Eine Dokumentation des ZDF (Volle Kanne)
Der Begriff „Achtsamkeit“ stammt aus dem Buddhismus, ist aber auch bei Esoterikern beliebt. Dazu sagt die Hirnforscherin und Meditationsexpertin Dr. Britta Hölzel: „Leider rutscht das Thema leicht in diese Ecke, was manche Menschen abschreckt. Da gehört es aber nicht hin. Es geht um eine grundlegende Fähigkeit des Geistes, nämlich die Aufmerksamkeit in den gegenwärtigen Moment zu bringen und den Erfahrungen mit einer offenen, freundlichen, nicht verurteilenden Haltung zu begegnen. Dafür bedarf es keines esoterischen Glaubens.“
Allerdings bedürfe es etwas Disziplin, um mehr Achtsamkeit in den Alltag zu bringen: „Es ist ganz üblich, dass unsere Gedanken wegwandern, wenn wir keiner gezielten Tätigkeit nachgehen.“ Und das könne auch durchaus sinnvoll sein, beispielsweise dann, wenn eine Art geistige Simulation vorgenommen werde: „Wir versetzen uns in andere räumliche oder zeitliche Perspektiven, um zukünftiges Verhalten zu üben.“ Allerdings dürfe das „Gedankenwandern“ nicht ausarten, „so dass wir einen Großteil der Zeit nicht mehr präsent bei dem sind, was wir gerade tun.“
Achtsam und glücklich
Zumal Menschen, die achtsamer sind, einer Studie der Havard University zufolge auch glücklicher sind. Hölzel: „Menschen, die mit Aufmerksamkeit bei dem waren, was sie gerade taten, waren im Schnitt glücklicher. Und interessanterweise war das unabhängig davon der Fall, ob die Menschen etwas taten, das sie als angenehm oder als unangenehm empfanden.“
Außerdem könne Achtsamkeit dabei helfen „eingefahrene Verhaltensmuster“ zu erkennen: „Vielleicht gehen wir typischerweise auf eine bestimmte Art an Problemsituationen heran, die aber gar nicht immer die hilfreichste ist. Indem wir achtsam innehalten und die Perspektive erweitern, können wir besser ‚außerhalb der Box‘ denken und neue Lösungsstrategien finden.“
Training mit Alltagstätigkeiten
Um Achtsamkeit zu trainieren, so Hölzels Tipp, seien „typische Alltagstätigkeiten, während derer wir uns sonst meist in Gedanken verlieren“ gut geeignet: „Also achtsam die Zähne putzen, das Geschirr spülen oder an der Supermarktkasse anstehen.“ Den Vorteil dieser bewussten Entscheidung für das „Hier und Jetzt“ erklärt Hölzel so: „Wir spüren, wie es sich im Körper anfühlt und wie Gefühle und Gedanken durch unser Erleben ziehen.“
Eine weitere Möglichkeit, „mit der Aufmerksamkeit in den gegenwärtigen Moment zu kommen“, sei die Beobachtung des eigenen Atems: „So trainieren wir die Aufmerksamkeit. Gleichzeitig beginnen wir, uns selbst besser zu spüren und größere Klarheit über unsere Empfindungen zu bekommen.“
Sitz- und Gehmeditation
Für den Einstieg in die Achtsamkeitspraxis ebenfalls gut geeignet sei die sogenannte Mindfulness Based Stress Reduction (MBSR). Hölzel erklärt, worum es bei dieser Stressbewältigung durch Achtsamkeit geht: „Es werden verschiedene Meditationsübungen vermittelt. Sitzmeditationen mit verschiedenem Fokus, Gehmeditation, achtsame Bewegung und der sogenannte Bodyscan, bei dem die Aufmerksamkeit systematisch durch den ganzen Körper geleitet wird.“
MBSR sei als achtwöchiges Gruppenprogramm mit einem zwei- bis dreistündigen Treffen pro Woche angelegt; zusätzlich würden die Teilnehmer mithilfe von Anleitungen auf CDs täglich zu Hause üben. Zu dem Ende der 70er-Jahre von Jon Kabat-Zinn entwickelten Programm sagt Hölzel: „Es ist wissenschaftlich gut untersucht und inzwischen stark verbreitet.“ Und auch wenn die Hirnforschung diesbezüglich noch am Anfang stehe, gebe es Hinweise darauf, dass MBSR der psychischen Gesundheit zuträglich sei und außerdem dabei helfen könne, Gefühle besser zu regulieren.