Die Auskunft aus dem Büro des Vali (Gouverneurs) von Mardin lautete, die Frage der 50 Kirchen und Klöster müsse zunächst eindeutig rechtlich geklärt werden, bis dahin werde es keine Übertragung der Eigentumsrechte an das „Diyanet“ geben. Allerdings bleibe die Eintragung der Grundstücke und Immobilien auf das Schatzamt aufrecht, wobei bis heute unklar ist, was das konkret bedeutet.
In der Türkei sind die Kirchen nicht als juristische Personen anerkannt. Nach islamischem Vorbild muss für jedes einzelne Gotteshaus und jedes Kloster eine eigene „geistliche Stiftung“ (vakif) gebildet werden, die dann Trägerin und Rechtsvertreterin der betreffenden kirchlichen Einrichtung ist. Der Vorsitzende der Stiftung des St. Gabriel-Klosters, Kuryakos Ergün, erklärte im Gespräch mit AINA, die endgültige Lösung könne nur darin bestehen, dass die Eigentumsurkunden auf die „geistlichen Stiftungen“ der einzelnen Gotteshäuser und Klöster ausgestellt werden.
Die Maßnahmen der türkischen Regierung hatten nicht nur in der weltweiten Diaspora der Christen der syrischen Tradition - betroffen sind vor allem die syrisch-orthodoxe, die syrisch-katholische, die chaldäisch-katholische Kirche und die Apostolische Kirche des Ostens - heftige Reaktionen ausgelöst. Ferner gab es auch kritische Stimmen von Regierungen aus aller Welt. Die „Assyrische Konföderation in Europa“, mit Sitz in Brüssel, verurteilte die Konfiszierung des Kirchenbesitzes in scharfen Worten. Es gehe um Kirchen, Klöster und Friedhöfe von unschätzbarem Wert, viele von ihnen mehr als tausend Jahre alt. Diese Einrichtungen stellten die kulturell bedeutsamsten materiellen Säulen der Identität der Christen der syrischen Tradition dar. Diese Identität werde mit den geplanten Maßnahmen des türkischen Fiskus im Zug der Gemeindereform ernsthaft gefährdet.
Wörtlich heißt es in der Erklärung weiter: „Die staatliche Enteignung der Kirchen und Klöster ist eine schwere Verletzung der menschlichen und kulturellen Rechte einer der verletzlichsten ‚ursprünglichen Nationen‘ auf dem Territorium der Türkei. Dieser Akt steht zugleich in scharfem Gegensatz zu dem von der Türkei in den letzten Jahren verbreiteten Image eines islamischen Landes, das sich gegenüber den Nichtmuslimen – und Minderheiten im Allgemeinen – tolerant verhält. Die jüngste Entwicklung bedeutet ein negatives Signal an die Christen der syrischen Tradition sowohl in der Türkei selbst als auch an jene in der Diaspora, die es unter großem Risiko unternommen haben, die Präsenz des Christentums der syrischen Tradition in der Türkei nicht nur zu bewahren, sondern wieder aufzubauen“.
Die türkischen Behörden hätten die Verpflichtung, so die Erklärung weiter, gemeinsam mit den Gemeinschaften der Christen der syrischen Tradition die Konfiszierung von Immobilien und Grundstücken rückgängig zu machen und sicherzustellen, dass das kirchliche Eigentum von den Maßnahmen der Gemeindereform ausgenommen wird. Es seien rechtliche und politische Maßnahmen zum Schutz der Minderheiten in Gang zu setzen; durch solche Maßnahmen müssten die Minderheiten auch vor Reformen und Entscheidungen geschützt werden, die ihre Präsenz in der Türkei bedrohten. Schutzmaßnahmen und –mechanismen für ursprügliche („indigene“) Bevölkerungs-gruppen seien in jeder modernen und demokratischen Gesellschaft selbstverständ-liche Praxis.
Die „Assyrische Konföderation in Europa“ setze auf eine politische Lösung, die eine Anrufung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) überflüssig mache.