Lehmanns Malerei führt uns in die allseits gegenwärtige Vergangenheit. Er malt menschenleere Zimmer, Landschaften und Stadtansichten. Die Räume, oft im Retro-Dekor, bestückt mit Gegenständen, die uns an unsere eigene Geschichte erinnern, stehen für die abwesenden Bewohner. Gegenständlichkeit und Abstraktion vereint er mit den Absurditäten erlebter Vergangenheit. Es entstehen Privatmythologien, die Sozialromantisches ausatmen: "Möblierte Seelenlandschaften" nannte Klaus Gallwitz diese.
Fünf kleine Tannen zieren die Außenansicht des Hotels "Tannenhof", dessen Name eher zu einem Standort im Schwarzwald passt, denn zu diesem etwas trostlosen Ambiente, das Jens Lehmann auf die Leinwand bannt. Die im Vergleich zu den Nadelbäumen monumentale Architektur des Gebäudes erinnert an die sogenannten Plattenbauten der siebziger und achtziger Jahre. Damals waren solche Gebäude hochmodern, heute fragt man sich, ob sich Menschen darin jemals wohlgefühlt haben können. Aber die, die diese Zeit erlebt haben, beschleicht dabei etwas Nostalgisches. Es ist durchaus humorvoll gemeint, wenn Lehmann Bildtitel vergibt wie "Abstrakte Bilder mit Stilmöbeln und Keramik" und dabei ein Ambiente zeigt, dessen Mobiliar modern, aber nicht so wertvoll-gemütlich erscheint, wie es der Begriff "Stilmöbel" vermuten ließe. Das Mobiliar dieser Innen- und Außenräume vergegenwärtigt die Irrungen und Wirrungen des sogenannten "Guten Geschmacks" und verbündet sich so mit dem Kleinbürger, der in uns allen lauert.
Personen tauchen nicht auf, nur einmal in der Gestalt des Künstlers selbst, unbekleidet Gitarre spielend in dem "Selbstbildnis vor einer Stadtlandschaft". Möglicherweise sind sie alle Porträts oder Selbstporträts, worauf dann auch der Titel eines Bildes hinweist: "Selbstporträt als Gebäude". Der Künstler vermittelt eine ironische Distanz, die auch in den oftmals lakonisch betitelten Bildern wahrnehmbar ist. So kommt es, dass Jens Lehmanns Bilder gleichzeitig physische Kälte und psychische Wärme spürbar werden lassen. Schließlich möchte er die Frage stellen, nach dem, "was letztendlich bleibt, wenn niemand mehr da ist, der all die Dinge, die wir erfinden und herstellen, wertschätzen kann" [...] (Jens Lehmann).