Auf den ersten Blick sieht die Lage in China derzeit nicht schlecht aus: So ist in China Ende Juni das erste Unternehmen seit dem zehn Monate geltenden IPO-Verbot an die Börse gegangen und der Shanghai Composite befindet sich (mit über 3.140 Punkten) auf dem höchsten Stand seit 13 Monaten. Damit ist die chinesische Börse im ersten Halbjahr 2009 um mehr als 50 Prozent gestiegen und verzeichnete die beste Wertentwicklung weltweit.
Auslöser für den Anstieg ist das im November 2008 von der Regierung verabschiedete Konjunkturpaket von rund 500 Milliarden US-Dollar. Damit konnte der Exporteinbruch von 30 Prozent mit einer Steigerung der Investitionen und Infrastrukturausgaben um 40 Prozent überkompensiert werden. Die chinesische Regierung wolle mit allen Mitteln ein Wachstum von acht Prozent erreichen, meint Hauptmann. Zur kurzfristigen deutlichen Belebung der chinesischen Wirtschaft habe die Regierung auch mit einer indirekten Garantie für neue Kredite gegenüber den Banken beigetragen. "Solche Garantien sind die perfekte Einladung zum Missbrauch", ist der Fondsmanager überzeugt. So gebe es zunehmend Hinweise, dass ein beträchtlicher Teil der vergebenen Kredite direkt in die chinesische Börse investiert worden seien.
Viele Kredite werden in den Bau von Büro- und Wohnflächen investiert, die kaum zu vermieten sind. "Legt man beispielsweise für Peking die Vermietungsaktivitäten der vergangenen Jahre zu Grunde, dann decken die derzeitigen Leerstände bei Büroimmobilien bereits die Kapazität für die kommenden 14 Jahre ab", so Hauptmann. Eine ähnliche Situation herrscht beim privaten Wohnungsbau. Derzeit werden in China viele Wohnungen als Geldanlage gekauft. Eine Vermietungsabsicht besteht oftmals nicht. Anstatt dessen wird lediglich auf die Wertsteigerung gesetzt, denn die Immobilienpreise in China sind in den letzten Jahren fast ausnahmslos gestiegen. "Offensichtlich glauben viele Chinesen, dass dies immer so weiter gehen wird", meint Hauptmann. "Ein ähnlich falscher Glaube bei den US-Immobilienbesitzern hat zur jetzigen Weltwirtschaftskrise entscheidend beigetragen."
"Die Rating-Agentur Fitch warnte jüngst davor, dass die faulen Kredite in den Büchern der chinesischen Banken weiter zunehmen werden. China schafft mit seinem Stimulierungsprogramm kurzfristige Lösungen und langfristige Probleme", so der Fondsmanager.
Auch der Glaube, mit einem Anstieg der Konsumausgaben in China könnte die Weltwirtschaft auf Jahre stimuliert werden, sei nicht haltbar, meint Hauptmann. Chinesische Konsumenten geben 40 Prozent ihres Einkommens für Konsum aus, in den westlichen Ländern liegt diese Zahl bei 60 bis 70 Prozent. "Allerdings müssen die Chinesen für ihre Gesundheit und das Alter selbst vorsorgen, denn sie haben nicht die uns bekannten Sozialsysteme. Zudem bringt die Ein-Kind-Politik zunehmende demografische Probleme. Beide Entwicklungen zusammen erzwingen sehr hohe Sparraten und machen einen relativen Anstieg der Konsumausgaben eher unwahrscheinlich", so der Fondsmanager. "Alles in allem betrachtet, geht die chinesische Erfolgsstory schweren Zeiten entgegen. Wer auf China als Lokomotive der Weltwirtschaft setzt könnte bald eines Besseren belehrt werden."
Über Dr. Steffen Hauptmann:
Dr. Steffen Hauptmann (Jahrgang 1961) ist promovierter Informationstechniker. Er begann seine berufliche Karriere als Wissenschaftler in einem Forschungslabor von Philipps. Dort leitete er von 1991 bis 2001 Projekte in den Bereichen Analyse und Modellierung verteilter Computersysteme und Netzwerktechnologien. 1997 begann er sein Know-how auf den Investmentbereich zu übertragen. Dies war so erfolgreich, dass er sich 2001 als Research Analyst im Bereich quantitativer Investmentstrategien selbständig machen konnte. Hauptmann ist Fondsmanager des GALIPLAN Aktien Global AMI, ein internationaler Aktienfonds, der rein quantitativ verwaltet wird. Die dafür genutzten mathematischen Modelle hat er selbst entwickelt. Bei der Weiterentwicklung dieser Modelle befasst sich Hauptmann detailliert mit den Märkten und deren Investmentklima.