Der im späten 14. Jahrhundert entstandene "Spieleteppich", so genannt wegen seiner Darstellung von Minnespielen, musste vor rund 30 Jahren wegen seines gefährdeten Zustands ins Depot gebracht werden. In den vergangenen zwei Jahren wurde er im Institut für Kunsttechnik und Konservierung im Germanischen Nationalmuseum restauriert. Ab 8. Mai ist der Wandbehang wieder in einer klimatisierten Vitrine im Teppichsaal der 2006 eröffneten Schausammlung Mittelalter zu sehen. Die Ausstellung "Der Liebe Spiel" begleitet die Neupräsentation. Sie führt in die Bildwelt des Teppichs ein, erläutert seine Geschichte im Germanischen Nationalmuseum und dokumentiert die Restaurierungsarbeiten. Originalwerke aus den Sammlungen des Museums ergänzen die Schau.
Der figurenreiche Behang gehört zur Gruppe der sogenannten "Minneteppiche", die auf Motive der mittelalterlichen Minnedichtung zurückzuführen sind. Im Mittelpunkt stand die in unzähligen Varianten thematisierte Beziehung von Mann und Frau. Erotik und Sexualität spielten dabei eine zentrale Rolle. In einer weiten Gartenlandschaft, dem "Liebesgarten", vergnügen sich Paare bei Spiel und Tanz, dazu gehören Fangen, Stoßen, Reiten, Fesseln und intime Berührungen. Die dargestellten Liebesspiele, von denen einige später als "Schinkenklopfen" oder "Den Dritten schlagen" zu Kinderspielen wurden, führten zur Bezeichnung des Teppichs als "Spieleteppich". Da diese Einordnung die erotischen Konnotationen der mittelalterlichen Liebeskultur hinter scheinbar unverfänglicher Kurzweil zurückdrängte, sind auch sie in der Ausstellung wieder neu zu entdecken.
Der Teppich wurde wahrscheinlich von dem Speyerer Bürger Hans Diehl in Auftrag gegeben, dessen Wappen am Bildrand erscheint. Diehl verfügte über enge Kontakte zum kurfürstlichen Hof in Heidelberg. Da für Heidelberg bereits im 14. Jahrhundert eine bedeutende Teppichproduktion nachgewiesen ist, liegt es nahe, dass diese Wirkerei dort gefertigt wurde. Möglicherweise diente der Behang als Festschmuck bei Hochzeitsfeierlichkeiten.
Von 1857 bis 1974 war der Teppich nahezu ununterbrochen ausgestellt. Ohne die nun durchgeführte Restaurierung war an eine erneute Präsentation nicht zu denken. Zunächst galt es, die verarbeiteten Materialien durch naturwissenschaftliche Untersuchungen zu bestimmen. Für die exakte Schadensaufnahme wurde erstmals in der Textilrestaurierung ein digitales Kartierungsprogramm eingesetzt. Da der schlechte Zustand eine wässrige Reinigung nicht zuließ, wurden Vorder- und Rückseite des Teppich mit einem Mikrosauger schonend abgesaugt. Am Ende stand die Unterlegung und nähtechnische Sicherung der geschädigten Partien.
Da die Neupräsentation den restaurierten Bildteppich nicht nur dem Publikum, sondern auch der Forschung nach langen Jahren wieder zugänglich macht, findet am 30. und 31. Oktober 2008 im Germanischen Nationalmuseum eine internationale Fachtagung statt, die den Teppich im Kontext aktueller kunst- und kulturhistorischer Fragen diskutiert.
Die Ausstellung wird unterstützt von der "Stiftung zu Förderung des Germanischen Nationalmuseums". Hochauflösende Pressefotos stehen im Pressebereich unserer Webseite www.gnm.de zum Download bereit.
Der Liebe Spiel - Zur Neupräsentation des "Spieleteppichs" in der Schausammlung Mittelalter, 8. Mai bis 9. November 2008 Geöffnet Di-So 10-18 Uhr, Mi 10-21 Uhr, Mo geschlossen.
Führungen des Kunst- und Kulturpädagogischen Zentrums der Museen in Nürnberg (KPZ):
Führungen durch die Ausstellung: Sonn- und Feiertage 14 Uhr. Themenführungen Mi 14.5., 19 Uhr und So 18.5., 11 Uhr: "Der Liebe Spiel"; Mi 4.6., 19 Uhr und So 8.6., 11 Uhr: "Zur Restaurierung des Spieleteppichs".
BilderSprache (Lesung in der Ausstellung): Do, 26.6., 16.30 Uhr.
Buchung und Information zu Gruppenführungen unter Tel. 0911-1331-238.
Veranstaltungen für Schulklassen: Infos unter Tel. 0911-1331-241.