Das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz hat die Audi AG gleich zweimal zu Schadensersatzzahlungen verurteilt (Az. 5 U 987/20 vom 05.05.2021 und Az. 5 U 1343/20 vom 17.03.2021). Beide Fällen betrafen jeweils einen Audi A6 Avant Allroad Quattro und einen Audi A6 Avant, in denen ein Motor des Typs EA897 verbaut war. Auch waren beide Fahrzeuge in der Vergangenheit von verpflichtenden Rückrufen des Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) betroffen. Der Grund hierfür war, dass in den Audis mindestens eine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt wurde. Beide Urteile verbessern die Chancen auf Schadensersatz für Kläger:innen mit einem Audi A6 erheblich.
Nicht nur der sachliche Inhalt der Urteile sticht hervor. So äußerten sich die Richter:innen im Urteil zum Audi A6 Avant auch zu Audis Verhalten: „Die Beklagte zeigt eine fortgesetzt destruktive Prozessführung […]“.
Der Audi A6 Avant Allroad Quattro und das Thermofenster
Das Urteil vom 17. März ist eines der ersten Urteile zu den vom KBA zurückgerufenen Audi A6 V-TDI Dieseln. Hervorzuheben ist vorallem die Einschätzung des Gerichts zum sogenannten Thermofenster. Diese Abschalteinrichtung dient der Minimierung des Stickoxidausstoßes, welche anhand der Außentemperatur reguliert wird. Die Technik wurde vom OLG Koblenz klar als unzulässig eingestuft, womit sich das Gericht von vielen anderen OLG abhebt. Oft beurteilen Richter:innen Abschalteinrichtungen dann als unzulässig, wenn diese bewusst nur im Prüfstand aktiviert werden. Das Thermofenster läuft aber in Abhängigkeit der Außentemperatur, nicht in Abhängigkeit eines Prüf- oder Fahrmodus. Die Technik findet sich in Fahrzeugen fast aller Hersteller, da sie angeblich dem Motorenschutz dient.
Diese Erklärung hielt allerdings vor dem OLG Koblenz nicht stand: Audi habe bewusst „staatliche Behörden, Wettbewerber und Endverbraucher” getäuscht. So ist dieses Urteil des OLG Koblenz wichtig für die zukünftige Rechtsprechung in Bezug auf temperaturgesteuerte Abschalteinrichtungen.
Urteil zum Audi A6 Avant
Der Hauptgrund, weshalb der Besitzer eines Audi A6 Avant im zweiten Urteil Schadensersatz erhielt, war Audis vorsätzliches unerlaubtes Handeln. Der Kläger hatte seinen Audi in der Zwischenzeit sogar schon weiterverkauft. Trotzdem wurde Audi zu Schadensersatzzahlungen verurteilt. Das OLG Koblenz hielt Audis Vortrag nicht für substantiiert genug: Der Autobauer konnte nicht genau darlegen, weshalb in dem Fahrzeuge keine Schummelsoftware sei.
In erster Instanz, vor dem Landgericht (LG) Koblenz, hatte der Kläger behauptet, dass in seinem Diesel u.a. eine Aufheizstrategie, auch „Strategie A“ genannt, als unzulässige Abschalteinrichtung zum Einsatz kam. Das konnte durch eine Pressemitteilung des KBA vom 23. Januar 2018 belegt werden. Der Rückrufbescheid des KBA verriet außerdem, dass der Audi A6 mithilfe der „Strategie A“ erkennt, dass sich das Fahrzeug im Prüfmodus befindet. Nur dann wird die Abgasreinigung angeschaltet, welche im Straßenverkehr wieder abgeschaltet wird.
Audi bestreitet dies. Im betreffenden Motor gäbe es keine Umschaltlogik. Auch würde die Pressemitteilung des KBA auf etwas anderes abzielen, nämlich auf die Arbeitsweise des SCR-Katalysators. In erster Instanz erhielt die Audi AG noch vor dem Landgericht Koblenz Recht. Aber das OLG war nicht so überzeugt. Sie befanden Audis Vortrag für unzureichend und gaben dem Kläger recht. Den Richter:innen zufolge könne der Kläger aus den wenigen Informationen, die ihm frei zur Verfügung stünden, auf illegale Abschalteinrichtungen in seinem Audi A6 schließen. Der Audi-Konzern betreibt immer noch eine Geheimniskrämerei, wenn es um die technischen Details der angeblichen einwandfreien Fahrzeuge geht. Dies fiel ihnen vor Gericht nun auf die Füße.
Wie die zwei Urteile des OLG Koblenz zeigen, haben Kläger:innen nach wie vor ausgezeichnete Chancen auf Schadensersatz gegen Audi. Ob und inwieweit Fahrer:innen mit einem Audi A6 oder einem anderen Audi-Modell Entschädigung zusteht, können Betroffene in wenigen Schritten mit dem kostenfreien Online-Check von Gansel Rechtsanwälte ermitteln.