Biominerale können stabile Materialien bilden, wie zum Beispiel Stützskelette bei Muscheln und Schnecken oder feste Riffstrukturen im Meer, und übernehmen wichtige Funktionen in marinen Ökosystemen. Solche mineralisierten Hartteile traten in der erdgeschichtlichen Entwicklung gehäuft vor rund 550 bis 520 Millionen Jahren im späten Präkambrium bis frühen Kambrium auf. Ihrer Existenz gehen einzellige Organismen voraus, die große Mengen Kalk absondern. Die genetischen Steuerungsmechanismen, durch die lebende Zellen mineralisierte Strukturen ausscheiden, waren bislang weitgehend unbekannt – ebenso wie deren evolutionärer Ursprung.
Die Untersuchungen wurden an dem „lebenden Fossil“ Astrosclera willeyana vorgenommen. Diese corallinen Schwämme waren maßgeblich während früher Epochen der Erdgeschichte an riffbildenden Prozessen beteiligt.
„Weil Schwämme entwicklungsgeschichtlich an der Basis des Stammbaumes vielzelliger Tiere stehen und somit dem gemeinsamen Vorfahren der Metazoa nahestehen, eignen sie sich hervorragend, um ursprüngliche Biomineralisationsprozesse zu entschlüsseln“, erläutert Prof. Wörheide. Die Wissenschaftlergruppe wählte dafür einen neuen Forschungsansatz. Ihre sogenannten paläogenomischen Arbeiten basieren auf genetischen Techniken und Proteinexpression sowie stammesgeschichtlichen Rekonstruktionen.
Die Forscher isolierten aus A. willeyana das besonders reaktionsfreudige Enzym Astrosclerin. Dieses neue Enzym der alpha-Carboanhydrase-Familie ist ein wesentlicher Bestandteil des genetischen Baukastens im Prozess der Biomineralisation. Nahe Verwandte aus dieser Enzymfamilie sind an vielen grundlegenden Stoffwechselprozessen beteiligt. Das für die Produktion von Astrosclerin verantwortliche Gen muss dabei schon im letzten gemeinsamen Vorfahr der Metazoa vorhanden gewesen sein, wie die stammesgeschichtlichen Analysen zeigen. „Als einzelne Kopie ist dieses wichtige Gen nachfolgend unabhängig in Schwämmen und anderen Tieren dupliziert worden. Damit wurde der Grundstein gelegt für die Vielfalt von physiologischen Prozessen, an denen das Enzym heute beteiligt ist“, so der Göttinger Geobiologe.
Das Forschungsvorhaben „Characterization of matrix proteins of the coralline demosponge Astrosclera willeyana–A contribution to understanding the evolution of biomineralization“ wird seit Anfang 2005 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert. Dr. Daniel J. Jackson von der School of Integrative Biology der University of Queensland in Brisbane, mit der bereits eine langjährige enge Kooperation besteht, forschte im Rahmen des Projekts 13 Monate an der Georg-August-Universität. Wie Prof. Wörheide erläutert, sind die Materialien, die durch Biomineralisation entstehen, unter anderem als neue Werkstoffe und in der biotechnologischen Anwendung von Bedeutung.