Die Künstlerin, Katrin Heesch, wurde 1973 in Kassel geboren. Früh fiel ihr außerordentlicher Sinn für Farbe auf. Schon als Kind unterschied sie Nuancen, die sonst kaum jemand bemerkte. Farbschattierungen konnte sie aus dem Gedächtnis rekapitulieren. Die angeborene Fähigkeit eines Menschen, die Höhe eines beliebigen gehörten Tons zu bestimmen und ihn innerhalb eines Tonsystems exakt einzuordnen, bezeichnet man als absolutes Gehör. Katrin Heesch verfügt über den absoluten Blick.
1994 nahm sie ein Studium der Freien Kunst an der Bauhaus-Universität in Weimar auf. Fast alles drehte sich um konzeptuelle Ansätze, das kam Heesch durchaus entgegen. Gemalt wurde indes kaum, und um Farben ging es selten. Zu selten, fand die angehende Künstlerin. Während ringsum Installationen entstanden, definierte sie die Malerei und den Umgang mit Farbe für sich neu - zwei Jahrhunderte nach Goethes "Beiträgen zur Chromatik". Ihre Diplomausstellung im Schloß Belvedere ist heute Legende, Heesch bekam eine glatte eins. Das war der Anfang.
Heeschs System umfaßt 108 Farben in je fünf verschiedenen Tönen. Die Farben mischt sie aus Pigmenten und rührte sie mit Latex an. Ihre Bilder setzt die Künstlerin aus hunderten farbiger Streifen zusammen, die opak schimmern. Jeden Streifen trägt sie in einzelnen Schichten auf, oft bis zu acht Lagen übereinander. Der Aufwand kostet Monate. Pro Jahr entstehen nicht mehr als sieben Werke. Vielleicht ließe sich anders effektiver arbeiten, aber Heesch geht es darum, ihrer Malerei Zeit zum Wachsen zu lassen. Um genau vordefinierte Stimmungen zu erzeugen, benutzt sie eine eigene Harmonielehre, die sie ständig verfeinert. Es geht um die Wechselwirkungen nicht nur benachbarter, sondern aller Linien auf einem Bild, um Dissonanzen und Harmonien, Übergänge und Dominanten. Darum, Kompositionen aus hunderten verschiedener Farben auf ihre Wirkung hin zu kalkulieren. Aus einfachen Farbklängen entstehen Bilder, komplex wie Symphonien.
Der Verzicht auf vertikale Bildelemente löst bei den Betrachtern einen eigenartigen Effekt aus. Auf der vergeblichen Suche nach einem Fixpunkt bewegen die Pupillen sich unwillkürlich nach rechts und links, eine Art Flimmern, ein leichtes Schwindelgefühl, und die spezielle Farbstimmung des betrachteten Bildes ruft adäquate Bilder aus der Erinnerung auf. Sie stehen - mehr oder weniger deutlich - vor dem inneren Auge, während der Blick nach außen das Gemälde umfaßt. Hinter Katrin Heeschs Bildern stehen alle Bilder der Welt. Vor Zeiten hätte man diesen Effekt Magie genannt.
Katrin Heesch
Malerei
Galerie Rothamel Frankfurt am Main
14. Juni bis 5. Juli 2008
Galerie Rothamel
Fahrgasse 17
60311 Frankfurt am Main
Di - Fr 14 - 19 Uhr
Sa 11 - 16 Uhr