Das Bild von der „ausgetrockneten Seele“
Zu den Rednern gehörten auch Dr. Barry Black, Kaplan des US-Senats, der über den Abbau von Barrieren im persönlichen Dienst sprach. Ebenso Dr. Ella Simmons, Vizepräsidentin der Kirchenleitung der Siebenten-Tags-Adventisten und Rechtsanwältin Jennifer Woods, assoziierte Juristin am Verwaltungssitz der Freikirche in Silver Spring/USA. Sie diskutierten die Geschichte des Rassismus aus sozialer und biblischer Sicht.
Black, dessen Großvater nach dem Bürgerkrieg als Landarbeiter (Sharecropper) seinen Unterhalt verdiente, begann mit der Geschichte seiner Mutter, die er als „dehydrierte Seele“ bezeichnete. Sie habe nur die vierte Klasse erreicht. Sie sei durch ein evangelistisches Flugblatt auf Veranstaltungen aufmerksam geworden. 12 Wochen lang besuchte sie aus Neugier die Abende. Die Botschaften füllten sie mit „Wasser - dem lebendigen Wasser“, weil ein Botschafter für Christus aus seiner Komfortzone herausgetreten sei. Black sagte: „Jeder von uns kann dieser Botschafter sein, der die Welt mit Christus versöhnt... Gott befiehlt uns: 'Was ihr dem Geringsten getan habt, das habt ihr mir getan.' Aber Gott befähigt uns auch, Getränke für ausgetrocknete Seelen bereitzustellen."
Black verwies auf den Bericht im Bibelbuch Johannes, Kapitel 4. Die Art und Weise, wie Jesus einer Frau dort am Brunnen begegne, sei eine Blaupause, die uns auffordere: „Mache dich auf den Weg, um andere zu segnen; baue Barrieren ab; zeige Freundlichkeit und vermeide Streit und Zank.“ Weiter meinte Black: „Wir wären viel effektiver in unserer Kirchenarbeit, wenn wir uns um Menschen kümmerten, als theologische Dinge zu zitieren. Die Leute interessiert es nicht, wie viel man weiß, bis sie wissen, wie wichtig sie einem seien". Unser [himmlischer] Vater sendet uns, um den Gefangenen Befreiung zu bringen, den Blinden das Augenlicht wiederzugeben und den Zerschlagenen die Freiheit wiederzugeben."
Am Ende seiner Ausführungen präsentierte er die Idee eines Senatskollegen. Um Barrieren abzubauen und Gemeinschaft zwischen Kollegen zu schaffen, beschlossen sie, jede Woche nach dem Kirchgang jemanden nach Hause einzuladen, der nicht wie sie aussah. Black forderte die Zuhörer auf, in den kommenden Tagen „sich bewusst zu bemühen, Barrieren abzubauen. Laden Sie jemanden, der nicht so aussieht wie Sie, zum Essen nach Hause ein."
Rassismus findet nicht isoliert statt
Woods und Simmons untersuchten im weiteren Verlauf der Diskussion den Rassismus aus einer globalen Perspektive und die Auswirkungen, die er auf die Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten habe.
Simmons, die während der Bürgerrechtsbewegung in den 1950er und 60er Jahren im Süden der USA aufgewachsen ist, berichtete ihre persönlichen Erfahrungen mit Rassismus. Obwohl es in letzter Zeit bedeutende Fortschritte gegeben habe, sei die Diskriminierung „in den Vereinigten Staaten und in der ganzen Welt in ihren vielen Formen nicht verschwunden, sondern hat neue Dimensionen, Bezeichnungen und Codes angenommen", sagte sie.
Simmons verwies auf eine Reihe von AbteilungsleiterInnen der Weltkirchenleitung, die über persönliche Erfahrungen mit Rassenprofilen, Vorurteilen und Diskriminierung in ihren Heimatgebieten wie Afrika, Asien, Australien und Europa berichtet hätten. Es sei klar, dass rassistische Ungerechtigkeit jeden Teil des Planeten berühre.
Dem Beispiel Jesu folgen
Woods untersuchte die biblischen Aufzeichnungen und verfolgte die Ursprünge von Voreingenommenheit und Rassismus durch die gesamte biblische Geschichte bis hin zur frühen Kirche. Die Essenz des Rassismus habe im Himmel mit Satans Stolz und Vorurteilen gegen Jesus begonnen. Aus dieser Saat seien rassistische Denkweisen und Verhaltensweisen gewachsen. Diesen Geist würden wir unter den frühen Gläubigen mit einer „Wir gegen sie“-Mentalität sehen. Das hätte sich als schädlich für die Botschaft des Evangeliums erwiesen, wenn sie nicht korrigiert worden wäre.
