"Wo diese Märkte liegen, ob in der Region, im Bundesgebiet, in Europa oder in der ganzen Welt, ist vielfach eine Frage von Sprache, Sparte und angewandter Technologie", so Gerhard Repp, Präsident der Handwerkskammer Kassel. Auch wenn Handwerksbetriebe heute jenseits der deutschen Grenzen erfolgreich seien, konstatierte er das Fehlen einer handwerklichen Exportkultur, die Entwicklung einer Exportmentalität, das Bewusstsein, dass es Märkte jenseits der eigenen Region gibt, die sich auch ein Handwerksbetrieb erfolgreich erschließen kann. "Eigentlich wundert dass, denn die Qualität des deutschen Handwerks genießt Weltruf." Sowohl das Ausbildungssystem des Handwerks als auch die Handwerker selbst seien weltweit gefragt.
Als Hauptgründe für die Zurückhaltung bei Exportgeschäften nannte er das generell hohe Risiko, Sprachschwierigkeiten, bürokratische Hemmnisse und Informationsdefizite. "Kein Wunder also, wenn in Hessen nur 2,7 von 100 Handwerksbetrieben im Ausland aktiv sind." Allerdings müssten auch kritische Fragen gestattet sein: "Wozu braucht ein Friseur Europa? Fürchtet sich das Kfz-Handwerk zu Recht vor Brüssel? Macht es Sinn, dass ein deutscher Bäcker polnische Teiglinge verwendet?"
Die Antwort hatte Otto Kentzler mitgebracht: "Vor dem Hintergrund der aktuellen Konjunkturschwäche gilt es für das Handwerk, vorhandene Marktpotenziale auch auf ausländischen Märkten zu nutzen und unsere Betriebe zu ermutigen, sich grenzüberschreitend zu betätigen", so der ZDH-Präsident. Da die Exportquote des Handwerks in Deutschland mit sieben Prozent aber deutlich unter der des gesamten Mittelstandes von 29 Prozent liege, riet er zu mehr Vertrauen in die eigene Stärke bei der Beherrschbarkeit der Risiken des Exportgeschäfts. Die Erfahrung zeige, dass Handwerksbetriebe, die außenwirtschaftlich engagiert seien, diese Risiken erheblich niedriger bewerteten.
Sprachbarrieren könnten durch ein Engagement auf dem deutschsprachigen Markt minimiert werden. "Insbesondere deutschsprachige Nachbarländer mit einem vergleichsweise hohen Preisniveau sind für unsere Handwerker besonders attraktiv", so Kentzler. Österreich, die Schweiz, das Elsass, Luxemburg, Teile Belgiens und der Niederlande sowie Dänemark gehörten zu den beliebtesten Absatzmärkten. Aber auch in östlich von Deutschland gelegene Länder entwickelten sich immer größere Chancen für das deutsche Handwerk. "Deutsche Anbieter sind in den polnischen Ballungszentren gefragt, in denen sich das Lohn- und Kostenniveau bereits dem ostdeutschen Handwerksunternehmen angepasst hat."
Um weitere, beispielsweise bürokratische Hemmnisse aus dem Weg zu räumen, unterhalte die Handwerksorganisation ein außenwirtschaftliches Beratungsnetzwerk mit 90 Experten. Eine Leistung, die in den vergangen Jahren kontinuierlich ausgebaut worden sei und künftig noch weiter wachsen müsse.
"Aber egal, wo auf der Welt, Handwerksbetriebe sind erfolgreich, weil sie flexibel und innovativ sind", so HWK-Präsident Gerhard Repp. So habe es das Handwerk in der Vergangenheit immer wieder geschafft, sich an veränderte Rahmenbedingungen anzupassen. "Ausdruck findet diese Innovationsfähigkeit immer wieder in neuen Produkten und Dienstleistungen, Komplettangeboten und Kooperationen, in veränderten Produktionsmethoden oder verbesserten Leistungen."
Leider werde die Innovationstätigkeit in den Handwerksbetrieben immer wieder systematisch unterschätzt. "Innovationen gelten als eine Domäne großer Industriebetriebe. Fälschlicherweise, denn auch im Handwerk finden vielfältige Innovationen statt." Diese seien nicht zwangsläufig spektakulär. Dennoch sei gerade die Weiterentwicklung und Anpassung von Techniken und Technologien, das Aufspüren neuer Nischen und anwendergerechter Lösungen auch in kleinem Maßstab hoch kreative und unverzichtbare Beiträge zum technischen Wandel.
An diesem Punkt setzte dann auch Professor Dr. Bernd Kriegesmann mit seinem Vortrag an. Er "entzauberte" den Begriff Innovation und definierte ihn so, dass er auch für Handwerksbetriebe mit Inhalt und Leben zu füllen ist. Wichtig sei, so der Leiter des Institutes für angewandte Innovationsforschung, dass die Betriebe die Chancen erkennen und Innovationen einführen würden. Bedeutender Faktor für das Gelingen der Innovationsprozesse in einem Betrieb seien die Mitarbeiter. Ein weiterer Schwerpunkt seines Redebeitrags war das Thema Innovationsmanagement. Dabei ging der Wissenschaftler nicht nur auf die konkrete Umsetzung in den Betrieben ein, sondern erläuterte auch, warum viele Innovationen auf der Strecke bleiben. Als Konsequenz forderte Kriegesmann Rahmenbedingungen, die Innovationen stärker förderten.
Innovative Handwerksbetriebe haben ein klares Profil, das Kammerpräsident Gerhard Repp so beschrieb: "Sie sind oft größer als der Durchschnitt der Betriebe, haben in der Mehrzahl aber weniger als 20 Beschäftigte. Dafür ist ihr Absatzradius größer als der Handwerksdurchschnitt. Viele dieser Unternehmen sind jenseits der deutschen Grenzen tätig." Das bestätige eine Studie des Seminars für Handwerkswesen, und belege, warum die Kammer die Themen Globalisierung und Innovation zusammen auf die Agenda gesetzt habe.
Auf die Frage, ob die Anstrengungen der Handwerksbetriebe im Bereich der Auslandsaktivitäten und der Innovation reichten, um auch künftig am Markt zu bestehen, gab es am Ende des Kurhessischen Handwerkstages nur eine Antwort: Nein. Allerdings entließ die Kammer ihre Gäste um viele Anregungen reicher, welche Bedingungen notwendig sind, um beide Themen im Handwerk und in den Betrieben voranzubringen.