausgabestelle der örtlichen Tafel. Neben der Hilfe in den wöchentlichen Treffen der Gruppe konnte nun auch anderen Schwedter Bedürftigen mit den täglich eingesammelten Lebensmitteln geholfen werden.
Seit 1995 habe sich diese Arbeit kontinuierlich weiterentwickelt. Rund 50 Mitarbeitende wirkten derzeit bei den verschiedenen Hilfsangeboten mit. Sie seien als Ein-Euro-Jobber, als Bundesfreiwilligendienstler, als Praktikanten, als Ehrenamtliche und selbst als solche, die aufgrund eines Gerichtsurteils Sozialstunden leisten müssen, für die Schutzhütte im Einsatz. „Sie helfen in der Küche, im Sozialcafé, bei der Sortierung und Ausgabe von Lebensmitteln, als Fahrer der fünf Fahrzeuge, beim Einsammeln, Lagern, Sortieren und Weitergeben von Gebrauchsgütern und Möbeln, bei Haushaltsauflösungen, in den Tafelgärten, bei persönlicher Unterstützung und Beratung von Besuchern und Flüchtlingen, bei der Freizeitgestaltung und Betreuung in der werktäglich geöffneten ‚OffenSpielBar‘ sowie im Büro“, informierte Noack.
Ein guter Ruf und viel Unterstützung
Die Schutzhütte habe in der Stadt und darüber hinaus einen sehr guten Ruf. Das führe dazu, dass viele Schwedter dauerhaft mit Kleider-, Gebrauchsgüter-, und Möbelspenden helfen würden. „Wir erhalten so viel, dass wir monatlich sogar einen Kleintransporter mit Spendengütern in die Nachbarschaft nach Polen bringen können. Dort werden die Spenden von einer katholischen Gemeinde an polnische Bedürftige und Kinderheime weitergereicht“, so der Geschäftsführer der Schutzhütte.
Obwohl in der Schutzhütte nur der Geschäftsführer hauptamtlich angestellt sei, könne die gesamte Arbeit aufgrund von Zuschüssen sowie Geld- und Sachspenden und viel ehrenamtlichem Engagement bewältigt werden. Dadurch und aufgrund der Identifikation der Mitarbeitenden und Unterstützer könnten wöchentlich 500 bis 600 Menschen mit Lebensmitteln, Gebrauchsgütern und Möbeln versorgt werden.
Hilfe für Flüchtlinge
In der „OffenSpielBar“ hielten sich laut Andreas Noack zurzeit werktäglich 20 bis 30 deutsche Jugendliche, 20 bis 30 Flüchtlinge und ungefähr zehn Flüchtlingskinder von 15 bis 18 Uhr auf. Sie spielten beispielsweise an den vier Kickertischen, zwei Tischtennisplatten oder zwei Billardtischen, quatschten und lernten. Zusätzlich würden die Flüchtlinge in Kleingruppen in Deutsch unterrichtet und holten sich für ihre unterschiedlichen Anliegen Informationen und Hilfe. Einzelne Mitarbeitende unterstützten und begleiteten Flüchtlingsfamilien und Flüchtlinge zu Hause, bei Behördengängen, Arztbesuchen, Schul- und Kindergartenangelegenheiten oder bei der Suche nach einem Praktikums- oder Ausbildungsplatz sowie nach Arbeitsstellen. Da immer mehr Asylanträge abgelehnt würden, helfe die Schutzhütte neuerdings auch bei der Suche nach Rechtsanwälten und der Finanzierung der Rechtsanwaltskosten. „So haben alle in Schwedt angekommenen Flüchtlinge mindestens einmal, viele aber dauerhaft unsere Unterstützung in Anspruch genommen“, schreibt Noack.
Gelebte Vielfalt
Es sei schon eine Herausforderung, das tägliche Teamtreffen und die Arbeit in der „OffenSpielBar“ zu organisieren, wenn dort russisch, polnisch, arabisch, persisch und ein bisschen mehr deutsch gesprochen werde. Gleichzeitig sei es eine große Bereicherung, die unterschiedlichen Kulturen und Lebensgeschichten kennenzulernen. „Es geht immer sehr fröhlich zu, und in dieser offenen wertschätzenden Atmosphäre tauschen wir uns auch freimütig über unseren christlichen, islamischen oder ‚Nicht‘-Glauben aus“, berichtete Andreas Noack.
Im Team arbeiteten Christen, Muslime, zum Christentum konvertierte Muslime und Nichtchristen zusammen. „Wir reden über unsere jeweils gute oder schlechte Geschichte. Wir reden darüber, wie wir beispielsweise als Christen über den Islam oder die Muslime über das Christentum denken. Wir reden über unsere Vorurteile und möglichen Gemeinsamkeiten. Und wir wissen voneinander, dass zumindest jene unter uns, die entweder an Jesus oder Allah glauben, füreinander beten.“
Weitere Informationen gibt es auf der Internetseite www.schutzhuette-schwedt.de