So müsse beispielsweise beim Hinweis auf einen ausgeglichenen Etat des Bundeslandes Berlin auch gesagt werden, dass dies in der Bundeshauptstadt nur durch eine Mittelzuweisung aus dem Solidarpakt in Milliardenhöhe erreicht wird – Mittel, die von allen deutschen Steuerzahlern aufgebracht werden. Seit Jahren liege Bremen bei den konsumtiven Primärausgaben deutlich niedriger als Berlin. So hätte Bremen im Stadtstaatenvergleich zuletzt bei einer spürbaren Steigerung der Primäreinnahmen im Jahr 2006 um plus 6,0 Prozent seine Primärausgaben im Gegensatz zu Berlin stark reduziert (-2,8 Prozent). Diese Anstrengungen würden fortgesetzt: Während die Primärausgaben der Gesamtheit der bundesdeutschen Länder im Jahr 2011 voraussichtlich um 12,4 Prozent höher liegen werden als 2006, würden die Bremer Primärausgaben dann sogar um 1,9 Prozent unter denen von 2006 liegen.
Unredlich sei auch, in dieser Thematik die generelle Ungerechtigkeit des bestehenden Finanzsystems zwischen Bund und Ländern zu verschweigen. Das bestehende System des Bund-Länder-Finanzausgleichs, so die Handelskammer, sei intransparent, widersprüchlich und leistungsfeindlich. Mittlerweile sei es in der deutschen Finanzwissenschaft klar, dass es zukünftig in weit stärkerem Maße als heute gelten müsse, dass dort, wo Wirtschaftskraft erzeugt wird, auch die Steuerkraft verbleibt. Wenn jeder Finanzminister das Interesse habe, die Wirtschaftskraft seines Bundeslandes zu stärken, werde er auch danach handeln.
Die Handelskammer gehe realistischerweise ebenfalls davon aus, dass die Föderalismuskommission die bestehende Haushaltsnotlage nicht sofort vollständig lösen werde. Es könne aber nicht sein, dass ein Finanzwissenschaftlicher wie Professor Seitz den Bremer Etat in Grund und Boden redet, ohne zu sagen, wie das Finanzsystem im Interesse aller Bundesländer verändert werden muss. Gerade darin bestehe die große Chance der Föderalismuskommission.
In einem vor kurzem in der Handelskammer vorgestellten Gutachten habe der Kölner Finanzwissenschaftler Professor Wolfgang Kitterer deutlich gemacht und dies auch durchgerechnet, dass alle Bundesländer davon profitieren würden, wenn generelle Stellschrauben im bestehenden Finanzsystems verändert werden. Er habe gezeigt, dass es im Kern darum gehen müsse, sich auf Wirtschaftskraftorientierung der Steuerverteilung, auf maßvollen Steuerwettbewerb, auf Standortgerechtigkeit durch Teilentschuldung und auf Anreize für mehr Wirtschaftswachstum für alle Bundesländer zu konzentrieren.
Selbst bei der vorsichtigen Annahme, so die Handelskammer, dass sich durch die Finanzausgleichsreform ein zusätzliches Wachstum von 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ergibt, erhielten die Länder in ihrer Gesamtheit ein zusätzliches Steueraufkommen von gut einer Milliarde Euro jährlich. Dies zeige deutlich, dass man der Haushaltsnotlage Bremen nur gerecht werde, wenn man die Entwicklungen sachlich und wissenschaftlich fundiert betrachte. Polemik wie die von Professor Seitz bringe niemanden weiter: Bremen nicht und auch nicht die übrigen Bundesländer.