"Frau Merkel und ihre Ministerpraesidenten scheren sich offensichtlich nicht um die Atom-Gefahren", sagt Tobias Riedl, Atomexperte von Greenpeace. "Auch die Warnung, dass die Atommeiler die Entwicklung der Energiewirtschaft behindern, kommt bei ihnen nicht an. Ihnen geht es einzig darum, die Interessen der Atomindustrie durchzusetzen. Es ist hoechst unverantwortlich, diese entscheidenden Argumente zu ignorieren. Atomkraft hat keine Zukunft."
Urspruenglich wollte die Bundesregierung ein Energiekonzept auf der Basis wissenschaftlicher Szenarien erstellen und anschliessend ueber die Nutzung der Atomkraft entscheiden. Mit einer vorzeitigen Festlegung auf laengere Laufzeiten wird dieses Szenario allerdings wertlos. "Wuerde die Regierung vorbehaltlos rechnen lassen, waere klar, dass Atomkraft fuer die Energieversorgung keine Rolle mehr spielen darf. Diesen Tatsachen will sie aber nicht ins Auge sehen", sagt Riedl.
Der Sachverstaendigenrat fuer Umweltfragen der Bundesregierung (SRU) hat Anfang Mai dargelegt, dass eine Vollversorgung mit Erneuerbaren Energien bis zum Jahr 2050 moeglich ist. Laengere Laufzeiten fuer Atomkraftwerke wuerden den notwendigen Ausbau von Wind- und Sonnenenergie blockieren. Die Energieproduktion von Atomkraftwerken ist kurzfristig nur sehr begrenzt regelbar, ihre Energie verstopft das Stromnetz bereits jetzt fuer die Einspeisung vor allem aus Windanlagen.
Die Bundesregierung will die Reaktoren bis zu 28 Jahre laenger am Netz lassen. Die Atomindustrie soll dafuer einen Teil der entstehenden Gewinne abgeben. Die Konzerne haben eine Finanzierungskonstruktion vorgeschlagen, die eine Entscheidung fuer laengere Laufzeiten im Falle eines Regierungswechsels praktisch unumkehrbar machen wuerde. Doch laengere Laufzeiten bedeuten groessere Gefahr: Nach einer Statistik des Bundesumweltministeriums (BMU) vom Mai gibt es in aelteren Atomkraftwerken deutlich mehr sicherheitsrelevante Defekte.
67 Prozent der Deutschen wollen am bestehenden Atomausstieg festhalten wird oder diesen sogar noch beschleunigen. Dies ist das Ergebnis einer repraesentativen Umfrage von TNS-Emnid von Anfang Mai im Auftrag von Greenpeace. "Eine Regierung muss dem Gemeinwohl dienen. Stattdessen reisst die Bundesregierung mit ihrer sturen Haltung in der Atomfrage wieder gesellschaftliche Konflikte auf", sagt Riedl.