Um Petrus zu helfen, das tief sitzende Vorurteil zu überwinden, das ihm von Geburt an eingeimpft wurde, habe Gott ihm die Vision von einem himmlischen Laken gegeben, das mit unreinen Tieren gefüllt war. Durch die Vision habe Gott versucht, Petrus zu lehren, dass in den Augen des Himmels alle gleich seien - es gebe keine Vorzugsbehandlung für Mann oder Frau, Jude oder Nichtjude. Petrus habe die Botschaft verstanden.
Die frühen adventistischen Pioniere seien Abolitionisten gewesen - das heißt, sie waren für die Abschaffung der Sklaverei. Im Laufe der Zeit hätten die Adventisten jedoch zugelassen, dass die gesellschaftlichen Normen des Rassismus, der Voreingenommenheit und der Vorurteile „die Kirche infizierten“, so Woods. Die Freikirche in den Vereinigten Staaten hätte die kulturellen Praktiken der damaligen Zeit, wie getrennte Gottesdiensträume für Schwarze und Weiße und den Ausschluss von Schwarzen von Führungspositionen in bestimmten Institutionen übernommen.
Diese Praxis sei gegen alles gewesen, wofür Jesus stand, als er auf der Erde war. „Jesus widersetzte sich der sozialen Ordnung seiner Zeit“, sagte Simmons. „Er bewegte sich jenseits der durch Religiosität definierten Verhaltensparameter. Er riss vorurteilsbehaftete Mauern nieder, die die Art des Miteinanders vorschrieben und er sprach die Sünden des Rassismus in seinen vielen Formen direkt an. Die akzeptierten Normen seiner Zeit hinderten ihn nicht, seinen Dienst zu tun.“ Jesus habe bei der Begegnung mit der samaritischen Frau Barrieren überwunden und ein Beispiel gegeben, dem Christen folgen sollten.
Ein schwieriges Thema
Diskussionen über Rassismus und Vorurteile könnten schwierig sein. Viele Menschen glaubten nicht, dass sie voreingenommen sind, aber sie hielten vielleicht an Vorurteilen fest - eine Einstellung oder ein Stereotyp, dem sie unbewusst erlaubten, das Verständnis, die Handlungen oder Entscheidungen zu beeinflussen. Jeder Mensch habe diese innersten Empfindungen. Woods und Simmons verwiesen dabei auf eine Stellungnahme der Freikirche, die im September 2020 veröffentlicht wurde. Darin werden einige praktische Schritte beschrieben, um „diejenigen zu unterstützen und zu fördern, die aufgrund ihrer Hautfarbe, Kaste, ihres Stammes oder ihrer ethnischen Zugehörigkeit an den Rand gedrängt und misshandelt werden.“
Simmons schloss ihre Ausführungen mit den Worten: „Wir, die Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten, müssen alles in unserer Macht tun, um uns und die Kirche vom Erbe der 'biblischen' Bigotterie abzugrenzen; von der tief verwurzelten Geschichte des Rassismus und der Trennung, die der Welt vom Christentum und anderen Weltreligionen auferlegt wurden, um Rassisten in ihrem Bemühen zu beruhigen, Illusionen von rassischer oder ethnischer Vorherrschaft, sozialer Kontrolle und wirtschaftlichem Vorteil gegenüber anderen Menschen aufrechtzuerhalten..."
Wir tun dies „...indem wir das wahre Wort verkünden und mehr noch, indem wir das wahre Wort leben", sagte Simmons. Unter Bezugnahme auf die kürzlich verabschiedete Erklärung der Weltkirchenleitung zu menschlichen Beziehungen erinnerte sie daran, dass „die Liebe Christi“ die Kirche zwinge, die Menschen von ihrem Standpunkt aus zu betrachten und Botschafter Jesu in dieser gespaltenen Welt mit einem „Wort der Versöhnung“ zu sein.
Zur erwähnten Erklärung der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten „Eine Menscheit“:
https://www.adventisten.de/fileadmin/adventisten.de/files/downloads/Dokumente_und_Stellungnahmen__%C3%B6ffentlich_/GK_2020-09-15_Stellungnahme_Eine_Menscheit-deutsch.pdf