In Boston, wo Coretta Musik studiert, trifft sie das erste Mal auf Martin Luther King jr. Anfangs ist sie von dem Baptistenpastor wenig beeindruckt – er ist ihr zu klein. Je besser sie ihn kennenlernt, desto mehr kann sie ihn und seine Hingabe an die Gerechtigkeit schätzen. Sie verliebt sich. Am 18. Juni 1953 heiraten sie schließlich. „An diesem Tag habe ich nicht nur einen Mann, sondern ein Schicksal geheiratet“, sagt sie später. Gemeinsam leben, arbeiten und kämpfen die Kings für ihren großen Traum: Gleichheit und Gerechtigkeit. Nach fast 15 Jahre Ehe endet die Liebe abrupt: Am 4. April 1968 wird Martin Luther King ermordet.
Coretta Scott King ist nicht nur die Witwe eines großen Mannes. Sie übernimmt in ihrem Leben viele Rollen. Sie ist Sängerin, Ehefrau, Mutter von vier Kindern, Witwe, eine Kämpfende und eine Glaubende. Vorbild und Inspiration für Tausende.
Ihren letzten öffentlichen Auftritt hat sie drei Wochen vor ihrem Tod. Obwohl sie krankheitsgeschwächt nicht in der Lage ist, eine Rede zu halten, erhebt sich das Publikum und applaudiert ihr minutenlang.
„Coretta wurde meistens für ihren eisernen Willen und ihre Selbstbeherrschung bewundert“, schreibt ihre Biografin Octavia Vivian, selbst Teil der Bürgerrechtsbewegung. Nur vier Tage nach der Ermordung ihres Mannes führt die Witwe eine friedliche Demonstration durch Memphis an, an der 15.000 Menschen teilnehmen. Sie kämpft weiter für den Traum ihres Mannes, bleibt aber nicht bei der Rolle der Erinnernden stehen: „Ich muss sagen, dass ich einen großen Widerstand dagegen verspüre, ein Symbol zu sein. Man erwartet von dir, dass du dich bei bestimmten Anlässen zeigst, aber als Witwe eines großen Mannes hast du wirklich nicht viel zu sagen. Für mich war die Sache der Gerechtigkeit genauso wichtig wie für Martin, und ich hätte mich auch dann dafür engagiert, wenn ich Martin nie begegnet wäre.“ Coretta setzt sich für Gerechtigkeit ein, weil es das ist, was sie als Person ausmacht. In den vier Jahrzehnten nach Martin Luther Kings Tod kämpft die alleinerziehende Mutter gegen das, was sie das „dreifache Übel“ nennt: Rassismus, Armut und Krieg. Ihre zahllosen Reisen, Reden und Konferenzen führen sie 1981 auch nach Deutschland, wo sie bei einer Friedensdemonstration im Bonner Hofgarten spricht.
Der Glaube an Gott ist die Kraft, die Coretta in ihrem Leben antreibt. Und der Glaube hilft ihr durch Krisen und Verluste: „Es gab Momente, in denen mein Glaube sehr angefochten war und in denen ich fast verzweifelte. Aber irgendwie ist in diesen dunklen Momenten immer wieder eine Hoffnung aufgetaucht, ein Lichtstrahl, der meinen Weg erhellte.“
Octavia Vivian ist eine Freundin von Coretta Scott King und war selber in der Bürgerrechtsbewegung aktiv. Sie zeichnet in ihrer Biografie ein einfühlsames und persönliches Bild einer Frau mit vielen Facetten. Als Leser lernt man Coretta an unterschiedlichen Stationen ihres Lebens und in verschiedenen Rollen kennen. Die Tage vor und nach der Ermordung von Martin Luther King erlebt man genauso unmittelbar mit wie die Siege und Niederlagen der Bürgerrechtsbewegung.
Coretta Scott King ist einer Frau, die heute noch Vorbild ist. Eine Legende.